Ok, man ist natürlich jetzt ein bisschen sensibilisiert, als mitbeteiligter Lohnempfänger in der Biobranche. Doch das soll kein Hinderungsgrund sein, die Lust am Biobashing zu thematisieren. Publikumsmedien, einige stärker als andere, scheinen zuweilen ein geradezu biologisch bedingtes Verlangen zu verspüren, der ökologischen Landwirtschaft wieder mal die Leviten zu lesen. „Bio-Lüge“, „Bio-Bschiss“ und „Bio-Illusion“ sind nur ein paar der Wortschöpfungen aus den letzten Jahren.
Jüngste Beispiele sind Artikel im „Spiegel“ und im Konsumentenmagazin „Saldo“. Ersterer zog unter dem rezyklierten Titel „Alles Bio – oder was?“ gegen einen angeblichen Bioeierskandal zu Felde, der sich dann allerdings samt der Onlineversion des Berichts in Luft auflöste. Die von „Saldo“ monierte „Lotterie beim Bio-Einkauf“ thematisiert ein altes aber durch ein komplexes Ausnahmeregelungssystem wasserdicht geregeltes Problem des biologischen Anbaus, nämlich den partiellen Mangel an Biosaatgut, der durch konventionelle Ware gedeckt werden muss. Das ist sicher kein Ruhmesblatt für den Biolandbau, aber man arbeitet daran, und die Alternative wäre ja dann einfach, dass stattdessen mehr Waren in konventioneller Produktion angebaut und Bioprodukte dadurch knapper und noch teurer würden, und das wäre dann wohl auch wieder nicht ganz im Sinne der Konsumentenschützer.
Aber hier soll es jetzt gar nicht darum gehen, den Journalisten die Biokutteln zu putzen, bin ja selber einer und es interessiert mich mehr, was sie denn im Hafer sticht, ab und zu einen Säbel in den Biokartoffelsack zu stossen (wobei man auch nicht vergessen darf, dass deutlich öfter positiv als negativ über Biolandbau berichtet wird). Ich sehe folgende Hauptgründe:
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Der Biolandbau sitzt im teilweise selbst erbauten Glashaus. Die Bioszene hat sich sehr lange sehr explizit abgegrenzt vom konventionellen Landbau und hat dabei nicht zu knapp mit dem Gut-Böse-Weltbild operiert. Obwohl das natürlich aus ökologischer Sicht keineswegs falsch ist, provoziert das. Wenn dann diesen Gerechten, manchmal auch Selbstgerechten ein Bock unterläuft, wird das genüsslich ausgeschlachtet.
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Mittlerweile hat der Biolandbau die alternative Pionierzeit hinter sich gelassen und ist im Mainstream angelangt, zumindest gesellschaftlich (im Landwirtschaftsbereich ist er in der Schweiz und erst recht weltweit mit Anteilen von 10 beziehungsweise nur gut einem Prozent an der Fläche immer noch eher marginal entwickelt). Und wer im Mainstream obenauf schwimmt, der weckt gerne auch Misstrauen, Argwohn und Überdruss. 2012 wurde „Bio“ in der Schweiz zum Unwort des Jahres gekürt, wegen „inflationärem und oft missbräuchlichem Gebrauch des Begriffs“, wie die mehrheitlich aus Journalisten bestehende Jury erklärte.
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Viel beigetragen zum Misstrauen haben die pittoresken Bilder, mit denen die Realitäten des Biolandbaus oft nicht korrekt wiedergegeben werden. Im Bauerngarten pickende Biohühner sind die absolute Ausnahme, der grösste Teil der Bioeier wird in Ställen mit 2000 Hühnern produziert. Bioeier die im Ostereierstil im Obstgarten zusammengesucht werden müssten wären so teuer, dass sie kaum mehr absetzbar wären im Detailhandel. Hier unterliegt der Biolandbau, das muss gerechterweise gesagt sein aber auch gewissen Sachzwängen. Wenn schon die konventionelle Landwirtschaft in der PR mit Bauernhofromantik agiert, die klar zu idyllisch ausfällt, ist man gezwungen quasi proportional zu idealisieren in der Öffentlichkeitsarbeit, um den Mehrpreis noch rechtfertigen zu können.
- Zum Schluss noch das naheliegendste, etwas abgedroschene klingende aber nichtsdestotrotz so lange wie es den Menschen noch gibt gültige Argument: Biolandbau ist eine Erfolgsgeschichte, er wächst ungeachtet der Probleme ungebrochen, das weckt – wenn auch vielleicht nur unterbewusst – Neid, zumindest in einer Branche, die derart unter Schrumpfdruck steht wie die Printmedien. Deshalb ist jeder negative Artikel nicht nur Ansporn zum Fehler korrigieren, sondern auch eine kleine Auszeichnung für die Szene.