Posts Tagged ‘Freihandel’

Käse: Gelbe Linie durch die Weisse Rechnung

Juli 25, 2014

mix_brands_0015Eher selektiv präsentiert die Marketingagentur Switzerland Cheese in einer Medienmitteilung ihre Halbjahreszahlen: „Wertmässige Steigerung der Exporte von Schweizer Käse“ hiess es da. Der Titel verschweigt aber, dass die Exporte im ersten Halbjahr 2014 um gut 5 Prozent gesunken sind und dass die Wertsteigerung lediglich erhöhten Preisen zu verdanken war, die dann auf die Exporte drückten. Es sei einer Vermarktungsorganisation, die im Namen der Branche Marketinggelder des Bundes und eigene Mittel verteilt, nicht verwehrt, schönzufärben. Aber in diesem Fall wäre es vermutlich eher angezeigt, reinen Wein einzuschenken.

Das hiesse klar aufzuzeigen, was Sache ist und welche Strategien ergriffen werden sollten, um Gegensteuer zu geben. Die Fakten sprechen für sich: Der seit Jahren anhaltende Sinkflug des nach wie vor grössten Umsatzträgers Emmentaler ist brutal weitergegangen (-18,2% gegenüber der Vorjahresperiode) und die bisher fast stetig wachsenden anderen Spezialitäten wie Gruyère (-1,6%), Appenzeller (-1,5%),, Tête de Moine (-3,4%), Tilsiter (-13,1%) und Vacherin Mont d’or (-51,6%(!)) haben die Wachstumsgrenze erreicht oder überschritten, vom Sbrinz gar nicht zu reden (-12,5%). Ein schlechtes Zeichen ist auch, dass der sogenannte Switzerland Swiss, eine billige Emmentalerkopie ebenfalls nicht vom Fleck kommt (-0,7%), nachdem er letztes Jahr noch um 200% zugelegt hatte. Das zeigt, dass die Selbstkannibalisierung keine brauchbare Strategie ist.

Was heisst das unter dem Strich? Alles, worauf die Schweiz stolz war im Käseexport steckt in der Krise oder hat zumindest die Grippe. Gleichzeitig haben die Importe wert- und mengenmässig wie immer in den letzten Jahren zugelegt und zwar um 2,6%, am deutlichsten war die Zunahme interessanterweise bei den Hartkäsen, also unseren Topprodukten, die im Inlandabsatz auch eher zaghaft wachsen oder gar weiter schrumpfen.

Die ganze Situtation wird sich aufgrund der Aufhebung der Milchkontingente im nächsten Jahr in der EU vermutlich noch verschärfen. In der bäuerlichen Presse befürchtet man bereits eine Milchschwemme. Die Milch wird bei der zu erwartenden Überproduktion billiger, was nach Adam Riese garantiert auf die Produktepreise durchschlagen wird, was die Importkäse preislich für die Importeure noch interessanter und den Export noch tückischer macht.

Gleichzeitig liebäugelt der Bund mit Support der üblichen Souffleure mit einer Freihandelsstrategie bei der sogenannten Weissen Linie, also Frischmilchprodukte. In einem Kampf der Studien schlagen sich Befürworter und Gegner einer Marktöffnung die Zahlen um die Ohren. Zugunsten einer Liberalisierung wird gerne das Beispiel Käse angeführt, wo der Freihandel zu den eben aufgezählten Auswirkungen geführt hat. Ich sehe aus den Erfahrungen mit der „Gelben Linie“ aber keinerlei positive Argumente in Richtung isolierter Marktöffnung erwachsen. Es bräuchte, wenn schon offene Grenzen für sämtliche Branchen, habe mir da schon öfter die Finger schusselig geschrieben. Solange Importeure von landwirtschaftlichem Gerät bis Medikamenten die höhere Schweizer Zahlkraft schamlos abschöpfen dürfen, ist es nicht sauber, die Bauern samt der nachgelagerten Sektoren in den Marktsturm zu stellen. Dass man das dann mit staatlichen Ausgleichszahlungen kompensieren muss ist ja irgendwie auch nicht das Gelbe vom Ei, wenn man von genau dieser Subventionspolitik eigentlich weg kommen möchte.

Item, ich melde mich mal für ein paar Wochen ab und werde möglichst viel Hartkäse essen, promise.

 

Die schonungslose Agraussensicht der Ökonomen

Oktober 17, 2013

OECD-Stützung totalEin aufmerksamer Kollege hat mir dieser Tage den neuesten Bericht zur Schweizer Landwirtschaft aus der Küche der OECD zugesteckt. Er heisst The Agri-food Situation and Policies in Switzerland. Das im September erschienene Papier hat weder Primeurcharakter noch hat es bei seiner Veröffentlichung vor einigen Wochen irgendwelche grösseren Wellen geschlagen, einmal abgesehen von einer kurzen Agenturmeldung.

Das dürfte damit zu tun haben, dass sich selbst die wirtschaftliberalsten Beobachter der Schweizer Agrarszene mittlerweile ins Schicksal gefügt haben, das da lautet: Die Schweiz leistet sich ungeachtet des Systemwechsels von der Stützung der Produktepreise zu den Direktzahlungen einen der fünf teuersten und ineffizientesten Primärsektoren der OECD-Welt. Das ist nichts Neues, und doch tut es ab und zu gut, einen Blick auf solche Berichte zu werfen. Sie liefern den schonunglosen Aussenblick aus ökonomischer Sicht.  Der Schweizer Agrarsektor sei die Achillesferse der Schweizer Wirtschaft, die Belastung der Staatskasse hoch, die wirtschaftliche Bedeutung ebenso gering wie die Arbeitsproduktivität und so weiter und so fort.

Ich empfehle dieses Papier einem jeden Freund und jeder Freundin der Schweizer Landwirtschaft zur Lektüre weil es hilft zu verstehen, wie die Mehrheit der Schweizer vermutlich denken wird, wenn die verwandtschaftlichen und mentalen Stadt-Landbande weiter abnehmen und die Urbanisierung im gleichen Mass wächst. Die Leserumfrage, welche das Onlineportal von „20 Minuten“ anlässlich der Präsentation der Zahlen gemacht hat (über 15’000 TeilnehmerInnen), ist ein erster kleiner Schuss vor den Bug: Eine klare Mehrheit von 54% der tendenziell jungen Leserschaft sagt auf die Frage „Finden Sie es richtig, dass die Schweizer Bauern so viele Subventionen erhalten?“: Nein.

Der Bericht ist überdies hoffentlich heilsame Medizin für all diejenigen, welche die umfangreiche Unterstützung durch Steuerzahler und Konsumentinnen mit an Selbstherrlichkeit grenzender Selbstsicherheit für alle Ewigkeit als garantiert selbstverständlich betrachten.

Freihandel: Downtown macht’s sich zu einfach

März 15, 2013

Jedi-Ritter in the AgrojungleDie „Handelszeitung“ hat diese Woche wieder einmal einen alten Klassiker reaktiviert: Landwirtschaftsbashing unter dem Titel „Wachstumsbremse Bauer“. Leider gibts von diesem Artikel online nur eine arg verkürzte Version. Und den Kauf am Kiosk kann ich auch nicht wirklich empfehlen, ist einfach etwas zu dünn die ganze Geschichte. Das Beste ist noch die Grafik auf der Front, wo Bauernpolitiker als uniformierte Muskelprotze (Jedi-Ritter? Private Sicherheitsleute?) posieren, darunter Markus Ritter, Res Aebi und Maya Graf.
Im Artikel wird den Bauern vorgeworfen, dass sie auf Kosten der übrigen Wirtschaft ihre Pfründen verteidigen. Das ist mit Verlaub wohl das Ziel einer jeden Interessengruppe in Wirtschaft und Politik, man denke nur an den kläglich gescheiterten Kampf von Economiesuisse gegen die Abzockerinititative, aber das nur nebenbei. Dass die Bauern hier besonders erfolgreich agieren ist altbekannt und wenn das kritisiert wird, steckt möglicherweise eher Neid als Sorge um wirtschaftliches Wohlergehen dahinter.
Aufgehängt ist die Geschichte am bäuerlichen Widerstand gegen Freihandelsabkommen aller Art. Sie beginnt ausgerechnet mit einer Episode vom Käsemarkt, wo Züger Frischkäse offenbar einen Auftrag in Südkorea verloren hat, da die EU mit dem Land neu ein Freihandelsabkommen ohne Agrarschranken unterhält. Ob es sinnvoll ist, Mozzarella nach Südkorea zu exportieren, muss Züger selber wissen. Käse ist aber das denkbar schlechteste Beispiel, um den Bauern Freihandelsphobie vorzuwerfen, unterhalten wir doch seit einigen Jahren ein solches Abkommen mit der EU in genau diesem Sektor, was der Leser des Artikels aber nicht erfährt, vermutlich hätte das die These tangiert.
Das Resultat des Abkommens ist bekannt. Die Schweiz wird geflutet mit ausländischem Billigkäse und die Exporte steigen in ebendiesem Segment, wo unterirdische Milchpreise bezahlt werden, während die traditionellen Sorten wie Emmentaler und Gruyère stagnieren. Soll mir einer sagen, warum man aufgrund dieser Erfahrungen aus bäuerlicher Sicht mit fliegenden Fahnen für Freihandel eintreten sollte. Zumal Handel und Industrie es ja nach wie vor vollkommen normal finden, dass importierte Produkte in der Schweiz aus reinen Profitgründen mehr kosten sollen, als im umliegenden Ausland, was bekanntlich nach wie vor auch für landwirtschaftliche Produktionsfaktoren gilt.
Item, der Artikel fährt dann fort mit einem Lamento über bäuerliche Widerstände gegen ein Freihandelsabkommen zum Beispiel mit China. Auch hier bin ich mir nicht sicher, ob sich die Landwirtschaft unkommentiert den Schwarzpeter zustecken lassen soll. Wenn ich mir vorstelle, wie die Reaktionen ausfallen, wenn nach dem Fallen der Importschranken der Kassensturz zum ersten Mal Bilder aus chinesischen Schweineställen aussendet, dann ist es vielleicht ganz gut, wenn die Hürden in diesem Bereich etwas höher sind.
Insgesamt macht es sich der Journalist der Handelszeitung zu einfach. Er präsentiert ein Amalgam aus den ewiggleichen klischierten Vorwürfen an die Landwirtschaft (Subventionsforderungen, Abwehrfront, Protektionismus, etcetc.) ohne dass er eineN einzigeN VerterterIn aus der Branche zu Worte kommen liesse. Dafür dürfen Industrievertreter hemmungslos jammern, ganz in Bauernmanier. Schade, dass soviel prominenter Platz im Blatt nicht besser genutzt wird. Denn eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Handelsfragen wäre durchaus wünschenswert, dann müsste man aber die Gesamtrechnung machen, eben beispielsweise unter Einbezug des Schweizer Kostenniveaus und der monetären Bewertung der Leistungen der hiesigen Landwirtschaft, auch vor dem Hintergrund von offenbar breit erwünschtem Landschaftsschutz und allerlei Lebensmittelskandalen.