Es ist schon erstaunlich, wie wenig es immer wieder braucht, um Schlagzeilen in der Sonntagspresse zu ergattern. Die „Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz“ (Igas) machte es gestern wieder einmal vor. „Grossverteiler: <Bauern stecken den Kopf in den Sand>“, lautete der Titel in der NZZ am Sonntag. Der Bericht behandelt eine Igas-Pressemitteilung, die zum Zeitpunkt des Erscheinens noch gar nicht versandt war. Im Artikel wird vom Igas-Geschäftsführer Jürg Niklaus behauptet, dass „die meisten Bauernfunktionäre den Kopf in den Sand stecken“, wenn es um Marktöffnung geht. Daneben kommen ausführlich Vertreter Igas-Mitglieder Migros, von Fleischfachverband und Hotellerie zu Wort, die in die gleiche Kerbe hauen. Der Tenor: Die Bauern sind schuld, dass es mit dem Freihandel nicht vorwärts geht, und deshalb kaufen die Konsumenten im Ausland ein. Dazu ein paar Bemerkungen: Erstens ist der Nutzwert des Freihandels für die Landwirtschaft höchst umstritten, und wie man beim Käse sieht, wo bereits ein solches Abkommen existiert, nützt es nur punktuell, hilft aber dort wo die Probleme am grössten sind (beim Emmentaler) überhaupt nichts. Zweitens sind die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit der EU nicht auf Eis gelegt wegen dem Widerstand der Bauern, sondern weil in Brüssel kein Mensch ein Interesse hat, der Schweiz Freihandel zu gewähren, solange übergreifende institutionelle Fragen nicht geklärt sind. Drittens ist es völlig falsch, die Bauern (allein) verantwortlich zu machen für den Einkaufstourismus. Dieser ist eine Folge der horrenden Preisunterschiede. Diese wiederum sind auf die hohen Produktionskosten in der Schweiz und auf die sehr guten Detailhandelsmargen hierzulande zurückzuführen. Es sei bei dieser Gelegenheit auf die Binsenwahrheit verwiesen, dass die Schweizer Bauern ihre Produkte gratis abliefern könnten und die Konsumentenpreise nichts desto trotz deutlich über denjenigen im Ausland liegen würden. Die Mitteilung der Igas ist deshalb ein durchsichtiges Schwarzpeterspiel von Grossverteilern und Verarbeitern, die in der Igas stark vertreten sind. Zudem erhält der Vorstoss im jetzigen Zeitpunkt den Beigeschmack eines Ablenkungsmanövers, weil das Igas-Mitglied Coop im Fleischbereich mit halbseidigen Methoden Schlagzeilen macht, die dazu geeignet sind, den Konsumenten den Einkaufstourismus noch schmackhafter zu machen. Worüber ich nur staunen kann ist, dass sich auch IP Suisse und Bio Suisse von der Igas instrumentalisieren lassen. Ich kann mir diesen Fakt nur damit erklären, dass beide Organisationen mit ihren Labels massiv abhängig sind von den Grossverteilern (IP Suisse mit dem Label Terra Suisse vor allem von Migros, Bio Suisse mit der Knospe vor allem von Coop). Kleiner Tipp an Igas: Zuerst vor der eigenen Türe wischen, bevor man bei den anderen – durchaus vorhandenen – Staub aufwirbelt.
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