Frau Professors Schuss in den BiOfen

Man ahnte schon nichts gutes, als die „NZZ am Sonntag“ in der Samstagsausgabe des Mutterblattes grossbuchstabig von der grossen Bio-Illusion warnte. Auf der Frontseite der Zeitung ging es am Sonntag dann noch drastischer zu und her: Dort war die Rede von der Bio-Lüge, all das ohne Anführungszeichen. Etwas weiter hinten im Blatt tönts dann etwas moderater. „Pardon, das ist verrückt„, heisst hier der Titel über einem Interview mit Nina Fedoroff. Die reich dekorierte Professorin an der Penn State University ist heuer Präsidentin der AAAS, der weltgrössten akademischen Vereinigung. Deshalb hat ihr Wort einiges Gewicht. Im Interview holt Fedoroff zum Rundumschlag gegen den Biolandbau aus. Die Produkte seien nicht nur nicht besser, sondern das System auch ineffizient und letztlich gefährlich, da es Lebensmittelvergiftungen zu Gevatter stehe. Ihre Vorwürfe untermalt sie mit Sprüchen im Stil von: „Wenn Sie einen Sack Dünger kaufen, müssen Sie kein Land freihalten, auf dem Sie Futter für Tiere produzieren“. Wäre die gute Frau Ökonomin, könnte man ihre Ignoranz gegenüber geschlossenen Kreisläufen und deren ökologischer und ökonomischer Vorteile ja locker verzeihen. Aber Fedoroff ist Pflanzenbiologin und offenbar eine der renommiertesten grünen Gentechnologinnen. Dabei scheint ihr bei der Forschungsarbeit genau das passiert zu sein, was sie den Konsumenten von Bioprodukten vorwirft, nämlich dass sie der Marketingindustrie auf den Leim gekrochen sind. Fedoroff ist derart einseitig von den Vorteilen der Pflanzen-Biotechnologie überzeugt, dass es ihr den Blick auf die Realitäten trübt. Nicht, dass ich die Bio-Landwirtschaft als Heilsbringerin für die weltweiten Ernährungsprobleme betrachten würde, aber ebenso unrealistisch ist die Position, dass dank Pflanzen-Gentechnologie die Ernährungssituation a priori besser wird. Bisher ist diese in erster Linie eine Cashcow für eine Handvoll Grosskonzerne, die leider auch einen Grossteil der entsprechenden Forschung – auch an den Universitäten – finanzieren, was dann derartige pauschale Abrechnungen zur Folge hat. Das habe ich schon im Agronomiestudium erlebt, als die ersten von der Basler Chemie gesponserten Biotechnologen angestellt wurden. Ich bin für Meinungsfreiheit. Aber dass die Kollegen der „NZZ am Sonntag“ dieser Polemikerin eine derartige Plattform bieten, ohne dass irgendjemand Gelegenheit erhält, die Vorwürfe mit Argumenten zu parieren, dünkt mich handwerklich nicht grad besonders organisch. Ich hoffe, dass man sich in Bio-Kreisen diesen Schuss in den BiOfen nicht unwidersprochen bieten lässt.

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13 Antworten to “Frau Professors Schuss in den BiOfen”

  1. Amadeus Paulussen Says:

    Unfassbar. Und so etwas wird dann auch noch im grossen Stil in Druckform unter die Leute gebracht. 😦

  2. Stephan Jaun Says:

    und so tönt es aus BiOfen 🙂

    http://www.drs4news.ch/www/de/drs4/sendungen/drs-4-aktuell/5728.sh10214388.html

  3. Heidi Says:

    … was willst du in die Ferne schweifen, auch das Schlechte liegt so nah: Beda M. Stadler von der Uni Bern. Er versucht seit Jahrzehnten mit unwissenschaftlichen Mitteln, gentechkritische ForscherInnen zum Schweigen zu bringen. Er sieht die Rettung der Welt in transgenen Pflanzen, wo doch die Erfahrung die negativen Seiten dieser Gewächse längst an den Tag gebracht hat. Siehe z.B. Blick:
    http://www.blick.ch/news/schweiz/immunologe-stadler-an-bio-gemuese-kann-man-sterben-id76771.html

  4. adriankrebs Says:

    @Stephan: Sauber pariert, den Schuss. Er biegt nach Deinem Kommentar ab in den Fuss von Frau Fedoroff. @Heidi: Bei Stadler ist es glaube ich mehr die Lust am Provozieren, so eine Art Weltwoche in Professorenform. Der würde auch das Gegenteil behaupten, wenn die Wellen im Wasserglas hoch genug gingen.

  5. Thomas McAlavey Says:

    Als werdender Biobauer traute ich zuerst meinen Augen nicht.Von einer solch einflussreichen Wissenschaftlerin soviel Lügen auf einmal zuhören, währenddem Syngenta mit ihrer Chemie halb Südamerikas Grundwasser verseucht.In Amerika wäre Frau Fedoroff wohl wegen Verleumdung verzeigt worden.

    An Adi Krebs ein grosses Lob für den amüsanten Blog, seinen Einsatz für Hornkühe und die Werbung für meinen Lehrmeister Martin Ott.

  6. Markus Bernhardsgrütter Says:

    Bio sei umweltfreundlicher! Argumente dieser Art kann ich nicht mehr hören. Frau Fedoroff muss ich recht geben. Einerseits ist die Produktion nach den z.B. IP-Suisse Label rationeller und effizienter (z.B. Kartoffelanbau/Unkrautbekämpfung: nur ein Spritzdurchgang statt bis zu 12 Druchgänge mit Striegel und Dammformgeräten), andererseits sind die eingesetzten PSM (Pflanzenschutzmittel) bedeutend schneller abbaubar. Da zumal im Biolandbau nur wenige Spritzmittel zugelassen sind. Die die zugelassen sind, basieren vielfach auf Kupfer, welcher gegen Pilze eingesetzt werden darf. Nach jahrelangem Einsatz kann so der Boden verseucht werden (siehe Tessin, Teils können keine Reben mehr gesetzt werden!). Ist das Biologisch/Nachhaltig? Da ich auf einem Biogemüsebetrieb gearbeitet habe, ist mir bewusst wie viel im Bioanbau gespritzt wird! Auf ca. 350 ha werden gut 3000 ha gespritzt!
    Als Direktvermarkter wär es wirtschaftlicher auf Bio umzustellen! ABER ich könnte NICHT hinter Bio stehen!

    Marketing ist alles!

    Lieber Gruss

    Markus

    @ Adi, finde Deinen Blog super! 🙂 Viel erfolg damit!

  7. Thomas McAlavey Says:

    @Markus Bernhardsgrütter
    Da waren sie aber auf einem komischen Biobetrieb und wohl nicht in der Schweiz! Die meisten normalen Biobauern(keine reinen Gemüsebauern) haben nicht einmal eine Spritze in der Scheune.

  8. Markus Bernhardsgrütter Says:

    @ Thomas Mc Alavey

    hehe, ich glaube nicht! Ich war auf einem der grössten Biogemüsebetrieb in der Schweiz.
    Es gibt zwei Arten Biobetriebe, welche die Bio leben und solche, die Bio produzieren(!) Migros und Coop vermarkten in der Werbung die die es leben und verkaufen die Produkte von denen die sie produzieren. Ganz einfach. Schlussendlich zählt der Preis(!) Da ich aus der Branche komme, weiss ich von was ich spreche.

    Gerne gebe ich mehr Auskunft wie es in der Landwirtschaft zu und her geht.

    lg

  9. Thomas McAlavey Says:

    Nur blöd das ich ebenfalls in der Branche tätig bin! Momentan auf dem grössten Demeterbetrieb der Schweiz.Inklusive Gemüsebau.

  10. Heidi Says:

    Heute um 19.55 Uhr schaltete die Tagesschau den Artikel „Gen-Mais schadet Marienkäfern doch“ auf, in welchem über die Forschung von Angelika Hilbeck, ETHZ berichtet wird. Welch ein Zufall! An sie hatte ich heute morgen gedacht, als ich den Kommentar über Beda Stadler schrieb. Er hatte in den 1990er Jahren die Forschung von Angelika Hilbeck über Gen-Mais/Nützlinge mit falschen „Tatsachen“ versucht zu bodigen.
    http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2012/02/28/Vermischtes/Gen-Mais-schadet-Marienkaefern-doch?WT.zugang=ts_na5

  11. adi (nicht krebs) Says:

    Noch eine interessanten Link, wie man endlich effizienter Betriebsstoffe für das Konstrukt Mensch produzieren könnte…. http://inhabitat.com/disturbing-headless-chicken-solution-aims-to-raise-poultry-birds-without-suffering/

    …schöne „neue“ Welt…..

  12. adriankrebs Says:

    Danke für die interessante Diskussion allerseits (und die netten Worte)! Bio scheint zu polarisieren, Agroblog bleibt dran am organischen Speck.

  13. Heidi Says:

    Der Leiter des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL) hat eine Replik zum Artikel in der NZZ am Sonntag geschrieben. Zentrale Aussagen von Nina Fedoroff sind, so Urs Niggli, falsch, und er diskutiert die wichtigsten Argumente im Licht der wissenschaftlichen Literatur.
    http://www.fibl.org/de/service/nachrichtenarchiv/meldung/article/biolandbau-gentechnik-und-welternaehrung-eine-erwiderung-zum-interview-mit-nina-fedoroff-in-der-nz.html

    Von Geld und Macht getriebene Wisenschaftler verderben den Ruf der seriösen und untergraben den Glauben an Forschungsresultate. Redlichkeit sollte auch in der Forschung oberstes Prinzip sein.

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