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M-Alnatura: Institutionalisierte Einkaufstouristin

September 6, 2012

Vor einigen Tagen hat die Migros ihren ersten Alnatura-Shop eröffnet. Das Konzept für den Bio-Supermarkt ist vom deutschen Unternehmer Götz Rehn entwickelt worden. Zunächst begann man mit einem Shop-in-Shop-Verfahren mit Alnatura-Ecken in anderen Supermärkten, später, 1987, wurde in Mannheim der erste Laden eröffnet, wie man im umfassenden Wikipedia-Eintrag nachlesen kann.
Das reich Preis-dekorierte Unternehmen hat mittlerweile 70 Filialen in Deutschland und 35 Jahre nach der Eröffnung des ersten Ladens gibt es nun auch einen in der Schweiz. Zu verdanken ist dies der Migros, die mit Alnatura eine Partnerschaft eingegangen ist.
Ich habe mir das 460 Quadratmeter grosse Geschäft in Höngg zweimal angeschaut. Der geräumige Laden ist gut dotiert mit rund 5000 Produkten. Rund 10 Prozent stammen aus dem Migros-Bio-Sortiment, 20 Prozent sind Eigenmarken von Alnatura. Der Rest besteht aus einem Mix von in- und ausländischen Bioprodukten, wobei die meisten der importierten Produkte auch im deutschen Alnatura-Sortiment zu finden sind. Namentlich die Frischprodukte stammen erfreulicherweise grösstmehrheitlich aus der Schweiz, dabei sind auch kleinere Produzenten ins Sortiment aufgenommen worden, darunter die Sennerei Bachtel und die Holzofenbäckerei Vier Linden.
Was die Preisgestaltung angeht wirkt das Niveau vernünftig, wenn man sich an Schweizer Supermarkt-Bio-Verhältnisse gewohnt ist. Interessant ist an der Neueröffnung für Detailhandelsspezialisten (zu denen ich mich nicht wirklich zählen möchte, aber ich finde es trotzdem interessant), dass zwischen der neuen Filiale in der Schweiz und den bestehenden in Deutschland ein Preisvergleich von identischen Produkten möglich ist, was auch einige Aufschlüsse über die Marge erlaubt.
Migros ist – was die übernommenen Teile des Sortiments angeht – eigentlich nichts anderes als ein Einkaufstourist, der bei Alnatura ennet der Grenze postet und dann im eigenen Laden in der Schweiz weiterverkauft. Diesen Vergleich wollte ich mir nicht entgehen lassen, also pilgerte ich diese Woche in den Alnatura-Laden in Konstanz, um den Vergleich zu machen (siehe Tabelle unten).
Die zufällig ausgewählten Produkte kosten in der Schweizer Filiale – wenn man mit einem Eurokurs von Fr. 1.20 rechnet – zwischen 0 und 67 Prozent mehr, als in Deutschland. Spitzenreiter sind Bio-Penne von Alnatura, eine Fruchtschnitte von Rapunzel, zwei Tofuprodukte, ein Schafmilch-Joghurt und eine Pflegecrème von Weleda, die alle in etwa die Hälfte mehr kosten als in Deutschland. Daneben gibt es aber auch einige nur knapp teurere Produkte, am geringsten ist der Aufschlag bei Corn Flakes (0%) und Café von Alnatura sowie einem Feta eines Drittlieferanten.
Ich gehe über den Daumen gepeilt von einer durchschnittlichen Preisdifferenz von 33 Prozent aus. Davon dürften je nach Produkt etwa die Hälfte draufgehen für Zölle (ausser dank Freihandelsabkommen beim Käse, deshalb ist der Feta wohl so günstig), für Transportkosten und für die Kommission, die Migros an Alnatura entrichtet. Von den restlichen rund 15 Prozent Differenz, kann man gut fünf für die höheren Löhne in der Schweiz abziehen. Unter dem Strich verbleiben für Migros gegenüber dem, was Alnatura in Deutschland abschöpft, zusätzliche zehn Prozent Opportunitätsmarge, die man einstreichen kann, weil die Kaufkraft in der Schweiz höher ist und die Biokonsumenten weniger preissensibel als Discountkunden sind. Man möge mich von berufener Stelle korrigieren, wenn diese Schätzung zu hoch (oder zu tief) ist. (Bild Jegen Ladenbau)