Am Samstag sind in 250 Städten in den USA (im Bild Eureka, Kalifornien) und in weiteren 40 weltweit, darunter Zürich, Zehntausende von Menschen auf die Strasse gegangen. Sie folgten einem Aufruf zum „March against Monsanto„, dem Marsch gegen Monsanto. Der global tätige Saatgut- und Pestizidhersteller mit Sitz in St. Louis, Missouri ist als Marktleader im Bereich der grünen Gentechnik für viele Menschen zum Inbegriff des Bösen geworden. Sie protestierten gegen die Dominanz von GVO-Pflanzen auf amerikanischen Feldern, gegen das politische Lobbying von Monsanto und der Handvoll anderen Unternehmen im Markt und für eine klare Deklaration von „Frankenstein-Food“, wie man Esswaren mit GVO-Bestandteilen -und das werden immer mehr – ennet dem grossen Teich gerne nennt.
Es ist interessant, dass sich gerade in den sehr technologiefreundlichen USA der Protest unterdessen am lautesten manifestiert. Bisher konnten Monsanto, DuPont und Syngenta – sie kontrollieren gemeinsam 53 Prozent des weltweiten Samenhandels – ihre Marktanteile relativ ungestört und ohne grosse Nebengeräusche ausbauen. Das tat man sehr erfolgreich: 93 Prozent der Soja und 86 Prozent des Maises in den USA werden mittlerweile mit GVO-Saatgut produziert, mit dem Löwenanteil zugunsten von Monsanto.
In der letzten Zeit gab es aber verschiedene Anlässe, mit denen die GVO-Lobby den Bogen im Mutterland der GVO-Mutterlands möglicherweise überspannt hat. Es sind vor allem vier Dinge, welche die gegenwärtige Protestlawine ausgelöst haben:
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Als Kalifornien im letzten November über ein Gesetz abstimmte, das eine GVO-Deklaration verlangte, kämpfte Monsanto mit hohem Mitteleinsatz, an vorderster Front und letztlich erfolgreich dagegen, die Befürworter unterlagen im Verhältnis 47 zu 53.
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In den letzten Jahren strengte Monsanto in 27 Bundesstaaten 124 Patentverletzungsklagen gegen 410 Bauern und 56 KMUs an und gewann diese praktisch alle (Hier die Begründung des Unternehmens). Insgesamt spülten die Prozesse 23 Millionen Franken in die Kassen des Multis. Dabei geht es meist darum, dass Farmer Samen verwenden, die mindestens eine Verunreinigung mit GVO-Saatgut enthalten, oft ohne davon zu wissen und deshalb auch ohne dafür separat Patentgebühren zu zahlen. Im Moment macht der Fall eines 75-jährigen Farmers Schlagzeilen, der den Fall bis ans Bundesgericht weitergezogen hat, der Entscheid wird für Juni erwartet.
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Im März verabschiedete der US-Senat im vergangenen März unter kräftige Mitwirkung von Lobbyisten im Solde von Monsanto in einer Nacht- und Nebelaktion eine Gesetzespassage, die später unter dem Titel „Monsanto Protection Act“ Karriere machte. Die Gesetzespassage sorgt kurz zusammengefasst dafür, dass GVO-Saatgut selbst dann noch unbehelligt weiter verwendet werden darf, wenn ein Gericht beschliessen sollte, dass dieses aus beispielsweise sicherheitstechnischen Gründen.
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Vor wenigen Tagen veröffentlichte die international tätige NGO „Food & Water Watch“ einen Bericht unter dem Titel „Biotech Ambassadors“, die detailiert aufzeigt, wie eng die amerikanischen Behörden und die Saatgut-Konzerne zusammenarbeiten, um die Weiterverbreitung der GVO-Produkte sicherzustellen. Der lange Arm von Monsanto und Co. reicht bis in amerikanische Botschaften weltweit, wo gezielte Beeinflussungsversuche von lokalen Regierungen zum üblichen Instrumentarium gehören, um nur ein Beispiel zu nennen.
Was bedeutet das alles für die Schweiz? Wir sind aufgrund des 2005 verhängten Gentech-Moratoriums, das noch bis 2017 in Kraft bleiben soll, im Anbau nach wie vor eine GVO-freie Zone. An diesem temporären Verbot wird nun aber kräftig gerüttelt, wahrscheinlich – alles andere wäre eine grosse Überraschung – nicht ohne das kräftige Zutun der Industrie. Der Bund präsentierte im Januar den Entwurf einer Koexistenzverordnung, in der ein Nebeneinander von GVO und konventionellem Saatgut als komplex aber letztlich durchaus handlebares problemloses Unterfangen skizziert wird. Politiker, wie der Berner FDP-Nationalrat Wasserfallen sekundieren und verbreiten ihre Message subtil. Er spricht von einem Forschungsverbot, obwohl die Forschung durch das Moratorium nicht tangiert ist. Gleichzeitig plädiert er auf reichlich naive Weise für Wahlfreiheit, es werde dann schon angebaut, was der Konsument wolle.
Wenn man allerdings das oben beschriebene Vorgehen der Marktleader in den USA und zahlreichen anderen Staate aus der Nähe betrachtet, ist eher davon auszugehen, dass diesen weniger an Koexistenz und Wahlfreiheit denn an Dominanz gelegen ist. Ich sehe keinen Grund anzunehmen, dass die Industrie in der Schweiz – sollten die Tore einmal geöffnet sein – zimperlicher vorgehen sollte, als in den USA und überall sonst, wo man sie mit offenen Armen empfangen hat. (Bild Facebookseite von March against Monsanto)
Schlagwörter: DuPont, GVO, Monsanto, Monsanto Protection Act, Proposition 37, Syngenta
Mai 29, 2013 um 10:23 am
Monsanto ist der Teufel! Ein weiterer Grund, nicht zu sehr auf eine Fütterung mit Mais und Soja zu setzen (GVO oder nicht). Wieder ein guter Artikel, danke.