Man soll ja nicht unbedingt alte Klischees zementieren, aber eines davon ermöglicht es mir, hier endlich einmal eines meiner an sich eher landwirtschaftsfernen Lieblingsthemen auf den Plan zu bringen: Eishockey und die SCL Tigers. Nach zirka 43 Jahren Fantum und 39 Jahre nach dem ersten, einzigen und (vorläufig) letzten Meistertitel, gab es diese Woche wieder einmal etwas zu feiern: Den Aufstieg in die NLA (für NichtSchweizerInnen: die erste Division). Das haben wir denn auch ausgiebig getan.
Aber zuerst zum alten Klischee von den Langnauern als Bauern. Aufwachsend in Muri bei Bern mit Meisterposter ’76 über der Bettstatt war es nicht immer einfach, Langnaufan zu sein. Wie oft musste man sich anhören, die Bauernknüttel hätten wieder gäbig versagt am Wochenende. Nur ab und zu konnten wir in den Jahren nach dem Meistertitel den verwöhnten Stadtbubis, als die wir sie gerne betrachteten, die Hühner einzutun. Am schönsten war es immer, wenn „wir“ im Allmendstadion den Mist führen konnten. So ist mir etwa ein Buebetrickli des legendären Rolf Tschiemer unvergesslich, das vor ausverkaufter Hütte in der Schlussminute in Bern das 3:4 für den damals noch nicht neumödig Tigers heissenden Schlittschuhclub Langnau bedeutete.
Heute ist Langnau längst kein Bauerndorf mehr, sondern ein lebendiges Regionalzentrum mit kräftigem linksgrünen Bevölkerungsanteil (drei von neun GemeinderätInnen, darunter der Präsident sind von der SP) und städtchengerechter Infrastruktur. Aber klar, noch immer ist das Umland bäuerlich-gewerblich geprägt und es war am Donnerstag aus dem Zug schön zu sehen, wie die Subarus und andere Mittelklass-Offroader in einer eigentlichen Sternfahrt dem Zentrum zustrebten, jeder zweite mit einem SCL-Wimpel am Rückspiegel.
Sowieso war es schön, letzten Donnerstag. Dank dem Tigers-Medienchef Rolf Schlapbach, der in meiner Tigerherzkammer künftig einen Ehrenplatz haben wird, war es mir vergönnt (erstmals) im neuen Stadion zu sein. Und das ausgerechnet an diesem historischen Abend. Das neue Ilfisstadion ist schmuck. Nicht protzig, immer noch ein wenig Viehausstellungscharme dank dem vielen Holz aber Top-Infrastruktur, von aussen nett anzuschauen und innen klein aber fein (6050 Zuschauerplätze) und gute Sicht aufs Spielfeld.
Auch das was auf diesem geboten wurde erfreute das Fanherz, es war kein Spaziergang, aber am Schluss machten wir die Sache dank einem eiskalt abgeschlossenen Konter von Chris „DiDo“ DiDomenico und Sekunden später einem Knaller von Lukas „Häsu“ Haas (ein Nebenerwerbs-Schafhalter, notabene) unter die Latte alles klar. Vor mir schrieb der Old Shatterhand der Eishockeyberichterstattung, Klaus Zaugg, dessen Texte ich als Dreikäsehoch jeweils im „Sport“ (selig) las, eine seiner metaphorisierten Zeilen, die er heute für Watson reinhaut („Und dann die Erlösung. Eine Szene wie aus einem Hollywood-Film. So wie der tapfere Kapitän John Maynard aus der Ballade von Theodor Fontane sein Schiff doch noch sicher in den Hafen von Buffalo bringt, so errettet nun Chris DiDomenico die Langnauer aus Not und Zweifel...“, ganzer Artikel hier).
Der Jubel war gross, laut, farbig, aber nicht grenzenlos, es war eher eine riesige Erleichterung, die um sich griff. Diese setzte sich nahtlos fort nach dem Spielende. Zuerst fast zaghaft, schön die Mannschaftsfoto abwartend, wagten sich die ersten Zuschauer aufs Spielfeld, um ihren verschwitzten Helden zu gratulieren. Auch ich liess es mir nicht nehmen, auf dem bearbeiteten und vom Spiel stark gezeichneten Feld eine Runde zu drehen und dem Goalie Damiano Ciaccio stellvertretend die Hand zu schütteln. Es war wie ein grosses, wenn auch recht ausgelassenes Familienfest. Auch im Siegestaumel bleibt der niederlagenerprobte Tigers-Fan irgendwie halt doch noch auf dem Boden, schon ein bäuerlicher aber kaum der dümmste Wesenszug. (Unterste vier Bilder ohne Klaus: Berner Zeitung/Hans Wüthrich (eine weitere Clublegende…))