Posts Tagged ‘Emmentaler’

Aktenzeichen Verpackungsproblem, ungelöst

Juli 27, 2015

EmmentalerEs ist schon fast ein Ritual, jedes Semester geht’s mit dem Emmentaler AOP weiter bergab. Just dieser Tage sind wieder einmal die Halbjahres-Exportzahlen publiziert worden. Diesmal waren es gut 10 Prozent.

Ich weiss, es ist verdammt schwierig, den von wegen Eurokurs noch teurer gewordenen Käse auf den gesättigten ausländischen Märkten abzusetzen. Trotzdem müsste man sich gerade beim guten alten Schlachtross des Käseexports dringend einmal grundlegend Gedanken machen, was die Verpackung angeht.

Neulich in Kanada hat der Emmentaler so ausgesehen. Hand aufs Herz, würden Sie angesichts dieses Vakuum-verunstalteten Knautschkäses zugreifen wollen? Und sieht man auf der Verpackung irgendwas von Rohmilch, gewerblicher Verarbeitung, Identitäts-erzeugendem Schmuck? Fehlanzeige. Kein Wunder muss er mittels Aktion verschleudert werden.

Soll niemand sagen, dass es keine Alternativen gibt, einen Gorgonzola oder einen Brie, beides deutlich vergänglichere Produkte, verkauft man schliesslich auch nicht im Vakuum. Wie wäre es denn mit einer Plastik-Modelbox mit stabilen Wänden und einer schmucken Etikette, zum Beispiel mit einer Landschaftsszene aus dem landschaftlich weiss Gott nicht so üblen Emmental? Phantasie ist gefragt, meine Damen und Herren von Switzerland Cheese Marketing. Das Bild ist übrigens kein Einzelfall, auf jeder Auslandreise muss man sich solche Bilder ansehen. Tut richtig weh.

Käse: Gelbe Linie durch die Weisse Rechnung

Juli 25, 2014

mix_brands_0015Eher selektiv präsentiert die Marketingagentur Switzerland Cheese in einer Medienmitteilung ihre Halbjahreszahlen: „Wertmässige Steigerung der Exporte von Schweizer Käse“ hiess es da. Der Titel verschweigt aber, dass die Exporte im ersten Halbjahr 2014 um gut 5 Prozent gesunken sind und dass die Wertsteigerung lediglich erhöhten Preisen zu verdanken war, die dann auf die Exporte drückten. Es sei einer Vermarktungsorganisation, die im Namen der Branche Marketinggelder des Bundes und eigene Mittel verteilt, nicht verwehrt, schönzufärben. Aber in diesem Fall wäre es vermutlich eher angezeigt, reinen Wein einzuschenken.

Das hiesse klar aufzuzeigen, was Sache ist und welche Strategien ergriffen werden sollten, um Gegensteuer zu geben. Die Fakten sprechen für sich: Der seit Jahren anhaltende Sinkflug des nach wie vor grössten Umsatzträgers Emmentaler ist brutal weitergegangen (-18,2% gegenüber der Vorjahresperiode) und die bisher fast stetig wachsenden anderen Spezialitäten wie Gruyère (-1,6%), Appenzeller (-1,5%),, Tête de Moine (-3,4%), Tilsiter (-13,1%) und Vacherin Mont d’or (-51,6%(!)) haben die Wachstumsgrenze erreicht oder überschritten, vom Sbrinz gar nicht zu reden (-12,5%). Ein schlechtes Zeichen ist auch, dass der sogenannte Switzerland Swiss, eine billige Emmentalerkopie ebenfalls nicht vom Fleck kommt (-0,7%), nachdem er letztes Jahr noch um 200% zugelegt hatte. Das zeigt, dass die Selbstkannibalisierung keine brauchbare Strategie ist.

Was heisst das unter dem Strich? Alles, worauf die Schweiz stolz war im Käseexport steckt in der Krise oder hat zumindest die Grippe. Gleichzeitig haben die Importe wert- und mengenmässig wie immer in den letzten Jahren zugelegt und zwar um 2,6%, am deutlichsten war die Zunahme interessanterweise bei den Hartkäsen, also unseren Topprodukten, die im Inlandabsatz auch eher zaghaft wachsen oder gar weiter schrumpfen.

Die ganze Situtation wird sich aufgrund der Aufhebung der Milchkontingente im nächsten Jahr in der EU vermutlich noch verschärfen. In der bäuerlichen Presse befürchtet man bereits eine Milchschwemme. Die Milch wird bei der zu erwartenden Überproduktion billiger, was nach Adam Riese garantiert auf die Produktepreise durchschlagen wird, was die Importkäse preislich für die Importeure noch interessanter und den Export noch tückischer macht.

Gleichzeitig liebäugelt der Bund mit Support der üblichen Souffleure mit einer Freihandelsstrategie bei der sogenannten Weissen Linie, also Frischmilchprodukte. In einem Kampf der Studien schlagen sich Befürworter und Gegner einer Marktöffnung die Zahlen um die Ohren. Zugunsten einer Liberalisierung wird gerne das Beispiel Käse angeführt, wo der Freihandel zu den eben aufgezählten Auswirkungen geführt hat. Ich sehe aus den Erfahrungen mit der „Gelben Linie“ aber keinerlei positive Argumente in Richtung isolierter Marktöffnung erwachsen. Es bräuchte, wenn schon offene Grenzen für sämtliche Branchen, habe mir da schon öfter die Finger schusselig geschrieben. Solange Importeure von landwirtschaftlichem Gerät bis Medikamenten die höhere Schweizer Zahlkraft schamlos abschöpfen dürfen, ist es nicht sauber, die Bauern samt der nachgelagerten Sektoren in den Marktsturm zu stellen. Dass man das dann mit staatlichen Ausgleichszahlungen kompensieren muss ist ja irgendwie auch nicht das Gelbe vom Ei, wenn man von genau dieser Subventionspolitik eigentlich weg kommen möchte.

Item, ich melde mich mal für ein paar Wochen ab und werde möglichst viel Hartkäse essen, promise.

 

Emmentaler: Verzögerungstaktik & Nebelpetarde

Dezember 29, 2012

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Mir als Halb- und Heimwehemmentaler lag das Schicksal des dort beheimateten Grosslochkäses schon immer am Herzen. Deshalb schmerzt es in ausländischen Super- und anderen Lebensmittelmärkten immer wieder leicht auf der Brust des Käsepatrioten. Entweder finden sich dort zu junger und übel zusammenvakuumierter Schweizer Emmentaler oder jede Menge Imitate des Originals. Dieser Tage gab es Anschauungsunterricht im Tirol, wo einer dieser Märkte rund ein halbes Dutzend solcher Kopien österreichischer Herkunft anbot (siehe Bilder). Das erinnert mich immer wieder daran, wie sorglos man es in der Schweiz vergeigt hat, den Emmentaler rechtzeitig ursprungstechnisch und markenrechtlich zu schützen. Wie stark der Name des Produkts ist, beweist ja gerade die Flut der Imitate.
Item, dieser Zug ist längst abgefahren, was bleibt ist der Fokus auf den inländischen Markt. Das Bild, das sich dort bietet ist allerdings eher noch erbärmlicher, als dasjenige im ausländischen Supermarkt. Ich will jetzt hier nicht noch einmal die altbekannten Fakten auftischen. Natürlich wurde der Emmentaler in Unionszeiten missbraucht als Mengenventil und eine Strukturbereinigung war unerlässlich. Das ist aber noch lange kein Grund, ihn jetzt komplett in den Boden zu fahren. Kürzlich hat sich die leider seit Anbeginn zerstrittene und zu wenig entschlossen geführte Sortenorganisation endlich einen Ruck gegeben und grossmehrheitlich beschlossen, beim Bundesrat Allgemeinverbindlichkeit für eine dringend notwendige Mengensteuerung zu beantragen. Der zuständige Agrarminister Schneider-Amman übt sich seither im Lavieren. Die jüngst ins Leben gerufene Task-Force Emmentaler ist ein für ihn typischer Weg, das Fällen eines Entscheids zu verschleppen. Zu dieser Verzögerungstaktik dürften zwei Gruppierungen massgeblich beigetragen haben. Da wäre erstens die Economiesuisse, die sich aus wettbeweblicher Sicht gegen Allgemeinverbindlichkeit ausgesprochen hat. Diese Stallorder scheint den Bundesrat zu beeindrucken, aber wenn seine Vorgänger ebenso folgsam auf diese falschen Freunde der Landwirtschaft gehört hätten, stünde der Bauernstand deutlich schlechter da, als es heute der Fall ist, darauf wette ich ein schönes Kälbli. Dass man Geld nicht auf einem Käseplättli servieren kann, wird man bei der Economiesuisse erst merken, wenn dereinst das letzte Dorf seine letzte Emmentalerkäserei verloren hat.
Die zweite Bremserfraktion stammt aus der Branche selber. Die Handelsfirmen Lustenberger & Dürst (L&D) und Bürki sowie ein paar ihnen zuliefernde Emmentalerkäser bekämpfen die Allgemeinverbindlichkeit ebenfalls. Das Motiv der ehemaligen Mitglieder der Käseunion: weil sie im Moment über ein ausgewogenes Verhältnis von Produktion und Absatz verfügen, fürchten sie die Mengenbeschränkung. Das mag auf den ersten Blick nachvollziebar sein, zeugt aber von mangelndem Weitblick und Solidarität. Wie das (Erfolgs-)Beispiel Gruyère zeigt, kann nur eine stramme Mengenführung über die ganze produzierte Menge funktionieren. Wenn L&D-Geschäftsführer Gander jetzt davon ausgeht, dass ein fortgestzter Zusammenbruch der restlichen Emmentaler-Branche seine vertikal integrierte Wertschöpfungskette „in der alle von der Kuh bis zum Verkaufspunkt weltweit eine Allianz bilden und am gleichen Strick ziehen“ mittel- bis längerfristig nicht tangieren wird, dann ist das ein frommer Wunsch. Recht hat Gander dort, wo er strengere Produktionsbedingungen im AOC-Pflichtenheft fordert. Dass er dies nun aber mit der Mengenbeschränkung in Zusammenhang bringt, ist eine Nebelpetarde, mit der er die wahren Absichten zu verschleiern sucht.
Unter dem Strich bleibt für den zögerlichen Bundesrat aus dem Bernbiet nur ein Entscheid, um zu retten, was zu retten ist: Allgemeinverbindlichkeit beschliessen ohne mit Palaver Zeit zu verlieren. Anschliessend kann die Branche zeigen, dass sie mit dem Steilpass etwas anzufangen weiss, inklusive traumhaft schönem Abschluss mit Gander und Bürki in der Sturmspitze zum Beispiel.

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Der Emmentaler in gotthelfscher Milch-Sackgasse

September 12, 2012

Der Emmentaler ist – das ist keine Neuigkeit und stand hier schon öfters einmal zu lesen – ein Sorgenkind. Die Entwicklungen der letzten paar Jahre kurz zusammengefasst: Seit in den neunziger Jahren die Käseunion zerlegt worden ist, hat die Produktionsmenge, die einst gut 50000 Tonnen betrug um mehr als die Hälfte abgenommen. Die Zahl der Käsereien lag damals bei über 300, heute sind noch gut 100 Betriebe übrig geblieben. Der Milchpreis, der zu Beginn der 90er-Jahre einheitlich Fr. 1.07 betrug ist auf rund 50 Rappen abgestürzt. Obwohl die Emmentaler-Bauern silofreie Milch für einen Rohmilchkäse und damit das identische Produkt, wie die Gruyère-Bauern produzieren erhalten letztere 60 Prozent mehr für ihr Produkt.
Derzeit tobt branchenintern eine Auseinandersetzung um die Wiedereinführung einer zentralen Mengensteuerung. Davon erhofft sich die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland einen Anstieg des Preises um rund einen Franken auf Fr. 6.50 franko Käserei. Angestrebt wird nun eine vom Bund zu verordnende Allgemeinverbindlichkeit. Argument: Der Preiszerfall kann nur aufgehalten werden, wenn die Produktion auf die Nachfrage abgestimmt wird. Leuchtet ein.
Dagegen wehren sich einige wenige Händler, sekundiert von den mit ihren vertraglich gebundenen Käsern, die durch die Neuregelung Einbussen befürchten. Lieber bei abstürzendem Preis volle Kanne produzieren, als durch Einschränkungen Volumen verlieren, lautet die Rechnung. Das leuchtet auf den ersten Blick ebenfalls ein, zeugt aber von wenig Weitblick und Solidarität, namentlich von Seiten der Käser und ihren Bauern. Denn die Händler profitieren durchaus von den horrend tiefen Einkaufspreisen, man denke an die Ladenpreise, die sich im Bereich zwischen 15 und 20 Franken pro Kilo bewegen.
Die ganze Situation erinnert erstens an den Industriemilchmarkt der Gegenwart, wo das genau gleiche Trauerspiel abläuft. Anstrengungen für eine zentrale Mengensteuerung durch die Produzenten wurden sabotiert und mit Unterstützung ihrer Produzenten überschwemmen relativ wenige Mengenbolzer unter den Händlern den Markt, was zu erodierenden Preisen führt. Diese sind zum Teil unter 50 Rappen pro Kilo gesunken. Es sollen hier jetzt nicht die Händler als Alleinschuldige an den Pranger gestellt werden. Sie können nur agieren, wie sie agieren, weil sie in den Milchproduzenten (und Käsern) willige und abhängige Erfüllungsgehilfen haben, produziert doch kein einziger Händler ein einziges Kilo Milch oder Käse.
Trotzdem erinnert die Situation zweitens an diejenige, die schon Gotthelf selig in seiner „Käserei in der Vehfreude“ beschrieben hat. Gotthelf schildert in seinem Buch die Entwicklung in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts, als die bis anhing auf die Alpen beschränkte Käseproduktion von der Alp ins Tal erweitert wurde. „Wie üblich im Bernbiet, wo man ehedem nicht auf jede neue Rarheit versessen war, betrachtete man anfangs die Sache mit großem Mißtrauen, es fand sich wenig Nachahmung“, schreibt Albert Bitzius. Namentlich die Händler rümpften die Nasen: Sie „gaben zu, daß die Dinger aussähen wie Käs, seien aber doch nicht Käs, könnten nicht in den eigentlichen Handel gebracht werden, wolle man nicht Ruf und Kredit der Emmentaler Käse gefährden in alle Ewigkeit hinaus“. Diese Ablehnung der neuen Produktionsweise geschah aber nicht ohne Hintergedanken, wie Gotthelf ausführt: „Indessen, die Käshändler sind sozusagen auch Menschen und dazu eben nicht dumm. Sie meinten nicht, daß man das, was man aushöhne, als könnte man Misthaufen und Jauchelöcher vergiften damit, ja selbst junge Zürcher unter zwanzig Jahren, ganz von der Hand weisen müsse, wenn irgendwie Vorteil daraus zu ziehen sei.“ Besonders gut gefällt mir da natürlich der kleine Seitenhieb auf die Zürcher.
Aber darum geht es hier nicht, sondern um die Geschäftspraktiken der Händler, an denen in den letzten 200 Jahren offenbar wenig geändert hat, wie folgende Passage zeigt: „Die Käshändler machten nach und nach die Erfahrung, daß auch die feinsten Berliner und Petersburger Nasen den Unterschied zwischen Alpen- und Talkäs nicht merkten, daß der Käsereikäs ohne Kreditschwächung prächtig ins Ausland zu gebrauchen sei. Sie ließen es sich nicht merken, taten spröde, rümpften die Nase über solchen Käs wie siebenzehnjährige Mädchen über einen siebenzigjährigen hagern Hagestolz, aber sie taten doch immer mehr dr Gottswillen, das heißt sie kauften immer mehr solchen Käs so wohlfeil als möglich und suchten unter der Hand für die vermehrte Produktion größern, erweiterten Absatz.“ Und so weiter und so fort. Falls Sie, liebe Leserinnen und Leser nun Lust verspüren, den ganzen Text zu lesen, hier gibt es ihn. Viel Vergnügen. Kleine Ironie der Geschichte: Die Sortenorganisation lässt derzeit unter anderem einen Emmentaler im Gotthelf-Look produzieren (siehe Bild). Wenn das nur kein böses Omen ist… (Bild Emmentaler Switzerland)