Archive for the ‘Stadt-Landwirtschaft’ Category

Vorgarten-Landwirtschaft(2): Hoffnung ist grün

Januar 26, 2012

Vor einigen Tagen ist in der NZZ ein hochinteressanter Artikel unter dem Titel „Die Schrebergärtner von Mexiko-Stadt“ erschienen. Der Autor Alex Gertschen beschreibt zunächst die Ausmasse des Molochs: Die mexikanische Hauptstadt hat 20 Millionen Einwohner und 4,5 Millionen Autos, Tendenz steigend. Dann verlässt er die verstopfte Hauptstrasse und begibt sich in den Garten La Romita von Sembradores Urbanos. Die kleine Frauengruppe betreibt hier mitten im städtischen Getümmel auf lediglich 200 Quadratmetern einen Garten. Mit Unterstützung der Stadt. Diese hat dem Projekt 10000 Franken Starthilfe zugesprochen. Damit haben die Stadtgärtnerinnen einen staubige Brache in eine kleine grüne Oase verwandelt. Die Förderung der Stadt-Landwirtschaft ist Teil der Bemühungen von Stadt- und Zentralregierung, die Metropole nachhaltiger und lebenswerter zu gestalten. Carolina Lukac (oben links im Bild) und ihre Kolleginnen bewirtschaften aber nicht nur die knapp bemessene Fläche, sondern tragen ihr Wissen weiter. Sie haben seit der Gründung 2007 an 20 Schulen Kleingärten eingerichtet. Inbegriffen war die Weiterbildung für Lehrer und Schüler. Der Garten ist in den Augen der Sembradores nicht nur Produktionsstätte für frische Lebensmittel, sondern auch Erholungsort, Begegnungsstätte und Therapie. Zu den Kunden der Sembradores gehören auch Jugendgefängnisse, „wo sie minderjährigen Delinquenten übers Gärtnern einen konstruktiven Umgang mit der Umwelt aufzeigen wollen“. Lukac und ihr Team sehen grosses Potenzial für das spriessen des Grüns. Es gebe noch zahlreiche brachliegende Flächen, die man der Gemüse- und Früchteproduktion zuführen könnte. Die Illusion, dass die wachsende Stadt eines Tages autark ist, haben sie nicht. Aber einen Farbtupfer mit Multiplikationswirkung setzen sie in der Grossstadt auf jeden Fall. Derzeit ist die Begrünung von Dächern ein grosser Trend, so liest man weiter. Kürzlich hat Präsident Calderón das einst staubige und jetzt frisch begrünte 5000 Quadratmeter grosse Dach der staatlichen Wohnbauförderung der Produktion übergeben. Erneut mit positiven Nebenwirkungen. Dank der Begrünung lassen sich im heissen Mexiko-Stadt die Temperaturen und damit die Kühlungskosten für die darunter liegenden Räume deutlich reduzieren. Eine Win-win-Situation der grünen Art. (Bild Alex Gertschen/NZZ)

Vorgarten-Landwirtschaft(1): Kompost-Kommerz

Januar 18, 2012

Was Sie hier sehen, liebe Leserinnen und Leser ist nicht etwa eine Waschmaschine aus den fünfziger Jahren, sondern ein Komposter. Er wird propagiert auf dem Domaphile-Blog, dessen in New York logierender Autor und Inhaber sich schwergewichtig mit Hinterhof-Landwirftschaft und der Verwertung der daraus stammenden Produkte spezialisiert hat. Das ist im Moment ein Megatrend, wie der Marketingexperte sagen würde. Wer nur einen Balkon hat, produziert Tomaten in Kisten und sammelt die Speisereste im Tischkompost. Wer wenigstens ein Vorgärtli hat, legt dort ein Beet an und hält womöglich ein Huhn. Natürlich ruft dieser Trend nach Kommerzialisierung und natürlich haben die USA hier die Nase vorn. Mit einem einfachen Kompostgitter arbeiten heute ennet dem grossen Teich die wenigsten Kleinstgärtner, ein Hobby darf kosten und das nicht zu knapp. Der Jora JK270 Composter oben schlägt beim Spezialisten „Eartheasy“ mit nicht weniger als  365 US-Dollar zu Buche. Die „Wormfactory“ im Bild hier links, welche man lustigerweise bei Amazon bestellen kann, gibts schon für gut 100 Dollar. Auch in der Schweiz versuchen die Hersteller, Kapital zu schlagen aus den Kleingärtnern. Die Schnellkomposter kosten zwischen 70 und etwa 130 Franken. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit gerne an meinen Eigenbau, hergestellt aus einem einfachen Gartenkübel mit Deckel: Umkehren, auf den Boden stellen und mit Metallhaken etwas befestigen, Loch mit rund 40 cm Durchmesser aus dem Boden (der jetzt oben liegt) schneiden und einfüllen. Nach einigen Monaten kann man unten den fertigen Kompost rausnehmen, dafür braucht es allerdings einen Deckel, für den ich ein Scharnier montieren musste. Kostenpunkt insgesamt vielleicht 30 Franken und etwa eine Stunde Arbeit. Das Kompostieren ist für mich mittlerweile zum Ritual geworden und die Ernte gehört zu den Höhepunkten im Kleinstgärtnerleben. Aber der Freude muss man viel rechnen. Nicht nur das Basteln des Komposters, auch das zerschnipseln des Grünzeugs gibt einiges zu tun.
 

Urban Farmers: Hors-sol, rehabilitiert

Oktober 5, 2011

Ich komme hier ein wenig wie die alte Fasnacht. Über Urban Farmers, eine Spin-Off-Firma der ZHAW Wädenswil, haben sich Tages- und Agrarjournalisten schon bis weit über die Grenzen hinaus die Finger wund geschrieben, wie man auf der Website des Zürcher Jungunternehmens sehen kann. Das soll mich nicht hindern, hier auch noch ein paar Hauptsätze zu diesem interessanten Geschäftsmodell zu verlieren, nachdem ich es hier einmal in ein paar Nebensätzen abgefertigt hatte. Es gibt immerhin auch einen aktuellen Anlass, hat doch gestern Geschäftsführer Roman Gauss einen recht inspirierten Vortrag gehalten, dem ich eher zufälligerweise beiwohnte. Die Idee, brach liegende Dächer zu bewirtschaften, ist nicht ganz neu, schon vor zwanzig Jahren bauten Agronomen auf den Dächern von Zürich allerhand Kulturen an, mit denen sie sich selbst versorgten. Urban Farmers will dies nun professionalisieren. Gauss erzählte, alleine in der Stadt Basel habe man freie Dachflächen in einem Umfang geortet, welche die Ernährung von 4000 Menschen erlauben würde. Zum Team gehören laut Gauss aus Statiker, die dafür sorgen, dass die Stadt unter der Last der Landwirtschaft nicht zusammenbricht. Viel realisiert hat Urban Farmers im grossen Stil noch nicht, aber diesen Sommer immerhin erste Spuren im Zürcher Stadtbild hinterlassen. Der oben abgebildete Container stand eine Weile am See beim Bürkliplatz. Oben findet sich im Treibhaus Salat, unten im Container ein Fischbecken. Das Wasser zirkuliert, die Fische ernähren mit ihren Ausscheidungen den Salat, oder was auch immer angepflanzt wird an Gemüse. Das hier auf kleinem Raum komprimierte System – man könnte es in jeden Hinterhof stellen, sofern er nicht zu schattig ist – nennt sich Aquaponics und soll die Grundlage bilden für die Anlagen in spe. Interessant finde ich, dass Aquaponic ein Hors-sol-System ist. Vor einigen Jahren führte man noch engagierte Diskussionen darüber, ob der bodenlose Anbau in der Landwirtschaft legitim sei, oder nicht. Heute lockt das Thema keinen müden Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Ich finde Hors-sol schon lange akzeptabel. Ein geschlossenes System macht Sinn, aus ökologischen und ökonomischen Gründen. Aber es geht trotzdem nichts über eine frische Freilandtomate, von mir aus auch vom Dach.

Urbane Jungbauern produzieren im Wohnzimmer

August 22, 2011

Stadtlandwirtschaft ist im Trend: Der Hühnerhof im Vorgarten, der Kompost auf dem Balkon und die Mitarbeit im lokalen CSA-Projekt gehören heute bei manch einer Städterin und bei vielen urbanen Jungspunden zum guten Ton. Nun ist es ja so, dass nicht jede Wohnung im Asphaltdschungel solche Aussenräume mit ausreichenden Ausmassen bereitstellt. Darum kommt jetzt schon der nächste Schritt: Die Indoor-Stadtfarm. Die deutsche Jungdesignerin Charlotte Dieckmann und ihr Kollege Nils Ferber haben einen Kompost für an den Küchentisch und ein Treibhaus für das Ikea-Regal kreiert. Der Kreislauf wäre somit innerhalb der Wohnküche geschlossen. Originelle Idee und schon recht weit durchdacht, wie die Homepage von Dieckmann zeigt. Fehlt eigentlich nur noch die Bonsai-Kunstwiese samt Mini-Kuh für die Wohnwand. Wer jetzt umgehend seine gute Stube umgestalten und das deutsche System einbauen möchte, muss sich noch etwas gedulden. Die „Parasite Farm“, wie die Designer ihren Stuben-Hof nennen ist erst als Prototyp vorhanden. (Bild Alexander Giesemann)

Stadt-Landwirtschaft ist längst mehr als Lifestyle

Januar 30, 2011


Stadt-Landwirtschaft ist trendy. In westlichen Metropolen spriessen die Projekte von hippen Kreativen, die plötzlich ihren grünen Daumen entwickeln. Natürlich schon länger in New York, wo auf bisher dem süssen Nichtstun vorbehaltenen Dachterassen plötzlich Tomaten wachsen, was dann auf dem entsprechenden Blog auch ausführlich gewürdigt sein will. Mit etwas Verzögerung spürt man auch auf hiesigen Dachterassen Frühlingsgefühle. Kürzlich wies mich ein alter Bekannter (danke YS!) auf die Urban Farmers hin. Ausser einer aufwendigen Homepage mit vielen High-Tech-Ideen scheint hier zwar noch nicht viel zu wachsen, aber die Saat ist gelegt. Nun, nichts gegen das wachsende Bewusstsein gut situierter westlicher Städter, jeder Urban Farmer schafft bei sich und anderen Bewusstsein, dass das Gemüse nicht beim Grossverteiler im Regal gedeiht. City Farming hat aber mehr drauf als das.
Kürzlich begegneten mir erstmals Sembradores Urbanos, ein Netzwerk von Frauen, das in der Megametropole Mexico City mit Stadt-Landwirtschaft zur Versorgungssicherheit beiträgt. 2050 werden gemäss einem interessanten National-Geographic-Spot voraussichtlich 70 Prozent der dannzumal gut 9 Milliarden Menschen in Städten leben, die meisten davon in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dort wird Stadt-Landwirtschaft immer wichtiger. Der Bedarf ist erkannt und es gibt erste Organisationen, die sich professionell mit den spezifischen Problemen der Stadtbauern beschäftigen. Ein gutes Beispiel dafür ist Ruaf, die seit über zehn Jahren Stadt-Landwirtschaftsinitiativen in kleineren und grösseren Städten in der Südhalbkugel vernetzt und unterstützt. Übrigens ist City-Farming auch in West-Metropolen wie New York oft mehr als Lifestyle, vor allem in ärmeren Quartieren, wie zum Beispiel der Bronx. (Bilder: oben Vladimir Menkov/Wikipedia, mitte Ruaf, unten G. Paul Burnett/The New York Times) 

Das Schosshuhn als urbanes Modehaustier

April 14, 2010

„Legen Sie sich Hühner zu!“ hat das Magazin des „Tages-Anzeigers“ kürzlich empfohlen. Nach dem Salatbeet auf dem Fentsersims und dem Kompost auf dem Balkon kommt nun, so wollen uns die urbanen Trendsetter weis machen, der Hühnerstall im Garten. Dabei liessen sich die Zürcher Journalisten, wie könnte es anders sein?, in den USA (siehe Bild) inspirieren. Dort gibt es bereits einschlägige Internetsites wie www.backyardchickens.com, wo man in akribischem Detail erklärt wie sich der Hinterhofhühnerhalter einen günstigen Stall bauen und die besten Rassen auswählen kann. Aber auch in Deutschland ist man nicht untätig geblieben: Bei Hühner-Info.de findet der Interessent reichlich Unterlagen. Anschauungsunterricht liefert auch das belgische Städtchen Mouscron, wo der Bürgermeister gratis Hühner verteilt, um so den Abfuhrbedarf für organische Abfälle zu reduzieren. Für Zürich sehe ich trotz der ermutigenden Nachrichten aus allen Herren Ländern etwas schwarz. Die wenigen Gärten und Terassen sind vor allem in der Innenstadt schlicht zu klein, um dort noch eine Hühnerherde unterzubringen. Dazu, so nehme ich an, unterschätzen die meisten potenziellen Stadthühnerhalter den Arbeitsaufwand. Muss man doch einen Stall bauen, füttern, tränken und misten, bevor man das erste Ei ernten kann. Ein nicht ganz anspruchsloses Haustier, das Huhn. Man stellt sich schon mit Grauen all das ausgesetzte, herrenlose Geflügel vor, das zu Sommerferienbeginn in den Strassenschluchten Zürichs herumirrt…    

Das Landwirtschafts-Luftschloss Vertical farming

November 10, 2009

Vertical farmingIch komme derzeit kaum zur Stadt raus. Deshalb liegt das Thema Vertical Farming auf der Hand. Man könnte das mit Vertikal- oder Hochhauslandwirtschaft übersetzen. Mein Bloggerkollege Matthias Daum hat einen interessanten Artikel darüber geschrieben und mich darauf aufmerksam gemacht. Kurz zusammengefasst geht es darum, Landwirtschaft angesichts von Urbanisierung und schwindenden Landreserven in städtischen vielstöckigen Treibhäusern oder Ställen zu stapeln. Die Idee gedeiht am kräftigsten auf dem Mist eines New Yorker Forschers, der eine eigene Homepage dazu betreibt. Mir scheint das Konzept wenig zukunftsträchtig. Die Probleme mit der Welternährung entspringen ja nicht dem Landmangel, sondern den Verteilungsproblemen. Diese Mängel bei der Lebensmittel-Allokation konnte noch keine technologische Neuerung beheben, Stichworte Grüne Revolution und Grüne Gentechnologie. Zudem ist der Betrieb von Treibhäusern energetisch dem Freilandanbau unterlegen und daran wird sich künftig wohl nur marginal etwas ändern. Von der Tierhaltung braucht man gar nicht zu sprechen. Mehrstöckige Schweinemästereien gab es schon in der DDR, diese Experimente sollte man lieber nicht wiederholen. Insgesamt ein landwirtschaftliches Luftschloss. Wenn ich mich eines Tages eines besseren belehren lassen muss, und Vertical farming ökonomisch und ökologisch für alle Beteiligten Sinn machen sollte, dann noch so gern. (Bild www.verticalfarm.com)

Florierende Stadt-Landwirtschaft in „Farm City“

Juli 31, 2009

Novella Carpenter

Heute mache ich einmal ein bisschen Reklame für die Stadt-Landwirtschaft. Das ist ja ziemlich naheliegend für einen urban logierenden Agroblogger. In Amerika hat die Stadt-Landwirtin Novella Carpenter (im Bild) vor kurzem ein Buch herausgegeben. FarmcityEs heisst „Farm City“ und befasst sich mit den Alltagsfreuden und -problemen des städtischen Bewirtschafters. Ich habe das Buch zwar noch nicht gelesen, aber ein Müsterli kann ich trotzdem schildern: Ein verstörter Beamter hat ihr aus dem Postbüro in Oakland, wo Carpenter in einer Sackgasse nahe der Autobahn in einem Hinterhof bauert, angerufen. Sie möge sofort ihr Paket mit den bestellten Bienen abholen. Diese zögen andere Bienen an und „are freakin‘ everyone out“. Stadt-Landwirtschaft oder Urban Farming, wie man es dort nennt, ist vor allem in den USA ein grosses Thema, es gibt mehrere Blogs, zum Beispiel „City Farmer News“ und eben Bücher. Praktiziert wird sie aber vor allem in der zweiten und dritten Welt, einige Beispiele gibt es in einem interessanten Wikipedia-Beitrag. Die Vorteile liegen auf der Hand: Schliessung von ökologischen Kreisläufen innerhalb der Stadt, kurze Transportwege, weniger landwirtschaftlicher Druck auf ökologisch wertvolle Flächen wie zum Beispiel Regenwälder oder andere Biotope. Es gibt aber auch gewichtige Probleme: Oft sind die Böden Altlasten-verseucht und das Land zu teuer für landwirtschaftliche Produktion. Aber man kann ja klein anfangen, zum Beispiel mit einem Kompost im Vorgärtli. Hier gehts zur Anleitung.