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CMS und andere dynamische Fragen für Bio

Oktober 13, 2013

BabybreiVor Wochenfrist ist wieder einmal ein kleinerer Landwirtschaftsskandal ausgebrochen. Er betraf diesmal die Bioszene, der ich ja seit einiger Zeit nun auch angehöre. Die ZDF-Sendung Wiso, eine Art deutscher „Kassensturz“ hat aufgedeckt, dass im Bio-Babybrei von Demeter und Hipp Broccoli aus CMS-Züchtung verwendet wurden.

Diese Cytoplasmatische Männliche Sterilität ist ein natürlich vorkommendes Phänomen, das Züchtern und Produzenten hilft, Aussehen und Gleichförmigkeit von Gemüse zu verbessern. Nur wenige Pflanzen wie zum Beispiel die Sonnenblume haben diese Gabe von der Natur erhalten. Einigen anderen wird nachgeholfen, vor allem Kohlgewächse. Bei der Zucht wird nur an der Zelle, nicht aber im Kern manipuliert. Deshalb ist CMS ein Gentech-Grenzgängerin. Die Bioverordnungen in der EU lassen sie trotz Gentech-Verbot zu. Gewisse Produzenten-Verbände haben CMS aber verboten, darunter auch Demeter weltweit, (was die Funde im Brei erst zum Aufreger werden liess), während etwa Bio Suisse die Technologie zulässt.

Dort begründet man die Haltung mit der mangelnden Verfügbarkeit von CMS-freiem Saat-und Setzgut. Dieses Problem scheinen trotz Verbot auch die Demeter-Produzenten zu haben, wie das Exempel zeigt. Deshalb könnte man die Wiso-Recherche vermutlich mit ähnlichen Resultaten in der Schweiz durchführen, hoffen wir, dass niemand auf die Idee kommt.

Wobei, vielleicht wäre das gar kein so grosses Drama. Denn der Biolandbau muss sich mit Verfahren wie CMS intensiv auseinandersetzen. Er muss sich stetig modernisieren, um seinen hoffentlich steigenden Anteil an der Ernährung der steigenden Weltbevölkerung zu leisten, da gehe ich mit meinem Chef einig. Heute ist es so, dass Biobetriebe in vielen Bereichen auf dieselbe Faktorinputs angewiesen sind, wie ihre konventionellen Pendants. In den grossen Gemüsegärten wachsen die gleichen Sorten, auf den Weiden grasen die gleichen Rassen und bei der Verarbeitung werden die gleichen Methoden verwendet; man denke etwa an die UHT-Milch, deren Einführung zu einigem Aufruhr sorgte und namentlich bei vielen Bio-Pionieren die Milch sauer werden liess.

Dass es für kompetitive Biobetriebe keine Alternative zu konventionellen Inputs gibt hat einerseits damit zu tun, dass der Biokuchen noch zu klein ist, um seine eigenen Zutaten zu produzieren, so dass sie zu vernünftigen Preisen Praxisreife erlangen. Von den weltweit eingesetzten Forschungsgeldern geht nur ein Miniatur-Tränchchen in diejenige für besonders nachhaltige oder umweltschonende Methoden, es sei denn dort, wo sich eines der Agrochemie-Grossunternehmen einen saftigen Gewinn verspricht, was dann allerdings gleich wieder die Nachhaltigkeit in Frage stellt.

Andererseits ist der Anteil an Konsumenten, die Bioware so konsumieren, wie sie die Pioniere am liebsten liefern würden (Rohmilch, Fleisch vom Suppenhuhn, Gemüse ohne schönes Exterieur aber chüschtig), sehr beschränkt. Wohl oder übel muss Bio die ästhetischen Ansprüche des konventionellen Marktes erfüllen, um das Kundensegment auszubauen.

Ich will jetzt hier nicht den bedingungslos Technikgläubigen markieren. Meine Skepsis gegen Gentechnologie ist gross und ich finde es begrüssenswert, wenn Demeter als „verschärftes“ Biolabel für noch bewusstere Konsumenten grenzwertige Verfahren ausschliesst. CMS zeigt aber auf, dass das ganze eine Gratwanderung ist. Man sollte den Kopf nur zum Fenster rausstrecken, wenn man garantiert auf der sicheren Seite ist, sonst ist der drohende Imageschaden grösser, als der Gewinn, der durch ein Verbot einer Technologie resultiert, für die noch keine ausreichenden Bio-Alternativen bestehen. Ihr Vorhandensein alleine reicht nicht, sie müssen auch flächendeckend angewandt werden.