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#CHFEUR: Die letzten beissen die eigenen Hunde

Januar 31, 2015

Emmi KäseEs sind ungemütliche Zeiten für die Schweizer Exportwirtschaft, die Euroabwertung (in den Sozialmedien verwendet man dafür als Hashtag kurz #CHFEUR) macht den Weg für die ohnehin hochpreisigen Schweizer Produkte ins Ausland um 20 Prozent steiniger.

Ganz besonders betroffen ist die Käsebranche, rund ein Fünftel der Schweizer Milch wird in verkäster Form ausgeführt, einst als staatlich hochsubventioniertes Überschussventil (Stichwort Käseunion) und heute – mehr schlecht als recht mit den rasant steigenden Käseimporten mithaltend – als einziges essbares Exportprodukt aus Schweizer Zutaten.

Wichtigster Player in diesem Business ist wie im gesamten Milchmarkt mit Abstand die Emmi Gruppe. In dieser Funktion hat sie, das muss vorausgeschickt sein, einiges dazu beigetragen, dass die Milchproduktion im Land immer noch auf ähnlicher Höhe ist, wie zu Hochsubventionszeiten. Das Luzerner Unternehmen ist seit einigen Jahren auch an der Schweizer Börse SWX kotiert und hat sich dort zu einem kleinen Darling entwickelt. Nahrungsmittel sind „heiss“ und die Investoren auf allen Ebenen zunehmend interessiert, Landgrabbing und Nahrungsmittelspekulation lassen grüssen.

Emmi KursMit dem Entscheid der Nationalbank, die Eurostützung einzustellen, hat EMMN, wie das Luzerner Käsepapier an der Börse heisst, einen schmerzhaften Kurssturz in Kauf nehmen müssen. Wie fast alle Schweizer Unternehmen. Aber hier gibt’s handfeste Ursachen: Emmi ist trotz Expansion im Ausland immer noch stark vom Export abhängig und hier vor allem vom Käse. Dass dieser leiden wird ist so klar, wie das Quellwasser auf der Alpweide.

Ebenso klar ist, dass den Geldgebern nun hofiert werden muss. Vergangene Woche, gut 11 Monate vor Jahresabschluss hat Emmi diesen versichert, dass sich der Gewinn auch im laufenden Jahr im letztjährigen Rahmen liegen werde. Dies will man unter anderem mit einem tieferen Milchpreis finanzieren. An die Kasse kommen also im Dienste der Investoren die Milchproduzenten. Das erinnert verdächtig an die neunziger Jahre, als der Shareholder Value plötzlich zum Alltags(schimpf)wortsatz gehörte.

Emmi RückvergütungNun muss man wissen, dass ein Teil der Emmi-Milchlieferanten Miteigentümer an Emmi sind. Der Verband der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) ist mit einem Anteil von gut 54 Prozent Mehrheitsaktionär. Im neuesten Magazin ihres Verbands werden die Lieferanten schon mal schonend vorbereitet auf die Preissenkung ab 1. Februar. Diese beträgt vorläufig 2,6 Rappen pro Kilo für A-Milch. Das macht auf einem heute mittleren bis kleineren Betrieb mit einer Produktion von 150’000 Kilo pro Jahr 3900 Franken Einbusse. Wer nun meint, dass diese durch eine angemessene Beteiligung am von Emmi angestrebten ungeschmälerten Betriebserfolg kompensiert wird, sieht sich getäuscht. Die Gewinnbeteiligung der Produzenten für das letzte Geschäftsjahr ist noch nicht publiziert, aber man kann davon ausgehen, dass sie angesichts der Ausgangslage kaum erhöht wird. Im Vorjahr lag sie bei 1027 Franken pro Betrieb, wobei ein Teil in Emmi-Produkten und Rückbehalten für Produzentenfeste ausbezahlt wurde (siehe Ausriss aus dem Newsletter „Emmi Rückvergütung Erfolg“ 1/14.

Ob den Produzenten noch ums feiern zumute ist, ist sicher nicht die dümmste Frage. Gleichzeitig muss man nüchtern festhalten, dass die Bauern Investoren zweiter Klasse sind, weil sie unter dem Strich schlechter dastehen als diejenigen, die keine Kühe, Maschinen und Gebäude sondern nur Geld im Spiel haben. Damit sind sie auch in diesem Fall wieder einmal die letzten, die die (eigenen) Hunde beissen. Die Zeche zahlt letztlich Väterchen Staat: Bereits macht die Milchbranche aufgrund von #CHFEUR die hohle Hand. Da kommt einem ein anderes Standartbonmot aus der Hochzeit der Anti-Shareholder-Value-Bewegung in den Sinn: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. (Bild: Emmi)

 

 

Weltmeistertitel für einen schlecht Betreuten

März 23, 2014

Weltmeisteremmentaler Kopie

Diese Woche wurde der Emmentaler Weltmeister, nicht ein Schwinger oder ein Töfffahrer, s0ndern der beste Käse, den es eigentlich gibt, so man ihn den gedeihen lässt.

Zuerst einmal herzliche Gratulation an Gérard Sinnesberger aus Gams leicht östlich des Emmentals. Er holte sich mit seinem 100-Kilo-Laib die Goldmedaille am World Championship Cheese Contest im US-amerikanischen Wisconsin.

Das ist ziemlich bemerkenswert, standen doch über 2600 Käse aus aller Welt in der Auswahl. Für den Emmentaler per se gibt es allerdings wenig zu feiern. Der Preis hat sich zwar zuletzt dank allgemeinverbindlicher Mengensteuerung stabilisiert, aber nach wie vor leidet er unter struktureller Überproduktion, Käseunion lässt grüssen.

Dafür können die heute Verantwortlichen nicht viel, aber ein sonderlich brillantes Bild geben sie trotzdem nicht ab. Fangen wir mal an mit Emmentaler Switzerland: auf der Website der Sortenorganisation sucht man vergeblich nach dem kleinsten Anzeichen einer Erfolgsmeldung. Fehlt es da an Aufmerksamkeit oder Stolz oder beidem? Ein WM-Titel ist doch der ideale Steilpass für eine Marketingoffensive, man könnte Inserate schalten, in die Medien drängen, Social Media auf Hochtouren rattern lassen und so dem Vielgeschmähten virtuell die Rinde polieren.

EmmentalerFolepiFehlanzeige auch in den Läden, die Grossverteiler müssten jetzt den Drive ausnutzen und mal ein paar Käser aufbieten, die in den Läden promoten und zeigen, dass der weltmeisterliche Emmentaler ein aufwändig aus silofreier Rohmilch hergestetlles Handwerksprodukt und nicht industrielle Massenware ist. Genauso wird er nämlich vermarktet. Gestern in der Migros wurde man auf der Suche nach Beispielen sofort fündig: Aktion Emmentaler Surchoix („erste Wahl“) für sage und schreibe 14 statt 18 Franken das Kilo, das grenzt an Verschleuderung. Derweil kostet das importierte Industrieprodukt Fol Epi 23 Franken pro Kilo. Dieses profitiert vom Marketingpotenzial des Konzerns Bongrain, inklusive TV-Spots, auch in der Schweiz. Deshalb muss man hier auch den mit Abstand grössten Käsehändler Emmi in die Pflicht nehmen, der mit seiner Marke Kaltbach aus der selber gebauten Höhle lediglich ein Mikrosegment des Marktvolumens puscht und für die Vermarktung der Dachmarke kaum einen Finger rührt.

Insgesamt scheint niemand grosse Motivation für aktive Marktbearbeitung zu haben. Ein Hauptgrund für das geringe Interesse von Seiten Handel und Detailhandel ist, dass die Margen bei anderen einheimischen Spezialitäten und Importkäsen deutlich besser sind, als beim seit Jahren mit Tiefpreisen entwerteten Flaggschiff, derweil die Sortenorganisation wieder einmal hauptsächlich mit internen Führungs- und anderen Problemen beschäftigt scheint und dort gar niemand merkt, dass es etwas potenziell publikumsträchtiges zu feiern gäbe.

Reklametion: Emmis schwacher Testosteronschub

Mai 21, 2012

Emmi ist ein wichtiges Unternehmen für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft. Ohne die stabile Performance der Luzerner in den Jahren des planwirtschaftlichen Zusammenbruchs Ende des letzten Jahrtausends gäbe es wohl einige Tausend Milchproduzenten weniger im Land. Aber allzu hoch loben wollen wir jetzt den Marktleader auch nicht. Vieles was damals aquiriert wurde, hat Emmi zu einem Spottpreis erhalten, man denke etwa an die gut gelegene und gut eingerichtete Toni-Molkerei im bernischen Ostermundigen, wo immer noch die legendären Joghurts im Glas hergestellt werden. Das soll aber den Erfolgsausweis nicht gross schmälern, seit Jahren wird hier solide gewirtschaftet, neuerdings vor allem von früheren oder späteren Migrosmanagern. Etwas weniger gefällt mir die Entfremdung des Unternehmens vom Bauernstand. Wie ich dieser Tage der Fachpresse entnommen habe, sind 62 Prozent des Emmi-Aktienkapitals in bäuerlichem Besitz. Davon merkt man nicht immer gleichviel. In der seit Jahren andauernden Instabilität am Milchmarkt gelingt es den Zentralschweizern prächtig, hinter den Kulissen mit eisernem Griff die Preise zu diktieren und vordergründig den schuldlos Unbeteiligten zu markieren, der sich lediglich nach den Verhältnissen des Marktes richtet. Schön exerziert das auch Verwaltungsratspräsident Konrad Graber in einem Interview im jüngsten „Schweizer Bauer“ durch.  Ich will heute aber eigentlich etwas anderes thematisieren, nämlich die Emmi-Reklame. Davon sieht man eigentlich relativ wenig, zumindest in den Publikationen und auf den Plakatwänden, die mir zu Gesicht kommen. Mehr Effort zugunsten der Milchwirtschaft schiene mir durchaus möglich. Nun ist mir doch wieder einmal eine Kampagne zu Gesicht gekommen und ich finde sie schwach (siehe Bild oben). Milch „von Kühen die Chuck, Bruce und Arnie heissen“, verspricht die Affiche für die Energy-Milch. Was soll das? Milch stammt immer noch von Kühen mit weiblichen Namen und nicht von solchen, die nach Actionhelden benannt sind, wenn schon müssten es dann weibliche Heldinnen sein, die gibt es nämlich auch, siehe zB. Angie (Jolie) oder Sandy (Bullock). Es sei denn man wolle die Energy-Milk jetzt im Stile eines Red Bull als Testosteron-Elixier für halsbrecherische Stuntpiloten positionieren. Das ist eine andere Art von Entfremdung von der Milchproduktion in einer Kampagne, die weder aufgeht, noch originell ist, obschon sie verzweifelt versucht, das zu sein und sich dabei auf eher peinliche Art und Weise anbiedert beim jungen Publikum. Das gilt auch für das zweite Sujet (siehe unten). Dass dann noch ein umweltschädlicher Flug in einem Jet als Preis ausgeschrieben wird, passt in das trübe Bild. Es gäbe in der Landwirtschaft weiss Gott genügend Kicks im naturnahen Rahmen, die ein bisschen Propaganda aus der eigenen Küche gut gebrauchen könnten. Wenn ich Emmi-Lieferant wäre, würde mich jeder der wahrscheinlich nicht zu knapp geflossenen Rappen reuen, der für diesen schwachen Testosteronschub ausgegeben wurde.