Posts Tagged ‘Agrarpolitik’

Agrarbericht 2013 – die nackten Zahlen

November 13, 2013

Tabelle Agrarbericht 2013Dieser Tage ist mir der Agrarbericht 2013 ins Büro geflattert, beziehungsweise eher geplumpst: 1,04 Kilo geballte Information über die Schweizer Landwirtschaft und viel Fleissarbeit des Bundesamts für Landwirtschaft. Wenn ich richtig gezählt habe, sind es 114 Personen, die mitgearbeitet haben. Ich schätze die durchschnittliche Arbeitszeit auf fünf Tage pro Person, konservativ vermutlich, das gäbe zusammen nach Adam Riese 570 Manns- und Fraustage à 500 Franken. Das macht 285’000 Franken und dazu die Druck- und Distributionskosten.

Ich nehme an eine Drittelmillion kostet das Werk mindestens. Darin steht viel Interessantes, aber ich gehe davon aus, dass 90 Prozent der Auflage bald Staub anlegen wird. Um diesem bemitleidenswerten Schicksal des Almanachs etwas entgegenzuwirken, habe ich willkürlich ein paar interessante Zahlen aus den Jahren 2000 und 2012 rausgepickt und die Abweichungen ausgerechnet.

Die Zahlen zeigen: Die Landwirtschaft ist produktiver geworden, der Strukturwandel schreitet voran, das internationale Handelsvolumen nimmt ungeachtet aller Unkenrufe zu, ebenso das Engagement für das Tierwohl, grosszügig gefördert durch Direktzahlungen natürlich. Einzig die Mastpoulets sind bemitleidenswert, wegen einer Erhöhung der Mindestmastdauer auf 56 Tage gibt es sie nur noch marginal aus tierfreundlicher Haltung. Und die Bauern sind zwar grundsätzlich zufrieden, schätzen die Lebensqualität gegenüber den Durchschnittsbürgern aber als unterdurchschnittlich ein. Mit ein Grund dürfte die zwar gestiegene aber nach wie vor exorbitant tiefe Ferientagezahl von 7 sein. Fazit: Die Schweizer Bauern und Bäuerinnen performen gut aber vielmals am Limit. Die Agrarpolitik erreicht zwar ihre Ziele recht gut, beliebig weiterführen lässt sich dieser Prozess aber wohl kaum, der nächste Bericht müsste vielleicht mal auf die Grenzen der Schrumpfung fokussieren.

Agrarpolitik, endloses Drama in 4(-Jahres) Akten

März 22, 2013

Theater im VollbetriebEigentlich ist es ein politischer Alptraum: Vor gut drei Jahren hat das BLW die Grundzüge der Agrarpolitik 2014/17 präsentiert, damals unter dem Label Weiterentwicklung der Direktzahlungen (WDZ). Heute hat das Parlament die Gesetzesvorlage nach dem Verbrauch von Hunderten Tonnen von Papier und unzähligen Sitzungs-, Sessions- und Denkstunden von Herrscharen von Beamten, Politikern, Bauern, Öko- und Fleisch-Lobbyisten sowie Journalisten das Paket in der Schlussabstimmung durchgewinkt. Damit ist die Arbeit noch nicht zu Ende, es beginnt jetzt das vereinte Schleifen an den Verordnungen. Wenn alles gut geht, ist die Reform vier Jahre nach dem Startschuss unter Dach. Der neue Regulations- und Zahlungsrahmen ist dann ab 2014 für vier Jahre in Kraft. Und die Arbeit kann eigentlich grad wieder von vorne beginnen: Das neue Beschäftigungsprogramm für die Agrarbürokratie heisst fast gleich: Agrarpolitik 2018/21.
Das Resultat der aktuellen Reform ist guteidgenössische mittlere (Un-)Zufriedenheit. Die einen lamentieren über eine Schwächung der Produktion, die anderen über eine ökologische Erstarrung im Talgebiet. Das Referendum, mit welchem man namentlich in SVP-Kreisen liebäugelte, ist glücklicherweise gar nicht erst lanciert worden. Es hätte lediglich der politischen Profilierung der Partei gedient, ähnlich wie sie das mit einer nicht enden wollenden Flut von Volksbegehren in der Asylpolitik seit Jahren praktiziert. Der Bauernverband winkte erst am Tag vor der Schlussabstimmung ab und wollte wohl so den politischen Druck aufrecht erhalten, ohne dass die Drohkulisse allerdings sehr glaubhaft gewirkt hätte.
Ein Referendum hätte die nötige Weiterentwicklung unter Beibehaltung von Bewährtem lediglich verzögert und den Bauern mehr geschadet als genützt. Was soll das Stimmvolk von einer Branche denken, die jährlich rund drei Milliarden Franken aus der Bundeskasse absahnt und troztdem nicht zufrieden ist? Hier ist eine gewisse Selbstbeherrschung an der Scholle durchaus angezeigt.
Zum Schluss drängt sich die Frage auf, ob man diesen nicht enden wollenden Zirkus im Vierjahreszyklus nicht etwas einfacher organisieren könnte, im Dienste der Rechtssicherheit für alle Beteiligten und allen voran der Bauern und Bäuerinnen.
Die Antwort ist nein. Die Agrarpolitik ist wie ein Schauspielhaus, AP X/X+3 ist ein Drama mit den immer gleichen vier Akten: Im ersten Akt präsentiert die Administration ihre Vorstellungen, das Publikum klatscht zum kleinsten Teil und buht mehrheitlich. Dann folgt der Auftritt der Gegner und Befürworter, die auf der Bühne wild aufeinander einschreien und Weltuntergansszenarien an die Wand malen, im dritten Akt inszenieren Parteivertreter im Stöckli und der grossen Heubühne einen ritualisierten und etwas zivilisierteren Kampf mit Kartonschwertern, wobei der Ausgang längst abgekartete Sache ist. Dann folgt der Vorhang, begleitet vom bereits bekannten Mix aus Empörung und verhaltenem Applaus im bereits leicht ermatteten Publikum. Der vierte Akt folgt dann hinter den Kulissen, beim gemeinsamen Bier feilschen Politiker und Lobbyisten um die Details der Einnahmenverteilung. Das Stück war auch in der x-ten Vorführung erfolgreich, die Billetteinnahmen blieben unverändert, ja sie haben gar leicht zugenommen, und für die einzelnen Schauspieler bleibt etwas mehr übrig, nimmt doch ihre Zahl ständig ab. Und jedeR weiss, ohne diese Aufführung wären viele der Beteiligten beschäftigungslos und die Weiterexistenz des Theaters gefährdet. (Bild Parlament.ch)