Archive for the ‘Natur- und Umweltschutz’ Category

Das Almeria des Apfels stösst an Grenzen

September 21, 2017

Heute ist, sollten Sie die Ankündigung verpasst haben, der Tag des Apfels. Aus diesem Anlass deshalb wieder mal ein paar Zeilen zu dieser von mir heiss geliebten und wenn möglich täglich verzehrten Frucht.

Das letzte Wochenende durfte ich im Südtirol verbringen, das sich in den letzten Jahrzehnten zum Eldorado des Apfels entwickelt hat. Nach zwei Tagen vor Ort bin ich geneigt vom Almeria des Apfels zu sprechen. Die südspanische Gemüsemetropole hat bekanntlich wenig schmeichelhafte Berühmtheit als flächendeckender Plasticgewächshaus-Sündepfuhl erlangt.

So sieht es im Südtirol nicht aus, aber anderweitig belastend. Im ganzen Vinschgau, dem gut 60 Kilometer langen Tal im äussersten Westen des Südtirols und immer weiter darüber hinaus hat die Apfelindustrie kaum einen Flecken Land übrig gelassen, der nicht von den getrimmten Spalierbäumchen bepflanzt wäre.

Das ist zwar alles immerhin noch grün, zumindest im Sommer. Trotzdem ist es kein schönes Schauen. Die Plantagen werden aufrecht gehalten von Betonpfosten, die zum dominanten Landschaftsraster geworden sind. Das erfährt man buchstäblich am Besten im Zug, wo es einem fast schwindlig wird ob des vorbeiziehenden Pfostenwalds gesprenkelt mit zahllosen hellgrünen und roten Tupfern, den makellos im Geäst hängenden dominanten Sorten Golden und Red Delicious, darüber vielerorts ein schwarzer Schimmer bestehend aus Quadratkilometern von Witterungs-Schutznetzen.

Vergangenes Wochenende war die Ernte in vollem Gang. Von hier aus wird der Apfelbedarf von Italien, halb Europa und eines Gutteils der Welt gespiesen. Die Jahresproduktion liegt gemäss Wikipedia bei 950’000 Tonnen von 8000 Betrieben mit total 18’400 Hektaren. Südtirol ist damit das grösste Apfelproduktionsgebiet Europas. Zwar bedecken die Bäume nur 2,5 Prozent des Territoriums, aber in der Talebene sind es gefühlte 70 bis 80 Prozent, die Plantagen reichen bis weit in die Dörfer hinein und kriechen immer weiter den Hang und das Vinschgau hinauf.

Zuoberst im Tal, in Mals, wo man überrascht ist, noch einige weidende Kühe zu sehen, stösst die Industrie jetzt auf Widerstand. Die Gemeinde hat in einem mühselig erkämpften Referendum im November 2014 mit 76 Prozent Ja-Stimmen ein Pestizidverbot beschlossen, dessen Umsetzung aber noch nicht vollzogen ist, da noch zahlreiche juristische Hürden zu nehmen sind. Die Bedeutung des klaren Ja ist eher symbolischer Natur. Das Pestizid-Verbot zielt auf die Apfelproduktion. Diese ist in ihrer Intensität auf 15-20 Pflanzenschutzbehandlungen jährlich angewiesen.

Dass die Dichte der Anlagen den Schädlingen die Verbreitung erleichtert liegt auf der Hand, dass die Spritzmittel-Einsätze in unmittelbarer Nähe der Bevölkerungszentren zunehmend Widerstand wecken, ist logisch. Daran ändert auch die starke Dominanz der apfelfreundlichen Südtiroler Volkspartei und des ihr nahestehenden Bauernbunds nichts.

Diese Apfelmonokultur hat den Bogen überspannt, so mein spontaner Eindruck und das System dürfte über kurz oder lang zusammenbrechen – spätestens dann, wenn die immer weniger werdenden zugelassenen Spritzmittel von Resistenzen durchlöchert sein werden. Das ist eigentlich schade, denn das Klima im Trockental bietet für den Anbau der Frucht ideale Voraussetzungen und hat für einigen Wohlstand gesorgt hat. Gleichzeitig zeigt das Apfel-Almeria zehn Minuten hinter der Schweizer Grenze, dass wir wenn nicht auf einer Insel der Glückseligen, so doch zumindest in und mit einer ganz anderen Agrikultur leben. Die Vielfalt der Schweizer Betriebe nimmt zwar tendenziell ab, aber eine solche Konzentration, wie man sie z.B. auch in Hollands Blumenindustrie findet, wäre bei uns schlicht nicht möglich, auch weil sie von der Bevölkerung nicht geduldet würde.

Allerdings sollten wir uns nicht allzustark in Selbstgefälligkeit sonnen. Unlängst sorgten Pläne für ein 80-Hektaren-Gewächshaus-Landschaft im Seeland für Schlagzeilen. Das sind wenig vielversprechende Perspektiven, auch weil dies möglicherweise das grösste aber längst nicht das einzige Projekt dieser Art in der Schweiz ist. Wehret den Anfängen ist zwar eine schwer abgelutschte Handlungsempfehlung, aber immer noch eine gute.

 

Global denken, lokal handeln – und produzieren

Juli 3, 2017

Hier wieder mal eine Analyse aus der BauernZeitung. Auslöser war das Pestizid-Bashing, das im Moment schwer en vogue ist. Ich habe noch noch selten so viele Reaktionen erhalten auf einen Text, mehrheitlich positiv, übrigens vereinzelt auch aus dem „Biokuchen“. Von dort gab es aber auch kritische Stimmen, so fragte man mich, was denn eigentlich mit meiner Biogesinnung passiert sei. Ich habe ihm dann geschrieben, ich hätte mich schon immer als kritischen Freund der Landwirtschaft, inkl. Bio verstanden.

Aber ist schon klar, dass sich die Perspektive etwas verschiebt, wenn man vom Bioblatt zum allgemeinen landwirtschaftlichen Wochenblatt wechselt. Nach wie vor liegt die Zahl der Biobewirtschafter bei rund 10 Prozent, knapp 90 Prozent verwenden ab und zu oder regelmässig Spritzmittel, die meisten denen ich begegne, sofern man das aus der journalistischen Distanz beurteilen kann, sehr risikobewusst.

Ich bin absolut für saubere Gewässer und Ahndung von Übergriffen und unsorgfältigem Umgang mit Pflanzenschutzmitteln. Was mich einfach ziemlich nervt sind die radikalen Ansätze von Leuten, die sich ein gut laufendes Thema ausgewählt haben, das sie bewirtschaften und sich so profilieren können. Dabei ist ihnen offenbar komplett egal, was sie damit bewirken. Darin unterscheiden sie sich – obschon meist weit links positioniert – kein bisschen von denjenigen Rechtsauslegern, die via Volksinitiativen stupide Forderungen in der Verfassung festschreiben wollen. Und ich mach mir ernsthaft Sorgen, dass wir unsere Landwirtschaft zu Tode pützerln, aber steht ja alles im Artikel. Hier online und hier noch zum direkt im Blog lesen:

Es vergeht kaum ein Tag ohne Attacken auf synthetische Pflanzenschutzmittel (PSM). Eine etwas unheimliche Allianz aus aufgeregten Journalisten, besorgten Forschern, machtbewussten Wasserlobbyisten, opportunistischen Detailhändlern, schlitzohrigen Fischern, radikalen Umweltschützern und bewegten Konsumenten geht derzeit mit vereinten Kräften auf die Landwirtschaft los und diskreditiert den Einsatz von PSM so gut, wie es geht.

Gleichzeitig profitiert jedes Interessengrüppchen auf seine Art. Die Medien bolzen Quote; Forscher, Wasserleute, Detaillisten und Naturschutzgruppen können sich als Umweltapostel profilieren; die Fischer lenken von ihren eigenen Problemen wie der selbst verschuldeten Knappheit der Fischbestände ab und den umweltbesorgten Konsumentinnen und Konsumenten fliegen Unterschriften für ihre Antipestizid-Initiativen zu.

Soll man sich darüber aufregen? Das nützt herzlich wenig. Die PSM-Diskussion ist geprägt durch viel Halbwissen, Emotionen und Eigennutz. Es bringt wenig, mit der gleichen Marktschreier-Mentalität aufzutreten. Die Landwirtschaft tut im Gegenteil gut daran, kühlen Kopf zu bewahren und den angriffsfreudigen PSM-Kritikern den Spiegel vorzuhalten und ein paar Fakten aufzutischen.

Grundsätzlich gibt es nichts einzuwenden gegen eine scharfe Beobachtung des Pflanzenschutzes. Es ist nicht gut, wenn Flüsse verschmutzt sind und Grundwasser verunreinigt wird. Hier hat sich aber in den letzten Jahrzehnten viel getan. PSM werden heute ungleich vorsichtiger eingesetzt, das gilt auch für den Schutz der ausbringenden Person. Zudem hat die Professionalität stark zugenommen; während früher auf praktisch jedem Betrieb eine Spritze stand, ist dieser Job heute vielfach in den Händen von Lohnunternehmern, die durch den täglichen Umgang mit den Spritzmitteln viel Know-how mitbringen.

Wenn weiterhin Grenzwerte überschritten werden, hat das in Einzelfällen mit mangelnder Sorgfalt zu tun, und diese Fehler gilt es weiter zu reduzieren. Der Löwenanteil der Aufregung geht aber zulasten der hypersensiblen Messmethoden, die Mikrogrammen eine Dimension geben, als schwämme der Grossteil der hiesigen Fische bereits auf dem Rücken. Wir verfügen in der Schweiz trotz intensiver Landwirtschaft sowie Gewerbe und Industrie, die übrigens auch nicht nur mit Hahnenwasser kochen, über sehr saubere Gewässer. Man springt sorgenlos in Flüsse und Seen, ein Verhalten, das ausländische Besucher immer wieder in Staunen versetzt. Ihnen käme das in der Heimat gar nicht in den Sinn.

Dass die Umweltschützer im eigenen Umfeld aktiv sind, ist trotzdem nachvollziehbar. Sie halten sich an das bewährte Weltretter-Motto «Global denken, lokal handeln». Wenn man irgendetwas zum Besseren verändern kann, dann höchstens vor der eigenen Türe. Nur denken sie das Sprüchli leider nicht fertig. Denn wer lokal handelt, sollte auch lokal produzieren.

Es dürfte kaum im Sinn der Anti-PSM-Koalition sein, wenn die sterile Reinhaltung unserer Bächlein auf Kosten der Gewässer ennet der Grenzen geht. Genau das wird aber passieren, wenn die ohnehin herausgeforderte Produktion hierzulande durch ein direktes oder indirektes Pestizidverbot weiter in die Defensive gedrängt würde: Die Inlandproduktion ginge zurück, die Importe nähmen zu. Wenn wir die Selbstversorgung in einem solchen Szenario einigermassen auf demselben Niveau halten möchten, bräuchte es einen sehr intensiven Biolandbau. Schon heute steht dieser aber seinerseits vor grossen Herausforderungen. Das in der Praxis immer noch alternativlose Fungizid Kupfer verbleibt als Schwermetall länger im Boden als jedes Pestizid. Und mit Gülle im Bach kann man innert Stunden derart verheerenden Schaden anrichten, dass ein paar Mikrogramm PSM daneben wie ein Nasenwässerchen wirken. Zudem hat der Biolandbau in Sachen Ressourceneffizienz eine schlecht geschützte Flanke.

Und so würde nach der vermeintlichen Lösung des Pestizidproblems zweifellos alsbald die nächste Sau durchs Dorf gejagt. Ob sie nun Ressourceneffizienz, Kraftfutterimport, Antibiotikaverbrauch, Tierschutz oder anders heisst. Die Besorgten aller Couleur müssen einfach aufpassen, dass sie unsere Landwirtschaft nicht zu Tode verschönern und plötzlich ratlos vor einem Scherbenhaufen stehen; komplett abhängig von Importen, bei denen es nichts mehr lokal zu handeln gibt.

 

Phosphatprobleme im holländischen Hinterland

Mai 31, 2016

Demo2Interessante Begegnung heute im holländischen Hinterland: Wir sind mit ENAJ, dem europäischen Agrarjournalistennetzwerk unterwegs, Anlass ist das informelle EU-Agrarministertreffen in Holland, das derzeit die Union präsidiert. Teil des Programms ist die Besichtigung des Milchbetriebs von Rick und Joke Lagendijk in Diessen, eine halbe Stunde südlich von Eindhoven.

Demo4Sie haben letztes Jahr einen Stall für 250 Kühe fertiggestellt, Kosten pro Kuhplatz 6000 Euro (inkl vier Lely-Roboter), hoher Kuhkomfort im Kompoststall als Ziel, täglich Weide bei anständigem Wetter und eine jährliche Milchmenge von 1,7 Mio Kilo, die zum Grossabnehmer Friesland Campina geht.

Der Besuch war ausgesprochen interessant, man erfuhr viel als Schweizer in der Milchkrise. Auch in Holland ist die Lage angespannt, der Milchpreis der Lagendijks liegt derzeit bei 25 Cent, vor Jahresfrist waren es gut 10 Cent mehr. Man spürt in der EU die gestiegene Produktionsmenge, nachdem im April 2015 die Quoten aufgehoben worden waren.

Übertrieben jammern über die Preissituation mag der Bauer allerdings nicht, man ist sich in der niederländischen Pampa den rauen Wind des Markts gewohnt. Wer hier überleben will, muss in guten Zeiten vorsorgen, das war letztes Jahr mit Produktionskosten von 31 Cent pro Kilo möglich, heuer zehrt man von den Reserven.

Was Lagendijk deutlich stärker belastet, ist ein anderes Problem. Die Niederlande haben einen notorischen Nährstoffüberschuss, nicht sehr überraschend, angesichts der Intensität mit der hier produziert wird. Lagendijks sind dafür mit potenziell 250 Kühen auf 56 Hektaren Land ein gutes Beispiel.

Die hohe Nährstoffbelastung sorgt für Druck aus der EU und aus dem eigenen politischen Überbau. Konsequenz: Holland muss das Nährstoffaufkommen und in erster Linie die Phosphatbelastung senken. Deshalb hat die Regierung dekretiert, dass die Milchbauern nicht mehr Tiere halten dürfen, als am Stichtag 2. Juni 2015. Das hat viele Milchbauern auf dem falschen Fuss erwischt, weil sie letztes Jahr angesichts der Aufhebung der Quote tief in die Tasche griffen, um ihre Bestände aufzustocken.

Lagendijks sind ein gutes Beispiel: Statt der beabsichtigten 250 Kühe können sie derzeit nur 180 Stück halten. Die Konsequenz ist, dass sie die Kosten für den schönen Neubau nicht vollumfänglich amortisieren können.

Demo1Offenbar geht es zahlreichen anderen Bauern in der Gegend gleich, als nämlich der Konvoi mit den ebenfalls auf dem Betrieb weilenden EU-Ministern seine Rückreise antreten wollte, stellten sich diesem im strömenden Regen etwa 30 protestierenden Milchbäuerinnen und -bauern in den Weg. Sie beklagen sich, dass sie mit ungleich langen Spiessen gegen die Mitbewerber in der EU antreten müssen, haben doch die Kollegen in den Nachbarländern ungleich weniger scharfe Vorschriften bezüglich Nährstoffbelastung, wenn auch in gewissen deutschen Bundesländern durchaus reguliert wird.

Nach langem Hin- und Her wird schliesslich eine Delegation zu den Ministern in den Bus vorgelassen, damit sie ihre Klage deponieren können. Ändern wird sich die Situation erst wieder, wenn die Preise etwas höher steigen, wofür gemäss dem ebenfalls anwesenden CEO von Friesland Campina, Roelof Joosten erste Anzeichen bestehen. Dann nämlich werden es sich die Bauern leisten können, die horrend teuren Phosphorproduktionsrechte zu kaufen, mit denen man die Bestände ausbauen kann. Gegenwärtig gibt es keinen festen Preis, da kaum gehandelt wird, aber man rechnet mit rund 5-6000 Euro pro Kuhplatz.

Der Lösungsansatz ist typisch niederländisch. Im Sektor ist Intensitätsreduktion eigentlich nie ein Thema, vielmehr sucht man immer nach technischen oder wie in diesem Fall fiskalischen Lösungen, um die Landwirtschaft im Stadtstaat Holland zwischen einigermassen Nachhaltigkeits-verträglichen Leitplanken zu halten.Demo3

 

Vollmundiges Gemecker im Edelweisshemd

März 7, 2015

Gut gibts 1Seit einigen Tagen hängen allenthalben Plakate mit Nutztieren in Edelweisshemden. Der Claim lautet wie seit Beginn der Bauernverbands-Kampagne im Jahr 2006 „Gut, gibt’s die Schweizer Bauern“. Neu ist, dass statt Prominente die Kuh Sonja, der Geissbock Konrad und der Border Collie Max in den Hemden stecken.

Nachdem ich die Sache nun ein paar Tage auf mich habe einwirken lassen, will sich keine rechte Freude einstellen. Tiere in Kleidern sind sonst eher die Spezialität von leicht neurotischen StädterInnen, die ihre vierbeinigen Lieblinge verhätscheln, und das ist kaum der Eindruck, den die Bauern als Tierhalter erwecken wollen.

Aber das ist wohl Geschmackssache, vermutlich erhofft man sich beim SBV, dass in Zeiten der Tierfilmli-Manie in allen Sozialmedien ein Viraleffekt entstehen wird. Wenn das den Bauern und Bäuerinnen hilft, so sei’s so, man muss ja nicht alles verstehen.

Gut gibts 3Schon problematischer dünkt mich, dass man die Tiere nicht einfach in ihren Hemden stecken und meckern, muhen oder bellen lässt, sondern dass sie auch noch sprechen müssen. Zumindest ist das der Eindruck, der auf den Plakaten erweckt wird. Leider nehmen sie dabei den Mund etwas voll. Um das nachzuweisen, muss der Durchschnittskonsument je ca 30 Sekunden googeln.

Nehmen wir Konrad: „Gut gibt’s beim Artenschutz meines Bauern nichts zu meckern“, befindet er. Dazu eines der erstbesten Zitate, das einem das Internet zuspielt: „In schlechtem Zustand ist auch die Biodiversität. Nach wie vor gibt es in der Schweiz viele gefährdete Tier-, Pflanzen-, Flechten- und Pilzarten. Auch hier werden Bautätigkeit und die Landwirtschaft als Hauptursachen genannt, zudem die Stromgewinnung aus Wasserkraft.“ (Der Bund, 29.1.15)

Oder nehmen wir Max: „Gut hält mein Bauer die Chemie an der kurzen Leine“, bellt er. Dazu die NZZ vor Jahresfrist: „Pflanzenschutzmittel und Biozide sind biologisch aktive Stoffe und können deshalb, sollten sie in Gewässer gelangen, Organismen beeinträchtigen. Nun wartet eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Eawag mit besorgniserregenden Neuigkeiten auf: So enthalten Schweizer Fliessgewässer einen ganzen Cocktail an Pestiziden. (…) Die neuen, umfassenden Daten zeigten, dass ein Grossteil der Pestizidbelastung den Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft zuzuschreiben sei.“

Gut gibts 2Zum Schluss noch Sonja (unpassenderweise eine Hornkuh, aber das ist ein anderes Thema): „Gut steckt mein Bauer nur das beste Gras in die Käse“, lässt sie uns wissen. Dazu aus unverdächtiger Quelle (Bauernverband im Juni 11): „Die durchschnittliche Milchleistung und damit der Kraftfutterverbrauch nehmen in der Milchviehhaltung laufend zu. Im Jahr 2009 benötigte eine Milchkuh bei einer durchschnittlichen Leistung von 6792 kg Milch pro Jahr im Mittel 824kg lufttrockenes Kraftfutter. Dies entspricht grob 11 % der verzehrten Futtermenge (Basis Trockensubstanz), was im internationalen Vergleich ein tiefer Anteil ist. Aus verschiedenen Gründen, insbesondere auch aufgrund des stark angestiegenen Drucks auf den Produzentenpreisen, scheint sich die Steigerung der Milchleistung wie auch die Zunahme des Kraftfutterverbrauchs in den letzten Jahren eher zu beschleunigen.“

Insgesamt etwas viele vollmundige Behauptungen. Die Leistungen der Landwirtschaft in Sachen Ökologie sollen damit keineswegs kleingeredet werden, aber sie derart grosszureden ist angesichts der Fakten vermutlich etwas voreilig. (Bilder aus der Kampagne)

Die Verpackungskünstler aus dem Bioland

Februar 16, 2015

Biofach BlogGrad zurück von der Biofach, dem grossen Klassentreffen der Bioszene in Nürnberg. Wie sich enthusiastische Schüler ihre neuen Gadgets und Kleider vorführen, fahren die Aussteller jedes Jahr ihre neuesten Produkte auf. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Branche, die einst angetreten ist, um den „Verpackungswahnsinn“ der konventionellen Lebensmittelindustrie zu durchbrechen heute was das Packaging angeht keinen Aufwand scheut, die Klassenkameraden zu überbieten.

GrafikerInnen, Sprachkünstler und Packungsdesigner haben jedenfalls dankbare Kunden in der Szene und das betrifft nicht nur das Design, sondern auch die Konstruktion der Verpackungen, die nicht nur schön und trendig, sondern wenn immer möglich auch nachhaltig und kompostierbar sein sollen. Hier ein paar Beispiele aus der Ausstellung zum Best New Product Award, wie sich das neudeutsch in Nürnberg nannte.

Wir fangen (oben) mit einem der Sieger an: Lovechok, eine holländische Schokolade inkl. Liebesbrief. Das musst natürlich sofort geklaut sein. Die Schokolade entpuppte sich als ansprechend wenn auch nicht kolossal, das Brieflein als leicht enttäuschend, da holländisch und nicht etwa an den Schoggiesser gerichtet, sondern von diesem mittels multiple choice-Verfahren auszufüllen. Insgesamt etwas viel warme Luft, trotzdem reichte es bei der Publikumswahl für den ersten Platz in der Kategorie „Trockenprodukte Snacks und Süssigkeiten“.

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Müesli-Innovationen, die man mehr oder weniger dringend braucht.

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Dosen- und Flaschenbrot…

Biofach Blog6…und die Chipspackung als Lockvögeli.

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Käsiges von originellen und harten BurschInnen.

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Und jetzt ein Drink.

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Etwas Conveniencefood.

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Und zum Dessert was Süsses. Fazit: Optisch attraktiv und anmächelig präsentieren, das ist eine der Stärken der Biobranche, aber auch sie ist nicht gefeit vor Lifestyle-Innovationen, die in den Regalen vielfach eine kürzere Lebensdauer haben als ein Sommervogel. Wenn gleichviel Kreativität und Energie in die zusatzstoffarme Verarbeitung und die Bewahrung von Originalaromen geht, dann soll’s mir recht sein, die Hoffnung stirbt wie immer zuletzt…

„Wir haben es satt!“ vs. „Wir machen euch satt!“

Januar 21, 2015

Berlin3Alle Jahre wieder: Dieser Tage steht in Berlin die Grüne Woche auf dem Programm, heuer schon zum 80. Mal. Fast schon ähnlich traditionell ist die Demonstration „Wir haben es satt“, die am vergangenen Samstag ihrerseits das Fünfjährige feiern konnte.

Berlin5Wie in allen Lebensbereichen der aufgeklärten kapitalistischen Gesellschaften ist auch im Demonstrationsbereich Wachstum wichtig. Deshalb schätzten die Organisatoren, eine bunte Koalition von Bioverbänden, Tierschützern, Umweltschutzorganisationen und Freihandelsgegnern die Teilnehmerzahl grosszügig auf 50’000.

Berlin4Das mag etwas hoch gegriffen sein, aber es war nichtsdestotrotz eindrücklich zu sehen, wie viele Leute „es“ satt haben. Das Neutrum steht in erster Linie die Agrarindustrie und daraus primär die Massentierhaltung, die in letzter Zeit in Deutschland arg unter Druck geraten ist. Zur Mobilisierung beigetragen haben neben dem üblichen Grundrauschen von Tierschutzprotesten diverse Skandale (von denen mit Neuland einer auch ein IP-Label betraf), eine etwas gar marktschreierische Artikelserie in der „Zeit“ über multiresistente Keime („Die Rache aus dem Stall“) und das Tierhaltungsverbot gegen den skrupellosen Grossmäster Adrianus Straathof, ja so heisst der leider.

Berlin7Stark empört ist man in Deutschland in weiten Kreisen aber auch über die Verhandlungen zum Abkommen Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP), auch weil es die einheimischen Spezialitäten gefährden könnte, wie der Agrarminister kürzlich einräumen musste. Darin sehen viele Deutsche weit über das linke politische Spektrum hinaus einen weiteren Beweis für agrarimperialitische Ambitionen der USA, zu denen auch der weiterhin hohe Druck in Sachen GVO-Saatgut gezählt wird.

Wir haben es sattDass sich auch die Parteien, allen voran die Grünen diese wachsende Volksbewegung zu nutzen machen wollen, versteht sich von selber. Sie marschierten angeführt vom Co-Fraktionschef Hofreiter und Alt-Landwirtschaftsministerin Künast weit vorne in der Demonstration mit. Die Grünen haben als erste politische Formation erkannt, dass der Unmut über den Zustand der Land- und Ernährungswirtschaft weit über den linken Rand des politischen Spektrums hinausreicht. Und haben Erfolg damit. Ein klares Indiz dafür ist, dass mittlerweile nicht weniger als sechs von total 14 Landwirtschaftsministerinnen und -Ministern in den Bundesländern grün sind. Dazu kommen drei SozialdemokratInnen und eine Vertreterin der Linken.

Berlin9Im Nachgang zur Demonstration hat mir eine deutsche Kollegin verdankenswerterweise Zutritt zu einer gut gesicherten Veranstaltung der Grünen im eindrücklichen Parlamentarierbürogebäude Paul-Löbe-Haus verschafft. Dort wurde das Thema „Fleisch für die Welt?“ debattiert. Am Pranger standen in Reden und Workshops nicht nur die Billigexporte von Fleisch nach China und – derzeit aus politischen Gründen unterbunden – nach Russland. „Die Land- und Ernährungswirtschaft ist die einzige im Land, die es sich leisten kann teuer zu importieren (z.B. Bioprodukte) und billig zu exportieren“, sagte der Biolandwirt und Landwirtschaftssprecher der grünen Fraktion, Ostendorff. So etwas, ergänzte er, wäre in jedem anderen Sektor undenkbar.

Wir machen euch satt3In der Tat sind die Verhältnisse recht drastisch. Trotz den kriselnden Exportanstrengungen sind die Preise etwa für Schweinefleisch derzeit tief im Keller, für das Kilo Schlachtgewicht erhält der deutsche Mäster bei konstanten oder steigenden Futterpreisen noch 1.25 Euro, vor Jahresfrist lag dieser noch bei ebenfalls schon knapp kostendeckenden 1.80. Ähnlich prekär ist die Lage bei der Milch, wo derzeit flächendeckend unter 30 Cent pro Liter ausgezahlt werden. Hier droht mit der Aufhebung der EU-Milchquote per 1. April eine weitere starke Zunahme des Preisdrucks. Grossen Anteil an diesen Verhältnissen hat in Deutschland auch der auf Discount fixierte Detailhandel, wo Milch und Fleisch zu Schleuderpreisen über die Theke gehen. Er könne nicht verstehen, wieso sich die Bauern von der Agrarindustrie derart vor sich hinschieben liessen, sagte der ebenfalls anwesenden Biobauer und grüne nordrhein-westfälischen Landestagsabgeordneten mit dem markanten Namen Norwich Rüsse.

Wir machen euch satt1Das ist eine durchaus legitime Frage. Sie richtet sich an die konventionellen Grossmäster und -milchproduzenten, die in den letzten Jahren unter starkem ökonomischem Druck und gemäss dem Motto „wachse oder weiche“ massiv investiert und haben. Diese sind aber keineswegs bereit, die Grünen als Kampfgenossen zu akzeptieren. Stattdessen sind sie unter dem Leitspruch „Wir machen euch satt!“ schon am Samstagvormittag zu einer eigenen Demo aufmarschiert, um sich gegen die ihrer Meinung nach unsachliche und -qualifizierte Meinungsmache gegen die moderne Tierhaltung zu wehren.

Sie gehen nämlich nicht zu Unrecht davon aus, dass sie für eine Mehrheit der Bevölkerung weiterhin nachfragegerecht produzieren, auch wenn Politik und Medien jetzt grobes Geschütz auffahren. In der Tat machen nämlich 50’000 „Schwalben“ vor dem Kanzleramt im Kampf gegen die Agrarindustrie noch keinen ökologischen Sommer. Otto und Ottilie Normalverbraucher im nördlichen Nachbarland betrachten billige Nahrungsmittel und vor allem Fleisch nach wie vor als Menschenrecht. Ansonsten wären die Discounter längst eingegangen. Wie dünn das politische Eis für ernährungstechnische Bevormundung ist, mussten die Grünen unlängst am eigenen Leib erfahren. Der nicht sonderlich radikale Vorschlag eines „Veggiedays“ in deutschen Kantinen brachte ihnen harsche Kritik und mutmasslich umfangreiche Stimmenverluste ein. Im vergangenen Herbst wurde die Idee des fleischlosen Tages dann ziemlich sang- und klanglos wieder begraben, beziehungsweise schlecht verdaut ausgeschieden. (Unterste zwei Bilder: Tatjana Kren, Video: Thomas Wengenroth/stallbesuch.de)

Nachwachsende Zugkraft: sauber, schön, still

Oktober 29, 2014

Rossarbeit2Neulich weilte unsereinem für einen Artikel über Pferdearbeit im Bernbiet. Das ist ja an sich schon ein gutes Setting, dazu kam noch das Wetter und ein sehr netter Empfang im Dieterswald bei David Michel, ein recht perfekter Vormittag war das.

Jungbauer Michel ist erst 28 und ein pragmatischer Pionier der modernen Pferdearbeit. Er entwickelt zusammen mit seinem deutschen Kollegen Christoph Schmitz, einem Tüftler par excellence neues Gerät ohne Aufbaumotor. Man stelle sich zum Beispiel vor: eine Rundballenpresse mit Antrieb von einer einzigen Achse am Vorderwagen. Nicht schlecht. Wer’s nicht glaubt möge diese Facebookseite ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen, dort gibt’s ein Filmli dazu.

Mir gefällt, wie Michel ohne viel Aufhebens und ideologische Scheuklappen zurückgekehrt ist zu einer reduzierten Motorisierung, die zwar in der heutigen Zeit, wo ein 100-PS-Traktor als mittelgross gilt, ein bisschen exotisch wirkt, aber so ziemlich ideal den Anforderungen an eine nachhaltige Landwirtschaft entspricht.

Rossarbeit5Wenn man übrigens bei Michel genau hinschaut, sieht man noch einen 30-jährigen Laverda-Hangmähdrescher im Wagenschopf. Das sei eines seiner Hobbys, meint er verschmitzt lächelnd. Das zeigt auch, dass der Pferdearbeit Grenzen gesetzt sind, die die Wiederentdecker des Hafertraktors bestens kennen und für solche Fälle gerne auf das bewährte Werkzeug zurückgreifen. Das gilt übrigens auch für ihre Pferdegeräte, dort profitiere man von der jahrzehntelangen Arbeit grosser und kleiner Landmaschinenfirmen, sagt Michel. Die nebenstehende Sämaschine ist ein gutes Beispiel dafür.

Gefreut war auch, wie Michel mit seinen Pferden umgeht. Eingespannt waren am Pflug, ein antikes, aber noch immer sehr brauchbares Modell der Firma Althaus, Jurek (rechts) und Princess. Beide charakterisierte der Pferdebauer mit träfen Worten. Er weiss haargenau, wie und wo er sie einsetzen kann, was ihre Mödeli sind und ihre Stärken. Nach getaner Arbeit sagt er ihnen merci. Ich auch, danke für den interessanten Besuch! (Bild mitte pferdezugtechnik.de) Rossarbeit4a

KulturLandiVerlust: Wie die Bauern-Firma sündigt

Juli 8, 2014

Landi Neubau Rüderswil„Zu den obersten Geboten der Fenaco gehört der haushälterische Umgang mit landwirtschaftlich nutzbarem Boden“, sagt Fenaco-Präsident Lienhard Marschall laut einem Artikel unter dem Titel „Mit Augenmass bauen“, der im Herbst 2012 auf der Fenaco-Homepage veröffentlicht wurde.

Entweder gilt das Wort des Präsidenten nichts oder schon nicht mehr, oder dann ist das eine Selbstberuhigungspille in einer Zeit in der sich die Besitzer der Fenaco-Landi Gruppe, die Bauern, gerne hervortun mit besorgten Wortschwällen zum Kulturlandschutz. Die Lobag, der konservative bernische Bauernverband hat sich gar – in der Not frisst der Teufel Fliegen – mit den Grünen zusammengetan, um eine Kulturlandinitiative zu lancieren.

Landi RüderswilLandi Neubau WaldeggWenn man nämlich einfach mal Landi und Neubau in die Suchmaschine eingibt, kommt einem ein ebenso umfangreicher Schwall von Bildern mit üblen einstöckigen kulturlandfressenden Landi-Bauprojekten entgegen, dazu gehören immer eine Tankstelle und ein ausgedehnter Laden, alles natürlich einstöckig und architektonisch bestens geeignet, um die Landschaft zu verschandeln. Dazu ein paar zufällig ausgewählte Beispiele: Landi Rüederswil BE (siehe den Auftakt oben, hier links ein Bild von den Bauarbeiten und rechts das geplante Endaussehen).

Neubau Landi ReidenNächstes Beispiel ist die Landi Reiden LU. Hier der Humusabtrag…

Landi Reiden Neubau…und der prächtige Endausbau als Computeranimation.

Landi Neubau MühlethurnenEine weitere Augenweide im ehemaligen Landwirtschaftsland ist die Erweiterung der Landi Mühlethurnen mit Getreidesilos.

Landi Neubau KlingnauUnd hier zum Abrunden noch der Neubau in Klingnau…

Landi Neubau Eglisau

…und der Neubau in Eglisau. Erweiterung der Galerie ist jederzeit in beliebigem Umfang möglich. Insgesamt ein deprimierendes Bild, das zeigt, dass die Schere zwischen der auf der Homepage postulierten Aufmerksamkeit bezüglich Kulturlandverlust und der Realität erschreckend weit offen ist. Das nützt auch der schöne Nachhaltigkeitsbericht wenig, den die Fenaco hat erstellen lassen. Die Bauern täten gut daran, ihrem Unternehmen etwas besser auf die Finger zu schauen, wobei viele unter ihnen ja als Grossbaulandverkäufer selber viel zur Zersiedelung und zu architektonischen Einöde im Land beigetragen haben. (Alle Bilder und Illustrationen: Landi)

Bio im Glashaus und Medien unter Schrumpfdruck

April 7, 2014

Alles bio oder wasOk, man ist natürlich jetzt ein bisschen sensibilisiert, als mitbeteiligter Lohnempfänger in der Biobranche. Doch das soll kein Hinderungsgrund sein, die Lust am Biobashing zu thematisieren. Publikumsmedien, einige stärker als andere, scheinen zuweilen ein geradezu biologisch bedingtes Verlangen zu verspüren, der ökologischen Landwirtschaft wieder mal die Leviten zu lesen. „Bio-Lüge“, „Bio-Bschiss“ und „Bio-Illusion“ sind nur ein paar der Wortschöpfungen aus den letzten Jahren.

LotterieJüngste Beispiele sind Artikel im „Spiegel“ und im Konsumentenmagazin „Saldo“. Ersterer zog unter dem rezyklierten Titel „Alles Bio – oder was?“ gegen einen angeblichen Bioeierskandal zu Felde, der sich dann allerdings samt der Onlineversion des Berichts in Luft auflöste. Die von „Saldo“ monierte „Lotterie beim Bio-Einkauf“ thematisiert ein altes aber durch ein komplexes Ausnahmeregelungssystem wasserdicht geregeltes Problem des biologischen Anbaus, nämlich den partiellen Mangel an Biosaatgut, der durch konventionelle Ware gedeckt werden muss. Das ist sicher kein Ruhmesblatt für den Biolandbau, aber man arbeitet daran, und die Alternative wäre ja dann einfach, dass stattdessen mehr Waren in konventioneller Produktion angebaut und Bioprodukte dadurch knapper und noch teurer würden, und das wäre dann wohl auch wieder nicht ganz im Sinne der Konsumentenschützer.

Mythos BioAber hier soll es jetzt gar nicht darum gehen, den Journalisten die Biokutteln zu putzen, bin ja selber einer und es interessiert mich mehr, was sie denn im Hafer sticht, ab und zu einen Säbel in den Biokartoffelsack zu stossen (wobei man auch nicht vergessen darf, dass deutlich öfter positiv als negativ über Biolandbau berichtet wird). Ich sehe folgende Hauptgründe:

  1. Der Biolandbau sitzt im teilweise selbst erbauten Glashaus. Die Bioszene hat sich sehr lange sehr explizit abgegrenzt vom konventionellen Landbau und hat dabei nicht zu knapp mit dem Gut-Böse-Weltbild operiert. Obwohl das natürlich aus ökologischer Sicht keineswegs falsch ist, provoziert das. Wenn dann diesen Gerechten, manchmal auch Selbstgerechten ein Bock unterläuft, wird das genüsslich ausgeschlachtet.
  2. Mittlerweile hat der Biolandbau die alternative Pionierzeit hinter sich gelassen und ist im Mainstream angelangt, zumindest gesellschaftlich (im Landwirtschaftsbereich ist er in der Schweiz und erst recht weltweit mit Anteilen von 10 beziehungsweise nur gut einem Prozent an der Fläche immer noch eher marginal entwickelt). Und wer im Mainstream obenauf schwimmt, der weckt gerne auch Misstrauen, Argwohn und Überdruss. 2012 wurde „Bio“ in der Schweiz zum Unwort des Jahres gekürt, wegen „inflationärem und oft missbräuchlichem Gebrauch des Begriffs“, wie die mehrheitlich aus Journalisten bestehende Jury erklärte.
  3. Viel beigetragen zum Misstrauen haben die pittoresken Bilder, mit denen die Realitäten des Biolandbaus oft nicht korrekt wiedergegeben werden. Im Bauerngarten pickende Biohühner sind die absolute Ausnahme, der grösste Teil der Bioeier wird in Ställen mit 2000 Hühnern produziert. Bioeier die im Ostereierstil im Obstgarten zusammengesucht werden müssten wären so teuer, dass sie kaum mehr absetzbar wären im Detailhandel. Hier unterliegt der Biolandbau, das muss gerechterweise gesagt sein aber auch gewissen Sachzwängen. Wenn schon die konventionelle Landwirtschaft in der PR mit Bauernhofromantik agiert, die klar zu idyllisch ausfällt, ist man gezwungen quasi proportional zu idealisieren in der Öffentlichkeitsarbeit, um den Mehrpreis noch rechtfertigen zu können.
  4. Zum Schluss noch das naheliegendste, etwas abgedroschene klingende aber nichtsdestotrotz so lange wie es den Menschen noch gibt gültige Argument: Biolandbau ist eine Erfolgsgeschichte, er wächst ungeachtet der Probleme ungebrochen, das weckt – wenn auch vielleicht nur unterbewusst – Neid, zumindest in einer Branche, die derart unter Schrumpfdruck steht wie die Printmedien. Deshalb ist jeder negative Artikel nicht nur Ansporn zum Fehler korrigieren, sondern auch eine kleine Auszeichnung für die Szene.

Noch mal Romandie, und schon wieder schön

April 1, 2014

CapricornKeine Angst, das wird kein weiterer Reiseblog, aber der Creux du Van ist definitiv noch einen Romandie-Wanderbericht mehr wert. Am „Grand Canyon der Schweiz“ gab es für einmal Hornvieh der anderen Art zu begutachten.

Die Steinböcke, die wir mit dem Feldstecher lange gesucht hatten, lagen plötzlich vor uns, ein gutes halbes Dutzend. Das Stadtvolk verstummte und staunte fasziniert. Die Steinböckin döste sehr abschüssig und immer wieder fielen ihr die Augen zu, aber sie fiel zum Glück nicht, obschon es ein paar mal gfürchig danach aussah.

TörliDaneben sahen wir ein fast Stonehenge-mässiges Weidetörchen…

Schafe…und auf dem Rückweg ein paar Schafe.

BoucherieUnd ein interessantes Dorf namens Couvet im Val de Travers, ziemlich gebeutelt vom Verschwinden des grössten Arbeitgebers im Tal, einer Strickmaschinenfabrik, aber die Boucherie gibt es noch, mit Glücksschwein. (Capricorn by Helen James, many thx!)