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Bio im Glashaus und Medien unter Schrumpfdruck

April 7, 2014

Alles bio oder wasOk, man ist natürlich jetzt ein bisschen sensibilisiert, als mitbeteiligter Lohnempfänger in der Biobranche. Doch das soll kein Hinderungsgrund sein, die Lust am Biobashing zu thematisieren. Publikumsmedien, einige stärker als andere, scheinen zuweilen ein geradezu biologisch bedingtes Verlangen zu verspüren, der ökologischen Landwirtschaft wieder mal die Leviten zu lesen. „Bio-Lüge“, „Bio-Bschiss“ und „Bio-Illusion“ sind nur ein paar der Wortschöpfungen aus den letzten Jahren.

LotterieJüngste Beispiele sind Artikel im „Spiegel“ und im Konsumentenmagazin „Saldo“. Ersterer zog unter dem rezyklierten Titel „Alles Bio – oder was?“ gegen einen angeblichen Bioeierskandal zu Felde, der sich dann allerdings samt der Onlineversion des Berichts in Luft auflöste. Die von „Saldo“ monierte „Lotterie beim Bio-Einkauf“ thematisiert ein altes aber durch ein komplexes Ausnahmeregelungssystem wasserdicht geregeltes Problem des biologischen Anbaus, nämlich den partiellen Mangel an Biosaatgut, der durch konventionelle Ware gedeckt werden muss. Das ist sicher kein Ruhmesblatt für den Biolandbau, aber man arbeitet daran, und die Alternative wäre ja dann einfach, dass stattdessen mehr Waren in konventioneller Produktion angebaut und Bioprodukte dadurch knapper und noch teurer würden, und das wäre dann wohl auch wieder nicht ganz im Sinne der Konsumentenschützer.

Mythos BioAber hier soll es jetzt gar nicht darum gehen, den Journalisten die Biokutteln zu putzen, bin ja selber einer und es interessiert mich mehr, was sie denn im Hafer sticht, ab und zu einen Säbel in den Biokartoffelsack zu stossen (wobei man auch nicht vergessen darf, dass deutlich öfter positiv als negativ über Biolandbau berichtet wird). Ich sehe folgende Hauptgründe:

  1. Der Biolandbau sitzt im teilweise selbst erbauten Glashaus. Die Bioszene hat sich sehr lange sehr explizit abgegrenzt vom konventionellen Landbau und hat dabei nicht zu knapp mit dem Gut-Böse-Weltbild operiert. Obwohl das natürlich aus ökologischer Sicht keineswegs falsch ist, provoziert das. Wenn dann diesen Gerechten, manchmal auch Selbstgerechten ein Bock unterläuft, wird das genüsslich ausgeschlachtet.
  2. Mittlerweile hat der Biolandbau die alternative Pionierzeit hinter sich gelassen und ist im Mainstream angelangt, zumindest gesellschaftlich (im Landwirtschaftsbereich ist er in der Schweiz und erst recht weltweit mit Anteilen von 10 beziehungsweise nur gut einem Prozent an der Fläche immer noch eher marginal entwickelt). Und wer im Mainstream obenauf schwimmt, der weckt gerne auch Misstrauen, Argwohn und Überdruss. 2012 wurde „Bio“ in der Schweiz zum Unwort des Jahres gekürt, wegen „inflationärem und oft missbräuchlichem Gebrauch des Begriffs“, wie die mehrheitlich aus Journalisten bestehende Jury erklärte.
  3. Viel beigetragen zum Misstrauen haben die pittoresken Bilder, mit denen die Realitäten des Biolandbaus oft nicht korrekt wiedergegeben werden. Im Bauerngarten pickende Biohühner sind die absolute Ausnahme, der grösste Teil der Bioeier wird in Ställen mit 2000 Hühnern produziert. Bioeier die im Ostereierstil im Obstgarten zusammengesucht werden müssten wären so teuer, dass sie kaum mehr absetzbar wären im Detailhandel. Hier unterliegt der Biolandbau, das muss gerechterweise gesagt sein aber auch gewissen Sachzwängen. Wenn schon die konventionelle Landwirtschaft in der PR mit Bauernhofromantik agiert, die klar zu idyllisch ausfällt, ist man gezwungen quasi proportional zu idealisieren in der Öffentlichkeitsarbeit, um den Mehrpreis noch rechtfertigen zu können.
  4. Zum Schluss noch das naheliegendste, etwas abgedroschene klingende aber nichtsdestotrotz so lange wie es den Menschen noch gibt gültige Argument: Biolandbau ist eine Erfolgsgeschichte, er wächst ungeachtet der Probleme ungebrochen, das weckt – wenn auch vielleicht nur unterbewusst – Neid, zumindest in einer Branche, die derart unter Schrumpfdruck steht wie die Printmedien. Deshalb ist jeder negative Artikel nicht nur Ansporn zum Fehler korrigieren, sondern auch eine kleine Auszeichnung für die Szene.

CMS und andere dynamische Fragen für Bio

Oktober 13, 2013

BabybreiVor Wochenfrist ist wieder einmal ein kleinerer Landwirtschaftsskandal ausgebrochen. Er betraf diesmal die Bioszene, der ich ja seit einiger Zeit nun auch angehöre. Die ZDF-Sendung Wiso, eine Art deutscher „Kassensturz“ hat aufgedeckt, dass im Bio-Babybrei von Demeter und Hipp Broccoli aus CMS-Züchtung verwendet wurden.

Diese Cytoplasmatische Männliche Sterilität ist ein natürlich vorkommendes Phänomen, das Züchtern und Produzenten hilft, Aussehen und Gleichförmigkeit von Gemüse zu verbessern. Nur wenige Pflanzen wie zum Beispiel die Sonnenblume haben diese Gabe von der Natur erhalten. Einigen anderen wird nachgeholfen, vor allem Kohlgewächse. Bei der Zucht wird nur an der Zelle, nicht aber im Kern manipuliert. Deshalb ist CMS ein Gentech-Grenzgängerin. Die Bioverordnungen in der EU lassen sie trotz Gentech-Verbot zu. Gewisse Produzenten-Verbände haben CMS aber verboten, darunter auch Demeter weltweit, (was die Funde im Brei erst zum Aufreger werden liess), während etwa Bio Suisse die Technologie zulässt.

Dort begründet man die Haltung mit der mangelnden Verfügbarkeit von CMS-freiem Saat-und Setzgut. Dieses Problem scheinen trotz Verbot auch die Demeter-Produzenten zu haben, wie das Exempel zeigt. Deshalb könnte man die Wiso-Recherche vermutlich mit ähnlichen Resultaten in der Schweiz durchführen, hoffen wir, dass niemand auf die Idee kommt.

Wobei, vielleicht wäre das gar kein so grosses Drama. Denn der Biolandbau muss sich mit Verfahren wie CMS intensiv auseinandersetzen. Er muss sich stetig modernisieren, um seinen hoffentlich steigenden Anteil an der Ernährung der steigenden Weltbevölkerung zu leisten, da gehe ich mit meinem Chef einig. Heute ist es so, dass Biobetriebe in vielen Bereichen auf dieselbe Faktorinputs angewiesen sind, wie ihre konventionellen Pendants. In den grossen Gemüsegärten wachsen die gleichen Sorten, auf den Weiden grasen die gleichen Rassen und bei der Verarbeitung werden die gleichen Methoden verwendet; man denke etwa an die UHT-Milch, deren Einführung zu einigem Aufruhr sorgte und namentlich bei vielen Bio-Pionieren die Milch sauer werden liess.

Dass es für kompetitive Biobetriebe keine Alternative zu konventionellen Inputs gibt hat einerseits damit zu tun, dass der Biokuchen noch zu klein ist, um seine eigenen Zutaten zu produzieren, so dass sie zu vernünftigen Preisen Praxisreife erlangen. Von den weltweit eingesetzten Forschungsgeldern geht nur ein Miniatur-Tränchchen in diejenige für besonders nachhaltige oder umweltschonende Methoden, es sei denn dort, wo sich eines der Agrochemie-Grossunternehmen einen saftigen Gewinn verspricht, was dann allerdings gleich wieder die Nachhaltigkeit in Frage stellt.

Andererseits ist der Anteil an Konsumenten, die Bioware so konsumieren, wie sie die Pioniere am liebsten liefern würden (Rohmilch, Fleisch vom Suppenhuhn, Gemüse ohne schönes Exterieur aber chüschtig), sehr beschränkt. Wohl oder übel muss Bio die ästhetischen Ansprüche des konventionellen Marktes erfüllen, um das Kundensegment auszubauen.

Ich will jetzt hier nicht den bedingungslos Technikgläubigen markieren. Meine Skepsis gegen Gentechnologie ist gross und ich finde es begrüssenswert, wenn Demeter als „verschärftes“ Biolabel für noch bewusstere Konsumenten grenzwertige Verfahren ausschliesst. CMS zeigt aber auf, dass das ganze eine Gratwanderung ist. Man sollte den Kopf nur zum Fenster rausstrecken, wenn man garantiert auf der sicheren Seite ist, sonst ist der drohende Imageschaden grösser, als der Gewinn, der durch ein Verbot einer Technologie resultiert, für die noch keine ausreichenden Bio-Alternativen bestehen. Ihr Vorhandensein alleine reicht nicht, sie müssen auch flächendeckend angewandt werden.

Frau Professors Schuss in den BiOfen

Februar 27, 2012

Man ahnte schon nichts gutes, als die „NZZ am Sonntag“ in der Samstagsausgabe des Mutterblattes grossbuchstabig von der grossen Bio-Illusion warnte. Auf der Frontseite der Zeitung ging es am Sonntag dann noch drastischer zu und her: Dort war die Rede von der Bio-Lüge, all das ohne Anführungszeichen. Etwas weiter hinten im Blatt tönts dann etwas moderater. „Pardon, das ist verrückt„, heisst hier der Titel über einem Interview mit Nina Fedoroff. Die reich dekorierte Professorin an der Penn State University ist heuer Präsidentin der AAAS, der weltgrössten akademischen Vereinigung. Deshalb hat ihr Wort einiges Gewicht. Im Interview holt Fedoroff zum Rundumschlag gegen den Biolandbau aus. Die Produkte seien nicht nur nicht besser, sondern das System auch ineffizient und letztlich gefährlich, da es Lebensmittelvergiftungen zu Gevatter stehe. Ihre Vorwürfe untermalt sie mit Sprüchen im Stil von: „Wenn Sie einen Sack Dünger kaufen, müssen Sie kein Land freihalten, auf dem Sie Futter für Tiere produzieren“. Wäre die gute Frau Ökonomin, könnte man ihre Ignoranz gegenüber geschlossenen Kreisläufen und deren ökologischer und ökonomischer Vorteile ja locker verzeihen. Aber Fedoroff ist Pflanzenbiologin und offenbar eine der renommiertesten grünen Gentechnologinnen. Dabei scheint ihr bei der Forschungsarbeit genau das passiert zu sein, was sie den Konsumenten von Bioprodukten vorwirft, nämlich dass sie der Marketingindustrie auf den Leim gekrochen sind. Fedoroff ist derart einseitig von den Vorteilen der Pflanzen-Biotechnologie überzeugt, dass es ihr den Blick auf die Realitäten trübt. Nicht, dass ich die Bio-Landwirtschaft als Heilsbringerin für die weltweiten Ernährungsprobleme betrachten würde, aber ebenso unrealistisch ist die Position, dass dank Pflanzen-Gentechnologie die Ernährungssituation a priori besser wird. Bisher ist diese in erster Linie eine Cashcow für eine Handvoll Grosskonzerne, die leider auch einen Grossteil der entsprechenden Forschung – auch an den Universitäten – finanzieren, was dann derartige pauschale Abrechnungen zur Folge hat. Das habe ich schon im Agronomiestudium erlebt, als die ersten von der Basler Chemie gesponserten Biotechnologen angestellt wurden. Ich bin für Meinungsfreiheit. Aber dass die Kollegen der „NZZ am Sonntag“ dieser Polemikerin eine derartige Plattform bieten, ohne dass irgendjemand Gelegenheit erhält, die Vorwürfe mit Argumenten zu parieren, dünkt mich handwerklich nicht grad besonders organisch. Ich hoffe, dass man sich in Bio-Kreisen diesen Schuss in den BiOfen nicht unwidersprochen bieten lässt.