Archive for the ‘Gesundheit’ Category

Das Almeria des Apfels stösst an Grenzen

September 21, 2017

Heute ist, sollten Sie die Ankündigung verpasst haben, der Tag des Apfels. Aus diesem Anlass deshalb wieder mal ein paar Zeilen zu dieser von mir heiss geliebten und wenn möglich täglich verzehrten Frucht.

Das letzte Wochenende durfte ich im Südtirol verbringen, das sich in den letzten Jahrzehnten zum Eldorado des Apfels entwickelt hat. Nach zwei Tagen vor Ort bin ich geneigt vom Almeria des Apfels zu sprechen. Die südspanische Gemüsemetropole hat bekanntlich wenig schmeichelhafte Berühmtheit als flächendeckender Plasticgewächshaus-Sündepfuhl erlangt.

So sieht es im Südtirol nicht aus, aber anderweitig belastend. Im ganzen Vinschgau, dem gut 60 Kilometer langen Tal im äussersten Westen des Südtirols und immer weiter darüber hinaus hat die Apfelindustrie kaum einen Flecken Land übrig gelassen, der nicht von den getrimmten Spalierbäumchen bepflanzt wäre.

Das ist zwar alles immerhin noch grün, zumindest im Sommer. Trotzdem ist es kein schönes Schauen. Die Plantagen werden aufrecht gehalten von Betonpfosten, die zum dominanten Landschaftsraster geworden sind. Das erfährt man buchstäblich am Besten im Zug, wo es einem fast schwindlig wird ob des vorbeiziehenden Pfostenwalds gesprenkelt mit zahllosen hellgrünen und roten Tupfern, den makellos im Geäst hängenden dominanten Sorten Golden und Red Delicious, darüber vielerorts ein schwarzer Schimmer bestehend aus Quadratkilometern von Witterungs-Schutznetzen.

Vergangenes Wochenende war die Ernte in vollem Gang. Von hier aus wird der Apfelbedarf von Italien, halb Europa und eines Gutteils der Welt gespiesen. Die Jahresproduktion liegt gemäss Wikipedia bei 950’000 Tonnen von 8000 Betrieben mit total 18’400 Hektaren. Südtirol ist damit das grösste Apfelproduktionsgebiet Europas. Zwar bedecken die Bäume nur 2,5 Prozent des Territoriums, aber in der Talebene sind es gefühlte 70 bis 80 Prozent, die Plantagen reichen bis weit in die Dörfer hinein und kriechen immer weiter den Hang und das Vinschgau hinauf.

Zuoberst im Tal, in Mals, wo man überrascht ist, noch einige weidende Kühe zu sehen, stösst die Industrie jetzt auf Widerstand. Die Gemeinde hat in einem mühselig erkämpften Referendum im November 2014 mit 76 Prozent Ja-Stimmen ein Pestizidverbot beschlossen, dessen Umsetzung aber noch nicht vollzogen ist, da noch zahlreiche juristische Hürden zu nehmen sind. Die Bedeutung des klaren Ja ist eher symbolischer Natur. Das Pestizid-Verbot zielt auf die Apfelproduktion. Diese ist in ihrer Intensität auf 15-20 Pflanzenschutzbehandlungen jährlich angewiesen.

Dass die Dichte der Anlagen den Schädlingen die Verbreitung erleichtert liegt auf der Hand, dass die Spritzmittel-Einsätze in unmittelbarer Nähe der Bevölkerungszentren zunehmend Widerstand wecken, ist logisch. Daran ändert auch die starke Dominanz der apfelfreundlichen Südtiroler Volkspartei und des ihr nahestehenden Bauernbunds nichts.

Diese Apfelmonokultur hat den Bogen überspannt, so mein spontaner Eindruck und das System dürfte über kurz oder lang zusammenbrechen – spätestens dann, wenn die immer weniger werdenden zugelassenen Spritzmittel von Resistenzen durchlöchert sein werden. Das ist eigentlich schade, denn das Klima im Trockental bietet für den Anbau der Frucht ideale Voraussetzungen und hat für einigen Wohlstand gesorgt hat. Gleichzeitig zeigt das Apfel-Almeria zehn Minuten hinter der Schweizer Grenze, dass wir wenn nicht auf einer Insel der Glückseligen, so doch zumindest in und mit einer ganz anderen Agrikultur leben. Die Vielfalt der Schweizer Betriebe nimmt zwar tendenziell ab, aber eine solche Konzentration, wie man sie z.B. auch in Hollands Blumenindustrie findet, wäre bei uns schlicht nicht möglich, auch weil sie von der Bevölkerung nicht geduldet würde.

Allerdings sollten wir uns nicht allzustark in Selbstgefälligkeit sonnen. Unlängst sorgten Pläne für ein 80-Hektaren-Gewächshaus-Landschaft im Seeland für Schlagzeilen. Das sind wenig vielversprechende Perspektiven, auch weil dies möglicherweise das grösste aber längst nicht das einzige Projekt dieser Art in der Schweiz ist. Wehret den Anfängen ist zwar eine schwer abgelutschte Handlungsempfehlung, aber immer noch eine gute.

 

Es läuft nicht Round für Glyphosat (& die Bauern?)

April 25, 2015

roundup-ultra-max-5lWie eine Chemiebombe hat Ende März im globalen Hilfsstoff-Business die Nachricht eingeschlagen, dass das Internationale Krebsforschungsinstitut IARC, eine Agentur der WHO Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ („probably carcinogenic“) taxiert hat. Die Aufruhr ist nachvollziehbar: Der Totalherbizid-Wirkstoff ist für Branchenprimus und Erfinder Monsanto (Markenname Roundup) und zahlreiche Nachahmer viel mehr als ein Bestseller.

Glyphosat bildet das Rückgrat einer Strategie, mit der die Industrie in den letzten 20 Jahren Milliarden verdient hat. Die Interaktion mit den gegen Glyphosat resistenten („Roundup-ready“) Kulturpflanzen, namentlich Soja und Mais, ist seit den 1990er Jahren das erfolgreichste Geschäftsmodell der Branche. Es hat beispielsweise auf dem südamerikanischen Kontinent zu einer kompletten Umstrukturierung der Landwirtschaft geführt.

Die tubelisicheren Verdienstmöglichkeiten mit dem flächendeckenden Anbau des Cash-Crops hat die Rinderzucht ebenso verdrängt wie Spezialkulturen. Mit diesen arbeitsintensiven Landwirtschafts-Sektoren kam auch die ländliche Bevölkerung unter Druck, da zehntausende von Jobs verschwanden, das Resultat ist eine verstärkte Landflucht. Diejenigen die blieben tragen die Konsequenzen oft in Form von gesundheitlichen Auswirkungen. Mehr dazu zum Beispiel hier und hier.

Angesichts der starken Abhängigkeit der Firma von Glyphosat-Umsätzen ist es wenig erstaunlich, dass Monsanto mit einem Kommunikationsoffensive auf die Taxierung der IARC reagiert hat, unter anderem mit dieser ziemlich agressiven Mitteilung und einem wahren Twitter-Gewitter. Hauptaussage: Glyphosat ist sicher, das ist dutzendfach wissenschaftlich bestätigt und das IARC hat alte Daten falsch und voreingenommen interpretiert.

Es steht ja auch viel auf dem Spiel für Monsanto, nicht nur in Südafrika und in den USA, sondern auch auf dem europäischen Kontinent, wo Roundup ebenfalls sehr flächendeckend zum Einsatz kommt, sei es als klassisches Herbizid oder zur Abtötung von Getreide zwecks gleichmässiger Abreifung der Körner kurz vor der Ernte. Über den weltweiten Verbrauch gibt es nur Schätzungen, die teilweise eine Million Tonnen jährlich überschreiten. Allein in den USA wurden 2012 128’000 Tonnen eingesetzt, in der Schweiz geht man von rund 300 Tonnen jährlich aus, das ist über ein Drittel des gesamten Herbizidverbrauchs von 800 Tonnen jährlich. Hauptproblem dieses Grosseinsatzes ist neben den möglichen Gesundheitsschäden die Zunahme der Resistenzen gegen das Pestizid. Dieser Artikel spricht von weltweit 32 resistenten Unkräutern. Dies wiederum führt dazu, das in Ländern wie Argentinien alte verpönte Substanzen wie Atrazin und 2,4-D, ein vietnamerprobtes Entlaubungsmittel wieder verstärkt zum Einsatz kommen.

Weltweit haben die Neuigkeiten die Behörden zumindest ansatzweise aufgescheucht, selbst in den ansonsten sehr Pestizidfreundlichen USA warnt die  Umweltbehörde EPA unterdessen vor übermässigem Glyphosat-Einsatz und listet auf, was an Gesundheitsschäden sonst noch so alles droht durch Glyphosat: „Verstopfung der Lunge, Nierenschäden, Fortpflanzungseffekte.“ Nicht sonderlich vertrauenserweckend. Weiter zeigen diverse Studien verheerende Auswirkungen auf die Fauna, zum Beispiel Amphibien.

Was beabsichtigt man zu tun in heimischen Gefilden mit der problematischen Substanz? Vorläufig nichts, es liege erst die Kurzfassung der Studie vor und man kenne deren Grundlage nicht, heisst es beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Nichts gehört zum Thema Glyphosat hat man bisher aus bäuerlichen Kreisen, die den Löwenanteil der 300 Tonnen versprühen. Bei früheren Gelegenheiten, etwa als man vor Jahresfrist von der EAWAG damit konfrontiert wurde, dass Schweizer Oberflächengewässer mit einem „Pestizidcocktail“ dotiert sind hiess es, man müsse vertieft abklären, woher die Rückstände kämen und wie sie in die Flüsse gelangten. Kurze Zeit später betonte man nach einem nationalen Workshop zum Thema Pflanzenschutz, man dürfe diesen „nicht verteufeln“ und begründete den Bedarf mit dem Bedarf nach perfekter Ware in den Läden.

Dass es ohne Pflanzenschutz nicht geht, ist eine Binsenwahrheit, auch für Biobauern nota bene. Aber es es reicht nicht, beim Bekanntwerden von Umweltschäden und Gesundheitsrisiken durch gewisse Substanzen die Hände in den Schoss zu legen und den Verzicht auf Massnahmen damit zu begründen, dass Konsumenten keine Äpfel mit Schorfflecken essen und dass die Hobbygärtner ebenfalls spritzen. Ich denke, dass es langsam Zeit wäre für ein etwas proaktiverer Umgang der Bauern mit diesem Problem, denn wenn es die Branche nicht selber tut, werden Behörden und Gesetzgeber früher oder später die Zügel anziehen und den Verbrauch von zB. Glyphosat einschränken, wenn nicht gar verbieten (so wie es die Pro Natura bereits fordert). Die Bauern werden dann wieder einmal am Pranger stehen als Umweltverschmutzer, die seit Jahren abwiegeln und nichts unternommen haben.

Dominante Kühe, Retortenfleisch & Veggieday

August 6, 2013

p15808801Erneut erreichen mich schöne Bilder aus dem Berggebiet, hier vom Tannensee im Kanton Obwalden hart an der Grenze zum Berner Oberland. Monika Schlatter (merci!) dokumentiert wunderbar die Kräfteverhältnisse: während die Kühe selbstbewusst die Wege in Anspruch nehmen, können die Wanderer devot schauen, wo sie bleiben.

Unterdessen macht das Rindvieh beziehungsweise sein Fleisch im Tal Schlagzeilen. Diese Woche gab es aus dem Bereich des Karnivoren zwei Aufsehen erregende Meldungen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben: Ein holländischer Wissenschafter brät mit viel Brimborium vor den Augen der Weltöffentlichkeit einen Retortenhamburger aus der Petrischale und die deutschen Grünen fordern im Wahlkampf einen Veggieday, also einen fleischlosen Tag in Kantinen.

Die zwei Sommerlochfüller haben aber durchaus einen Konnex: Ein solcher Veggieday ist eine gute Idee, denn nur wenn wir den Fleischkonsum bewusster und bescheidener gestalten, können wir verhindern, dass wir künftig Fleisch aus dem Labor essen müssen. Und ohne Druck aus der Politik wird das nicht gehen. In Deutschland ist nun die grosse Aufregung ausgebrochen, „Bild“ schwadroniert etwas von drohendem Fleischverbot und allerhand Politiker zeigen sich empört. Das ist alles ein bisschen übertrieben, denn es ist ja niemand gezwungen, in der Kantine zu essen und die ganz Abhängigen können ja ein Würstli in die Mappe nehmen.

Dass man bei der Ausserhausverpflegung ansetzen will, ist sinnig, den im Privathaushalt durchbricht nur selten jemand die über Jahrzehnte gewachsenen Kochgewohnheiten. Der Veggieday ist eine Herausforderung für die Kreativität der Kantinenköche, deren Ziel es sein muss, überzeugten Fleischessern aufzuzeigen, dass vegetarische Küche reichhaltig, nahr- und schmackhaft sein kann. Bei der Einführung des Veggiedays sollte man aber auf Anreize und nicht auf Zwang setzen, denn es gibt kaum etwa uninspirierteres als lustlose fleischlose Küche, man denke an das fade Standard-Gemüseteller aus dem Wasser, das heute viele Beizen den Vegetariern immer noch aufstellen, als Strafe quasi.

Zwei Einschränkungen doch noch: An den Verhältnissen in der Massentierhaltung und dem mangelhaften Tierwohl wird sich durch den Veggieday kaum etwas ändern, allenfalls darf man längerfristig auf eine Bewusstseinsbildung hoffen. Und auf einer Wanderung, um wieder zurück ins Berggebiet zu wechseln, gibt es halt schon nicht viel Feineres als einen Cervelat mit Senf und Brot. Aber am Berg gibt es ja auch keinen Veggieday. (Bilder Monika Schlatter)
Kühe am und im Tannensee

Eben Alp, und was die Kuh nicht brauchen sollte

Juli 16, 2013

GurtkuhSchon wieder Top-Kuhbilder aus der Leserschaft, die Wander- und die Alpsaison sind in vollem Gang. Urs (merci viumau!) schreibt mir dazu folgendes: „bei einer schönen wanderung oberhalb von der ebenalp (ai) zum säntis sind wir auf diesen sennen mit seinen schönen gurtkühen gestossen. was mir auch wieder imponierte aus dieser sicht, ist die eutervene, wieviel brauchts? 6000 liter blut für einen liter milch?“ Gute Frage. Wenn ich mich richtig erinnere an die entsprechende lang zurückliegende Schulstunde, braucht es nur 500 Liter Blut durchs Euter für einen Liter Milch, aber das ist immer noch imposant genug.

Was die Kuh dagegen eher nicht braucht für die Milchproduktion, beziehungsweise nicht brauchen sollte, ist Kexxtone. Dieser brüske Themenschwenk aus der Appenzeller Idylle in die Niederungen der hochintensiven Milchproduktion kommt aus Anlass eines Mikrojubiläums. Just vor Monatsfrist hat das ARD-TV-Magazin Plusminus einen kritischen Beitrag über die Verwendung des genannten Produkts aus dem Hause Lilly gesendet. Die Sendung sprach plakativ von Kuhdoping, was die vermutlich erhofften Abwehrreflexe offizieller deutscher Bauernkreise zuverlässig auslöste. Man verwehrte sich gegen die Vorwürfe und sprach von unsinniger Berichterstattung.

Ich bin darauf gekommen, weil mich ein deutscher Kollege fragte, ob das Medikament in der Schweiz auch angewandt werde. In der EU ist es seit Januar bewilligt. Es ist ein präventiv eingesetztes Produkt gegen die Stoffwechselstörung Ketose, die bei Hochleistungskühen nach dem Kalben auftreten kann. Das führt dazu, und dies war einer der Vorwürfe in der Sendung, dass wahrscheinlich auch Kühe behandelt werden, die gar nie Ketose erleiden würden. Dies auch deshalb weil Kexxtone einen schönen Nebeneffekt hat und die Milchproduktion um 500 Liter pro Laktation zu steigern vermag, wie „Plusminus“ vorrechnete.

Ob das Medikament in der Schweiz überhaupt zugelassen ist, weiss ich nicht. Eine entsprechende Domain ist zwar reserviert, aber ich gehe davon aus, dass Kexxtone, wenn überhaupt, nicht grossflächig zum Einsatz kommt. Man möge mich korrigieren. Grundsätzlich kann man ja nicht guten Gewissens gegen Medikamenteneinsatz sein, dort wo er sinnvoll ist. Aber in diesem Fall riecht es nach Symptombekämpfung. Hochleistungskühe laufen am Limit und die Ketose ist ein Symptom für die Überlastung. Sie sollte nicht präventiv bekämpft werden sondern als Warnlicht wahrgenommen werden. Auf die Dauer kann ein solches Produkt – diese Milchbüchleinrechnung erlaube ich mir – nicht rentieren, selbst wenn 500 Liter Milch mehr resultieren. Denn die Kuh wird statt entlastet weiter hart am Limit gefahren, was der Langlebigkeit, einem der wichtigsten Parameter für rentable Milchproduktion, sicher nicht zuträglich ist.

Ganz anders ein Alpsommer. Deshalb jetzt nochmal kurz nochmal zurück ins Idyll mit einem weiteren Bild aus dem Appenzell. Wer übrigens eine Ahnung hat, wie es zu dem Gurt kommt, soll sich doch bitte melden. Ich tippe auf eine Kreuzung mit Fleckvieh. (Bilder Urs Wiskemann)
Gurtkühe von oben

GVO: Mit der 3D-Strategie aus den Gräben

Oktober 2, 2012

Die grüne Gentechnologie steht zur Zeit wieder einmal im Mittelpunkt diverser Auseinandersetzungen. Am lautesten ist das Getöse zum einen rund um eine Studie von Forschern der Universitäten Rouen und Caen, die herausgefunden haben wollen, dass Ratten schneller Tumore entwickeln, wenn man ihnen Roundup-Ready und Bt-Mais aus dem Haus Monsanto verfüttert. Der zweite Grosskampfplatz ist die sogenannte Proposition 37, eine Art Volksinitiative von Bauern und Biogrosshandel, die in Kalifornien am 6. November zur Abstimmung kommt und eine Deklarationspflicht für Lebensmittel mit GVO-Inhaltsstoffen  fordert.
Beide Auseinandersetzungen werden erbittert geführt und es gibt gewisse Parallelen und Unterschiede. Der Disput um die Forschungsarbeit ist diffus, ich bin zuwenig Wissenschafter, um beurteilen zu können, ob hier sauber gearbeitet wurde, offenbar gibt es gewisse Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Forscher. Sicher aber ist es ein schönes Beispiel für den Glaubenskrieg, der um den Einsatz grüner Gentechnologie tobt. In den letzten 10 Tagen hat sich kaum eine kritische Organisation nicht leicht triumphierend zu den Ergebnissen gemeldet, während Monsanto gegen die Arbeit auf die Hinterbeine stieg. Ich würde mal folgendes Fazit ziehen: Die Studie reicht sicherlich nicht aus, um die Schädlichkeit von Lebensmitteln mit GVO-Inhalten unter Beweis zu stellen, die absolute Unschädlichkeit postulieren zu wollen, wäre aber wohl auch etwas übermütig.
Deshalb müssen Konsument und Konsumentin entscheiden können, ob sie GVO-Nahrungsmittel zu sich nehmen wollen, ebenso wie sie heute am Regal entscheiden dürfen, ob sie biologisch oder konventionell hergestellte Lebensmittel kaufen wollen. In der Schweiz und der EU ist diese Deklaration längst klar geregelt. In den USA ist man aber mit der Wahlfreiheit noch nicht soweit. Vom Referendum in Kalifornien (siehe Abstimmungswerbung oben links und rechts) erwartet man Signalwirkung für das ganze Land. Mit allerlei fadenscheinigen Argumenten und Millioneninvestitionen ziehen diverse multinationale Unternehmen in den Abstimmungskampf. Dabei ist Doppelmoral an der Tagesordnung, wie ein Bloggerkollege aufzeigt. Wenn die GVO-Produkte derart unbedenklich sind, wie die Hersteller immer argumentieren, dann dürfte einer Deklaration eigentlich nichts entgegen stehen. Natürlich kostet das etwas, denn darum dürfte es in erster Linie gehen, aber man nagt ja im Allgemeinen nicht gerade am Hungertuch, wie die Beispiele der im Gegenkomitee engagierten Nestlé und Syngenta zeigen.
Längerfristig dürften eine klare Deklaration und das Eingeständnis, dass man mit der Technologie noch am Anfang steht, die Diskussion entkrampfen. Das wäre sicher nützlich, vor allem für weniger lukrative aber deshalb umso bauernfreundlichere Anwendungen der Gentechnologie, die im Getöse des multinationalen Glaubenskriegs verschütt zu gehen drohen. Gerade diese Woche habe ich eine Nachricht gesehen, wonach die ETH Gentech-Maniok entwickelt hat, der resistent ist gegen das in Nigeria sehr gefürchtete Brown Streak Virus. Ebenda an der ETH ist Pflanzenbiologe Cesare Gessler, beileibe kein Jünger der Agromultis, seit langem damit befasst, mit Gen-Engineering resistente Apfelsorten zu entwickeln, in diesem Text finden sich dazu einige Details. Zusammengefasst plädiere ich im GVO-Zusammenhang für eine 3D-Strategie: Deklarieren, differenzieren, deeskalieren. (Bild ganz oben Miguel Medina/AFP)

Importgüggeli fliegt dem Rind um die Karnivohren

März 31, 2012

Der Branchenverband Proviande hat am Freitag die neueste Fleischstatistik veröffentlicht. Ergebnis: Der Konsum ist noch einmal angestiegen, um 0,8 Prozent auf 53,74 Kilo pro Person. Schweinefleisch ist nach wie vor der Leader, hat aber leicht verloren. Derweil ist Geflügel der Trendsetter, im Privathaushalt noch stärker als in der Ausserhausverpflegung und liegt erstmals an zweiter Stelle vor dem Rindfleisch. Was die Handelsbilanz angeht ist Rindfleisch geschwächt worden, die Importe haben um über 10 Prozent zugenommen. Der Inlandanteil beträgt aber nach wie vor über 80 Prozent. Ganz anders beim Poulet: hier werden 49,2 Prozent eingeführt. Das Fazit? Obwohl unterdessen ziemlich unbestritten ist, dass eine flächendeckende Ernährung der Menschheit längerfristig nur mit einer geringeren Fleischproduktion zu bewältigen ist, haben Herr und Frau Schweizer im Schnitt beim eigenen Ernährunsverhalten noch nichts geändert. Dass ausgerechnet das Pouletfleisch zulegt, zeigt zwei Dinge. Erstens wird rotes und fetthaltiges Fleisch von den Konsumenten, die sich um ihre Gesundheit sorgen nicht durch Gemüse, sondern durch Magerfleisch ersetzt. Zweitens sind ernhährungstechnische Fragen wichtiger als die Sorge um Umwelt und Tierwohl. Pouletfleisch erfordert einen hohen Getreide-Kalorieninput und die Importgüggeli wachsen grossmehrheitlich in industrieller Haltung. Wenn die Poulets in der Schweiz produziert werden, stammt ein Grossteil des Futters aus Importen, es ist also auch nicht wirklich Schweizer Fleisch. Etwas Gutes hat der Pouletfleisch-Boom aus meiner Sicht trotzdem: Es ist mehrheitlich ein derart geschmacksarmes Produkt, dass es dereinst, wenn die Fleischersatzforscher und -produzenten weitere Fortschritte machen, locker durch Tofu oder andere Substrate ersetzt werden kann; Hauptsache es hat ein bisschen Tandoori- oder Currysauce dran. Wobei das natürlich für die im Blitztempo vor sich hinwachsenden Masthybriden kein grosser Trost ist.
Was mich übrigens etwas wundert ist, dass sich Proviande nicht die Mühe nimmt, den Labelanteil auszuweisen, das scheint die Branche nach wie vor wenig zu interessieren. Wenn jemand dazu Zahlen hat, bin ich ein dankbarer Abnehmer. (Bild und Grafik Proviande)

Frau Weibel und die Berner Rosen

Januar 10, 2012

Dienstag- und Freitagvormittag ist immer Markt am Bürkliplatz in Zürich. Er ist zwar – nicht immer ganz zu unrecht – verschrien als tuerer Goldküsten-Foodbasar. Ich gehe trotzdem gerne hin, um im Marktgewimmel bei einem Holzofenbrötli und einer Schale die Zeitung durchzublättern. Jetzt im Winter ist allerdings nicht grad viel los. Mehr als die Hälfte der Marktfahrer bleibt am Dienstag zuhause und der Kiosk ist auch zu. Interessanten Menschen kann man trotzdem begegnen. Zum Beispiel Frau Weibel, die mit ihren Äpfeln und Nüssen etwas verlassen auf dem Platz steht. Sie hat mich sofort im Sack, weil sie Berner Rosen im Angebot hat. Frisch und getrocknet. Angebaut im Heimetli hoch über Herrliberg, gelagert im Schürli. Die Preise sind sehr reell: 3.60 für das Kilo der aussterbenden Apfelsorte. 6 Franken für einen 200-Gramm-Sack getrocknete Schnitze. Wohnen tut Frau Weibel nicht mehr auf dem Hof, sie logiert jetzt im Aargauischen und hat das Land am See verpachtet. Nur die Frucht- und Nussbäume hat sie noch behalten. Das lohnt sich.
 

Nestlé: Caring for Water, Caring for Profit

August 25, 2011

Am Mittwoch hat Nestlé an der jährlich abgehaltenen World Water Week den Stockholm Industry Water Award erhalten. Das ist die vorläufige Krönung des Engagements von Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck, den wir oben links im Bild sehen. Der Österreicher amtet seit seinem Abgang aus dem operativen Geschäft als Wanderprediger für die Privatisierung der Wasserversorgung weltweit (zum Beispiel hier). Seine Bestandesaufnahme ist richtig: Der Wasserverbrauch ist zu hoch und er wächst zu schnell, nicht zuletzt weil viel Wasser für Unnötiges verschwendet wird. Dazu zählt Brabeck unter anderem den Anbau von Biotreibstoffen, den er dieser Tage zum wiederholten Mal kritisierte. Und die Bewässerung von Golfplätzen (möglicherweise sollte er mal mit seinem CEO Paul Bulcke reden, der offenbar Golf liebt, wie die „Bilanz“ schreibt, aber das nur nebenbei). In seiner Rede anlässlich der Preisübergabe wiederholte Brabeck noch einmal sein Wasserweltbild. Dort erklärte er unter dem Titel „Caring for water, Caring for Life“ unter anderem auch, dass der fortgesetzt sorglose Umgang mit Wasser dazu führen werde, dass es früher ausgehen würde als Erdöl. Soweit so gut. Trotz den schönen Worten, kann ich Brabeck aber als Menschenfreund und Hüter des wertvollen Nasses nicht wirklich ernst nehmen. Was er in seiner Rede nämlich mit keinem Wort erwähnt, ist die Bedeutung des Wassers für seinen Konzern. Dieser machte 2010 gemäss Hausmitteilung einen Umsatz von gut 9 Milliarden Franken (und eine Ebit-Gewinnmarge von 7,4 Prozent) mit dem Wassergeschäft, knapp 10 Prozent des gesamten Umsatzes. Nicht dass es verwerflich wäre mit Mineralwasser Geld zu verdienen. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass es Brabeck noch fast etwas stärker um die Profite geht, als um das Wohlergehen der Millionen, die keinen Zugang zu frischem Trinkwasser haben. Äusserst zweifelhaft scheint mir auch, ob durch eine Privatisierung eine flächendeckende Versorgung eher gewährleistet wäre. Würde dies stimmen, dann gäbe es theoretisch auch keine Hungernden mehr. Ich würde deshalb den Redentitel leicht anpassen: „Caring for water, Caring for Profit“. Kleines Detail am Rande übrigens noch. Nestlé ist Sponsor der World Water Week (siehe Screen-Shot rechts). (Bild oben Nestlé) 

Die Schweine, die Grippe und wir

April 27, 2009

schweinegrippegrafikEs steht mir fern, irgendetwas verharmlosen zu wollen in Bezug auf die Schweinegrippe. Die Todesfälle in Mexikon sind tragisch und die getroffenen Vorsichtsmassnahmen im Lande sicher gerechtfertigt. Schon problematischer scheint mir der Umgang hierzulande mit der Grippe – und so leid es mir tut – vor allem der Medien. Gestern nachmittag meldeten erste Onlineportale aufgeregt (auf 20minuten.ch hatte man das schon unter einem dramatischen Logo mit Schweinen präsentiert), dass es in der Schweiz bereits fünf Verdachtsfälle gebe. Schon am Abend folgte dann die Entwarnung. Bisher ist kein Fall in der Schweiz nachgewiesen, aber wenn man die Berichterstattung gewisser Medien verfolgt, erhält man das Gefühl, dass morgen bereits eine Schweinegrippe-Pandemie lawinenartig über das Land zu brechen droht. Auf Telezüri, dem Regionalsender von „Downtown Switzerland“ empfahl der Zürcher Stadtarzt Albert Wettstein allen ernstes den Kauf von Atemschutzmasken. Das müsste dann wahrscheinlich bei jeder künftigen Grippewelle zur allgemeinen Massnahme gemacht werden, denn Todesopfer gehören immer zu den traurigen Begleiterscheinung, wenn die Grippe irgendwo grassiert, welcher Influenza-Erreger auch immer es dann ist. Ich wage jetzt einmal die Prognose, dass die Schweinegrippe-Aufregung ähnlich verlaufen wird wie bei SARS und Vogelgrippe. Die geschürten Befürchtungen über Grosspandemien werden sich nicht bewahrheiten und die Medien werden weiterziehen und sich an neuen Newstöpfen laben. Anders als bei der Vogelgrippe übrigens, wo die Zugvögel für die Verbreitung des Virus sorgten, kann man den Schweinen hier keinen Vorwurf machen. Sie halten sich still in ihren Ställen. Verantwortlich ist für eine allfällige Verbreitung der Mensch, der mit seinen Flügen für die Verteilung sorgt, wie Stadtarzt Wettstein auf Telezüri richtig bemerkte.