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Grüssen über den Hag – zum Beispiel in Suberg

November 5, 2013

Über den Hag grüssen in Suberg Es wird ja langsam definitiv ganzabendlich finster und deshalb Zeit für einen Filmtipp. Ich empfehle „Zum Beispiel Suberg“ von Simon Baumann, und zwar keineswegs nur weil er der Sohn von meinem geschätzten Bloggerkollegen Ruedi Baumann ist (dazu später mehr).

„Suberg“ ist ein weiterer Streifen, der das alte Klischee des Schweizer-Film-Erlebnisses vergessen macht, das im wesentlichen daraus bestand, dass man mit fünf anderen im ansonsten leeren Saal sass und am Schluss lange nach dem Abspann mutterseelenallein darin erwachte.

Plakat SubergSuberg ist ein Kaff in der Berner Kornkammer, „475 Meter über Meer, 612 Einwohner. Ein Schulhaus, ein Bahnhof, ein Schulhaus, eine Beiz und eine Düngerfabrik. Ein mittleres Dorf im Schweizer Mittelland“, wie Baumann einleitend cool zusammenfasst. Er habe das Dorf 31 Jahre lang erfolgreich ignoriert. Dabei wären die Voraussetzungen für eine bessere Integration nicht schlecht gewesen: Die Grosseltern wichtige Stützen des Dorflebens, er Musikant und vielfach ehrenamtlich aktiver Landwirt, sie als gschaffige Bäuerin. Auch die nächste Generation blieb an der Scholle tätig. Nur entwickelten sich Simons Eltern Ruedi und Stephanie schnell zu rotgrünen Tüchern für die Mehrheits-Suberger, als Powercouple mit Doppelmandat im Nationalrat sorgten sie auch auf lokaler Ebene für nachhaltige Animositäten, wie Simon am eigenen Leib erfährt.

Dieser hat nämlich unterdessen beschlossen, Suberg im Selbstversuch zu erkunden, auf der Suche nach dem verlorenen Dorfleben. Längst hausen die Bewohner entfremdet voneinander hinter wohlgetrimmten Hecken. Während ihm die einen die Hand schütteln, jagen ihn die anderen abrupt zum Teufel. Unbeirrt stellt sich Baumann samt Bänkli und Sonnenschirm an die Bahnschranke, den letzten verbliebenen Treffpunkt, und verteilt den im Auto auf den Zug Wartenden Nussgipfel. So richtig warm wird aber niemand mit dem freundlichen Angebot. Integration erfährt der Suchende erst im Männerchor, wo man ihn nach anfänglichem misstrauischem Beschnuppern schlussendlich freudvoll als bei weitem jüngstes Mitglied und Nachwuchshoffnung aufnimmt.

Simon Baumann im KornfeldBaumanns Selbsterfahrungs-Experiment ist gewagt, er stellt sich prominent in den Mittelpunkt des Films und das könnte auch nerven. Tut es aber nicht, kein bisschen. Ich habe mich bestens unterhalten und gleichzeitig immer wieder gedacht, dass man diesen Streifen in ca 2000 anderen Schweizer Gemeinden drehen könnte. Zersiedelung, Motorisierung (inkl. Lädelisterben), Rationalisierung, Vereinzelung – Suberg ist überall. Im Gespräch wirken die meisten der redebereiten Suberger etwas verloren, man zieht sich zurück in die eigenen vier Einfamilienhüsli-Wände, wüsste auch gar nicht mehr wohin, wenn man jemanden treffen wollte, die letzte Beiz ist längst ein gestopfter Laden für mehrbessere auswärtige Gourmets.

Was das alles mit Landwirtschaft zu tun hat, werden Sie sich fragen, liebe LeserInnen. Sehr viel. Die rapide Aggloisierung der Dörfer geht immer einher mit einem Bauernsterben. Für mich zeigt dieser Film wieder einmal archetypisch, wie wichtig eine lebendige bäuerliche Gemeinschaft für ein Dorf ist. Sie ist nicht nur Stütze des Gesellschaftsleben sondern auch Garantin, dass im Dorf konsumiert und gelebt und eben nicht nur geschlafen wird. Nicht, dass es in Suberg keine Bauern mehr gäbe, ein paar sind noch geblieben, darunter auch Simons Bruder Kilian (die Eltern sind längst nach Frankreich ausgewandert, was man hier schön illustriert täglich mitverfolgen kann). Aber irgendwie sind sie selber an den Rand gedrängt worden, kämpfen um ihre knappen Margen und letztlich das Überleben, was nur wenig Zeit fürs Leben lässt. Filmstart ist am 28. November, nicht verpassen.

Der Nährboden als Mantra und Cashcow

Januar 15, 2012


Am 11. März entscheidet das Stimmvolk über die Zweitwohnungsinitiative von Franz A. Weber und seiner Stiftung FFW. Das Begehren fordert eine Begrenzung des Zweitwohnungsanteils auf 20 Prozent. Das Bild oben stammt aus der Propaganda des Initiativkomitees und mag etwas stark verdichtet sein. Wenn man die existierende Landschaft anschaut, sieht es aber vielerorts gar nicht etwa schauderhaft viel besser aus. Das zeigen die Bilder aus der Realität weiter unten. Die Landwirtschaft, so müsste man meinen, sollte sich nach Kräften hinter das Ansinnen des rührigen und umstrittenen Umwelt- und Tierschützers stellen. Wer kann an der Scholle ein Interesse haben, dass immer mehr Land für meist hässliche, kaum benützte Ferienwohnungstürme verbraucht wird? Fehlanzeige. Keine einzige bäuerliche Organisation ist im Unterstützungskomitee. Und ich nehme auch nicht an, dass es noch dazu kommen wird. Denn zu ambivalent ist das Verhältnis des Landmanns und der Landfrau zum Nährboden. Dieser ist nicht nur eine ideologisch überhöhte Basis der Produktion, sondern auch eine Cashcow sondergleichen. Hunderte von Bauern sind dank Baulandverkäufen zu Millionären geworden. Und noch immer harren Hunderte ja Tausende von Hektaren, die heute noch bebaut werden, der Überbauung. Die Zweitwohnungsinitiative ist nur ein Beispiel. Bei der Landschaftsinitiative ein ähnliches Bild: Unterstützung kommt nur von Bio Suisse und VKMB, der Bauernverband (SBV) aber windet sich und kann sich nicht zur Teilnahme im Stützungskomitee entscheiden, obschon die Exponenten bei jeder Gelegenheit wortreich den Kulturlandverlust beklagen. Gleichzeitig wehren sich die Baulandbauern nach Kräften, die Öffentlichkeit an den enormen Gewinnen zu beteiligen, die sie einstreichen, wenn sie ihr Landwirtschaftsland verkaufen. Und erhalten dabei Unterstützung vom SBV. Jüngstes Beispiel für die Haltung der Bauern ist die Reaktion auf den Bundesgerichtsentscheid vom Dezember 2011, der einen Bauern verpflichtet, auf Bauland dem Wert entsprechende Steuern zu bezahlen. Die „Bauernzeitung“ diagnostizierte dieser Tage einen „Schock für Baulandbauern“, garniert mit dem Kommentar eines SBV-Vertreters, der fatale Folgen für das Einkommen der betroffenen Bauern inklusive Verlust der Direktzahlungen wittert. 
Insgesamt ergibt sich kein schönes Landschaftsbild von Bauer und Boden. Die Bewirtschafter geben zwar vor, an dessen Unüberbautheit durch alle Böden festhalten zu wollen. Sie lamentieren über den steigenden Siedlungsdruck, ohne das sie aber offen dazu stehen würden, wie lukrativ genau diese Nachfrage für sie ist. Und ohne Bereitschaft zu zeigen, bei dieser Einkommensquelle im Interesse der Erhaltung des Kulturlands gewisse Abstriche in Kauf zu nehmen.(Bilder Komitee Zweitwohnungsinitiative)