Es war nur eine kurze Nachricht in meinem Leibblatt, aber sie hat mich trotzdem schwer erstaunt: „Syngenta unterzeichnet Vergleich in den USA wegen Atrazin“. In den USA hat sich die Tochter des Schweizer Agrochemie-Multis mit über 20 privaten im Corn-Belt (der rote Fleck auf der Karte) beheimateten kommunalen Wasserversorgern auf einen Vergleich geeinigt. Dieser kostet die Firma 105 Millionen Dollar. Angeklagt war Syngenta Crop Protection Inc. wegen der erwiesenen Verschmutzung des Grundwassers mit dem Herbizid Atrazin. Es ist ein älteres Produkt, das in der Schweiz lange für die Unkrautfreiheit der Bahngeleise eingesetzt wurde. Das mussten viele Gärtner schmerzhaft erfahren. Wenn sie Mäuerchen aus alten Bahnschwellen bauten, starb nach dem ersten Regen die ganze Vegetation unterhalb dieser Stützmauern ab, wegen des ausgewaschenen Atrazins. Mittlerweile ist diese Form des Einsatzes in der Schweiz verboten, die EU hat den Atrazineinsatz 2003 gleich komplett untersagt. Grund für dieses Verbot ist die schlechte Abbaubarkeit der Substanz, sie landet gerne im Grundwasser und sorgt bei den Konsumenten je nach Dosierung zu allerlei Gesundheitsproblemen, namentlich Geburtsschäden beim Nachwuchs. Eben deshalb laufen bei den erwähnten US-Wasserversorgern hohe Zusatzkosten für die Reinigung ihrer Reservoirs und Brunnen auf, wie sie in der der Klageschrift detailiert erläutern. Syngenta blättert nun also die 105 Millionen Bucks auf den Tisch, um diese Schäden zu tilgen, will diese Zahlung aber partout nicht als Schuldeingeständnis verstanden haben. Im Gegenteil: man zahle nur, um den Weg frei zu machen, dass die Bauern im Corn Belt endlich wieder ungehindert Atrazin einsetzen können, schreibt die Firma in einer reichlich schönfärberischen Medienmitteilung. Sie versteigt sich gar zur Behauptung, dass Atrazin eine wichtige Rolle im Umweltschutz zukomme. In Tat und Wahrheit geht es hier um sehr handfeste wirtschaftliche Interessen, Atrazin ist nach wie vor das meistverkaufte Herbizid in den USA. Die Cashcow soll weiter gemolken werden, auch wenn ihr Euter schwer entzündet ist. Kurzfristig mag das rentieren, langfristig dürften dem Unternehmen mit dieser kurzsichtigen Politik höhere Kosten als Nutzen resultieren. (Grafik USGS Pesticide Maps)
Schlagwörter: Atrazin, Grundwasser, USA
Juni 1, 2012 um 8:41 pm
In der Schweiz wurde der Verkauf von Atrazin erst per 1.1.2009 verboten, also sechs Jahre nach der EU, obwohl es immer heisst, die Schweizer Bauern seien ökologischer als die übrige Welt. In den 1980er Jahren lehrte man an der ETH, dass Atrazin nicht ausgewaschen würde, sondern stark an die Bodenteilchen gebunden werde. Gedanken über allfällige Folgen der Anreicherung machte man sich nicht. Doch es kam anders. Von der leichten Auswaschbarkeit zeugen heute noch hohe Atrazin-Konzentrationen im Grundwasser.
Nicht nur wegen des Atrazin-Verbots nimmt der Einsatz eines anderen Herbizids stark zu: Glyphosat. Es wird vor allem nach der Ernte von Getreide und Raps grossflächig versprüht. Das ist erlaubt, auch gemäss Ökologischem Leistungsnachweis (ÖLN). Der ÖLN von Bauern für Bauern? Falls das Problem dereinst nicht mehr unter den Tisch gewischt werden kann, wird es neue Forschungsgelder generieren.
Da kommt mich unweigerlich die Syngenta-Professur in den Sinn; über die Problematik der gesponsorten ETH-Professuren hat Adi schon berichtet:
https://adisagroblog.wordpress.com/2010/11/13/ethaha-syngenta-sponsert-agro-nachhaltigkeit/
Im Nationalfonds und an den Hochschulen sitzen allerlei Agro-Industrie-Interessenvertreter an den Geld-Hebeln. Weil die Forschenden nicht im Goldteich schwimmen wie Onkel Dagobert ist die Versuchung gross, dass einige von ihnen „unliebsame“ Ergebnisse in der Schublade lassen, damit ihre Projekte bewilligt werden. So dreht sich das Karussell im Kreis, im Kreis, im Kreis.
Juni 3, 2012 um 11:19 am
lieber adi
eigentlich brauchts keinen kommentar – ausser dass man anfügen könnte, die saubern schweizer sind mal wieder gar nicht so propper wie sie immer vorgeben zu sein! auch wenn man felder unkrautfrei macht ist man nicht unbedingt sauber!
lieber gruss urs
Juni 9, 2012 um 12:07 am
Danke für die Ergänzung, @Heidi, ist also in der Schweiz doch auch verboten, hab ich nicht mitgeschnitten. Und @Urs, das Problematische ist ja, dass die Agrochemie-Unternehmen Produkte, die in den einen Ländern oder gar Erdteilen aus ökologischen Gründen verboten sind, in anderen Ländern und Erdteilen aus ökonomischen Gründen vollgas weiter forcieren. Das entspringt dem Problem, dass sich diese Unternehmen immer nur vom einen Vierteljahrsergebnis zum nächsten hangeln. Wer ausserhalb der als Feigenblätter dienenden Nachhaltigkeitsabteilungen langfristig denkt und auch danach handelt, riskiert Karrierenrückschläge oder gar gefeuert zu werden.
Mai 11, 2015 um 7:29 am
[…] jenes Pflanzenschutzmittel, das die Kasse der Syngenta in vielen Ländern heftig klingeln lässt. Syngenta will die kranke Cashcow weitermelken, Adi’s Agro-Blog, Mai 2012. “Die Anwendung von Atrazin ist in Deutschland und […]