Heute morgen beim Hochgeschwindigkeits-Durchblättern der „Coopzeitung“ plötzlich gestutzt: „Machen die jetzt auf reduziertes Packungsdesign?“ fragt sich das noch etwas matte Hirn reflexartig. Ah nein, melden die langsam in Fahrt kommenden grauen Zellen, da handelt es sich um Produkte vom Juckerhof, dem Königreich der Direktvermarkter, so erfolgreich, dass in der Standortgemeinde Seegräben ZH seit Jahren über die Art der Bewältigung des lawinenartigen Verkehrsaufkommens vom und zum „Erlebnishof“-Gelände gestritten wird.
Die Jucker-Kürbisse gibt’s ja schon länger bei Coop (übrigens fein, grad gestern aus einem Exemplar eine Suppe gebastelt), aber dass mir nun auch noch der halbe Hofladen aus der Hauspostille des Grossverteilers entgegenleuchtet, gibt doch ein wenig zu denken. Nicht dass ich den tüchtigen Jucker-Brüdern den Erfolg und den zusätzlichen Umsatz missgönnen würde. Aber wenn man sich das ein bisschen genauer überlegt, ist es schon eine ziemliche Perversion des Direktvermarktungsgedankens.
Ursprünglich war ja diese Art des Verkaufs dazu gedacht, den Zwischenhandel für einen – mikrobiell kleinen – Teil des Marktes auszuschalten und eine direkte Brücke von den Produzentinnen zu den Konsumentinnen zu schlagen. Damit kann der Primärsektor nicht nur die Marge erhöhen, sondern auch den Austausch mit den Kunden pflegen, in beiden Richtungen: Rückmeldungen zur Qualität der Produkte aus erster Hand und Schaffen von gegenseitigem Verständnis aufgrund dem Wissen um Sorgen und Bedürfnisse.
Das wachsende Bedürfnis, nicht nur ennet der Grenze, sondern auch regional einzukaufen ist natürlich auch den Marketingstrategen der Grossverteiler nicht entgangen. Mit ihren Programmen „Aus der Region – Für die Region“ (Migros) sowie „Miini Region“ (Coop) versuchen sie dieses seit einigen Jahren zu befriedigen. Davon profitieren wir durchaus, so habe ich etwa dank dem Migros-Programm den weltbesten Grossverteiler-Anke von der Molkerei Neff in Wald entdeckt.
Trotzdem kann ich mich nicht richtig freuen, wenn jetzt der Grossverteiler auch noch die landwirtschaftliche Direktvermarktung als Teil des Portefeuilles zu betrachten beginnt. Das Inserat verspricht eine Hofladen-Atmosphäre und Nähe zur Scholle, die ein Grossunternehmen schon strukturell bedingt nie wird einlösen können, eben gerade weil er kein Direktvermarkter sondern ein Zwischenhändler ist, und damit genau derjenige, der in diesem System für einmal zurückstehen müsste.
Coop und Migros haben durchaus Verdienste, was die Förderung einer bäuerlichen nachhaltigen Landwirtschaft angeht, aber ein Grossverteiler ist ein Grossverteiler ist ein Grossverteiler. Ich kenne die Konditionen des Deals Jucker-Coop nicht, gehe aber davon aus, dass die Seegräbner massive Einbussen bei der Marge hinnehmen müssen, was sie quersubventionieren durch die Werbewirkung der Coop-Präsenz, höhere Quantitäten und Erträge aus anderen Verkaufskanälen. Bin natürlich gerne bereit, das zu korrigieren, wenn mir jemand genaue Zahlen liefert…
Schlagwörter: Aus der Region - Für die Region, Coop, direktvermarktung, Migros, Miini Region
Oktober 21, 2015 um 12:01 pm
Ein sehr interessanter Beitrag, vielen Dank. Ich würde das Konzept von Juncker auch kritisch sehen. Allerdings halte ich Kunden mit einer Präferenz für Direktvermarktung (gerade in der Schweiz) für intelligent genug, zu erkennen, dass das nicht wirklich „direkt-„Vermarktung ist.
Oktober 21, 2015 um 3:20 pm
Hey Adi, danke für den Beitrag, gut erfasst. Es steht auch nicht zur Diskussion den Hofladen in den Grossverteiler zu bringen. Es sind da 8 von rund 500 hofeigenen Produkten im Sortiment und das auch nur in einer beschränkten Anzahl Läden. Das kann man als Werbeplattform bezeichnen, denn unsere Direktvermarktung braucht ja eben Kunden. Für ausgedehnte Werbekampagnen sind die Margen aber zu klein. So funktioniert das ganz gut und Coop hat auch ein kleines Stück vom Hofimage. Die Marge von Coop ist übrigens sehr Fair, da haben wir im eigenen Hofladen höhere Kosten. Aber klar ein heikle Schritt den wir lange abgewogen haben. Da wir zu keinen sicheren Entscheid gekommen sind, probieren wir das jetzt mal aus und sehen was passiert, wie wir das immer machen wenn wir neues ausprobieren.
Oktober 22, 2015 um 7:28 am
Danke für die Inputs. @Sebastian: ich glaube, es geht nicht um die Intelligenz der Kunden, sondern eher um ihre Bequemlichkeit (ertappe mich ja selber auch immer wieder dabei). Wenn Du neben Staubsaugersäcken, Fertiglasagne, Havelaar-Kaffee und Prix-Garantie-Energydrink auch noch grad Hofladenprodukte einkaufen kannst, wieso solltest Du dann noch in den Hofladen fahren? @Martin: Bin gespannt auf den Ausgang der Gratwanderung, merci auch für die Info zum local Fairtrade, hoffe das sei nicht nur ein Einstiegsrabatt… wünsche Glück!
Oktober 23, 2015 um 12:15 pm
Das scheit bei den Detailhändlern ein Trend zu sei, Lidl sucht ja auch gerade für „klein aber fein“ Kleinstproduzenten, deren Produkte in Orginalverpackung während beschränkter Zeit in den Regalen zu finden sein werden. Das ist dann für die Produzenten dieselbe Gratwanderung zwischen Publizität und knallhartem Handel.
Dezember 11, 2016 um 11:23 pm
Hallo, schöner Beitrag!
Wollte nur den Tipp geben, dass man über http://www.mein-bauernhof.de einfach und schnell den nächsten Hofladen oder Wochenmarkt finden kann 🙂 bisschen mehr Direktvermarktung kann den Landwirten sicher nicht schaden.
VG
Sabine