Am Rande der Grünen Woche haben letzten Samstag in Berlin nach Angaben der Organisatoren rund 23000 Personen unter dem Motto „Wir haben es satt!“ gegen Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft demonstriert (Bild oben). Selbentags fand an der Messe eine hart geführte Diskussion zwischen dem Generalsekretär des Deutschen Bauerverbands (DBV), Helmut Born und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW), Johannes Remmel statt. Er ist im Wettbewerb der Würdenträger um den längsten Titel wohl weit vorne. Der Bandwurm zeigt aber vor allem die Prioritäten seiner rot-grünen Landesregierung. Remmler, selber ein Grüner, ist vor allem Umwelt- und Konsumentenschützer und die Bauern werden primär als Immissionäre betrachtet. Das zeigte sich im harten Schlagabtausch mit Born deutlich. Der DBV-Vertreter hatte einige Mühe, dem Minister zu erklären, warum 96,4% der Nordrhein-westfälischen Hähnchen während ihrer kurzen Lebenszeit Antibiotika verabreicht werden, wie eine Studie des Ministeriums zeigt. Remmlers Haltung steht in ziemlichem Kontrast zur Position der nationalen CSU-Agrarministerin Ilse Aigner aus dem ländli
chen Bayern (Bild rechts). Sie hatte den Demonstranten schon bei der IGW-Eröffnungskonferenz vorgeworfen, sie kämpften in den Schlachten von gestern. Antibiotika würden nur noch im Krankheitsfall eingesetzt, die Förderung von Grossställen sei längst gekappt, der Tierschutz mache grosse Fortschritte. Aber warum erzähle ich das alles? Mir ist in den paar Tagen in Berlin aufgefallen, dass in Deutschland derzeit mit grossem Engagement eine Diskussion geführt wird, die mir als Schweizer schon etwas antiquiert vorkommt. Die industrielle Landwirtschaft war hier in den 80-er und 90-er Jahren ein grosses Thema, die Höchsttierbestände sind streng und der Tierschutz hat grosse Fortschritte gemacht. Ich habe dem Chef des Landwirtschaftsamts NRW jedenfalls mit einer gewissen Süffisanz und nicht ganz ohne Stolz empfohlen, er möge die Schweizer Agrarpolitik verfolgen, um dann zu wissen, was 15 Jahre später in Deutschland aktuell sein wird. Allzu hoch aufs Ross sollten wir aber trotzdem nicht sitzen. Erstens ist auch die Schweiz längst noch kein Paradies für Nutztiere. Zweitens sind die Deutschen schon deutlich weiter als viele andere EU-Länder, zum Beispiel beim Ausstieg aus der Hühner-Käfighaltung, der in der Bundesrepublik a
bgeschlossen ist, während in der Rest-EU laut Aigner noch 100 Millionen Hennen hinter Gittern sitzen. Drittens führen die deutschen Exponenten die Auseinandersetzung mit einer Eloquenz und einer Härte, von der man sich hierzulande auch noch ein Scheibchen abschneiden könnte. Zu oft sind sich hier Landwirtschaftsfilz und Behörden zu nahe und schonen sich, weil man sich kennt und lieber nicht weh tut. Die deutschen Diskussionen sind öfter frei von derlei Sensibilitäten und dehhalb aufschlussreicher. Und um einiges unterhaltsamer. (Bilder oben Hartmut Müller-Stauffenberg/Imago, mittleres Bild Grüne Woche/pd)