Posts Tagged ‘Gewässerschutz’

Trügerisches Idyll: Baden als Mutprobe

April 24, 2013

Palicsee IdylleAuf meiner kürzlichen Reise nach Serbien und Rumänien bin ich auch Michell Rohmann begegnet. Er ist Hydrologe und für die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der nordserbischen Vojvodina tätig. Sein Arbeitsfeld ist ein See, genauer der Palićko jezero, wie er auf serbisch heisst. Der Job von Michell ist, diesen sauber zu kriegen. Dieses Unterfangen ist herkulisch, da er stark überdüngt sind und alljährlich von massivem Algenwachstum und am Ausfluss von mannshohen Schaumteppichen heimgesucht (siehe Bild mit Michell) wird.

Der Palićsee hat eine Fläche von etwa 6 Quadratkilometern ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Anwohner der Kleinstadt Palić und von Subotica, das acht Kilometer vom See entfernt liegt. Zudem ist die Gegend mit ihrer historischen Bausubstanz eine der grössten Perlen des serbischen Tourismusangebots.

PalicseeDer lediglich 3,5 Meter tiefe See ist aber auch die Abwasserentsorgungsanlage für die Städter. Bis 2009 flossen die Abwässer aus Subotica, das rund 150000 Einwohner hat ungeklärt in den See, Palić selber hat immer noch keine Kläranlage. Das führte mit dazu, dass es 2009 zu einem verheerenden Fischsterben kam, das auch international für Aufsehen sorgte. Ihren Beitrag an die Verschmutzung leistet auch die Landwirtschaft, deren Felder zum Teil bis direkt ans Seeufer reichen, wie nebenstehendes Bild zeigt. Im umfangreichen Massnahmenkatalog der GIZ sind denn auch die Einrichtung eines Schutzgürtels, die Weiterbildung der Bauern in der effizienten Anwendung von Düngemitteln und Pestiziden vorgesehen. 

Doch bis zu einer Verbesserung der Wasserqualität wird man sich noch länger gedulden müssen. „Das Baden im Palić See gilt heute eher als Mutprobe denn als Freizeitvergnügen und starke Algenblüten im Frühjahr und Sommer behindern die weitere touristische Entwicklung von See und Umfeld“, schreibt Michell in einem interessanten Bericht über seine „polytrophen Patienten“.

Michell mit SchaumWas mich frappiert hat an dieser Geschichte ist, dass nur einigen hundert Kilometer östlich Abwasserreinigung nach wie vor alles andere selbstverständlich ist. So lange ist es allerdings auch noch nicht her, dass wir hierzulande vor den gleichen Problemen standen. Unterdessen ist das Niveau bei uns sehr hoch, so hoch, dass Baden in den allermeisten Gewässern eben keine Risikosportart, sondern ein Vergnügen ist. Das ist weltweit im Binnengewässersektor ziemlich einzigartig. Nach wie vor müssen einige Seen belüftet werden und ab und zu ein paar Fische dran glauben, vor allem wegen Einträgen aus der Landwirtschaft.

Wichtigstes Element für ein Gelingen solcher Gewässersanierungen ist vermutlich das funktionierende politische System in dem die Bürger- und Badegesellschaft einen gehörigen Druck aufbauen kann. Am Palićsee ist eine Einigung über die richtigen Massnahmen weit entfernt. Hätte die EU nicht unterstützt, würde vermutlich noch heute keine Kläranlage stehen. Das Problem ist aber längst nicht gelöst. Heute diskutiert man erneut darüber, den See zu leeren und nährstoffhaltigen Schlamm auszubaggern, obwohl sich diese Massnahme schon bei der letzten Durchführung vor 40 Jahren als unnütz erwiesen hat, da die Einträge anschliessend nicht sofort reduziert wurden. Der Grund für die neuerliche Erwägung dieser Massnahme: Eine spektakuläre Aktion wie die Leerung des Sees und das Auffahren der Bagger lässt sich politisch bestens verkaufen. (Bilder Michell Rohmann)
Luftbild Palic- und Lubacsee      

 

Heidi hält den Mist im Zaum

November 26, 2012

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Heute hat mir Heidi wieder einmal interessante News zugehalten. „Bauern verschmutzen Trinkwasser“ lautet der Titel des „Sonntagszeitungs“-Artikels mit unerspriesslichem um nicht zu sagen übelriechendem Inhalt. Die Journalistin berichtet darin über weit verbreitete Missstände beim Gewässerschutz in der Landwirtschaft. Diese passen schlecht zum Selbstbild der Schweizer Landwirte, die nicht müde werden, ihre ökologischen Leistungen zu preisen -oft auch zurecht – und zu betonen, dass angesichts des Erreichten eine weitere Forcierung des Umweltschutzes mittels Direktzahlungen (AP2017) übertriebene Schikane sei.
Dieser Bericht des Sonntagsblatts ist Grundwasser auf die Mühlen der Absenderin. Seit mittlerweile Jahren weist sie in ihrem Blog Heidis Mist auf diese und andere umweltschädlichen Missstände hin. Dabei hat sie nachlässige Landwirte ebenso im Visier, wie Behörden, die ihren Aufsichtspflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen. Heidis Vorwürfe sind stets akribisch dokumentiert mit Bildmaterial (siehe oben) und untermauert durch Auszüge aus Gesetzen und Verordnungen. Ich ziehe meinen Hut vor dieser in Bauern- und Amtsstuben zugleich gefürchteten „Mistleblowerin“, die es in Kauf nimmt, von den Sündern mindestens mit Missachtung bestraft zu werden, obwohl mir, dem tendenziell harmoniebedürftigen Bauernfreund, ihr Eifer manchmal fast zu weit geht. Genau diesen unbeirrbaren Mut zur Unpopularität braucht es aber, damit auch dem hinterletzten Mistlager eines Tages eine Platte samt Sickergrube unterlegt ist und damit dereinst das letzte Bergbächlein güllefrei vor sich hinplätschern kann. Dieses Idyll, das steht fest, liegt fern, und genau darum bedarf es der freiwilligen Güllekommissarin Ausdauer mehr denn je. Keep blogging, Heidi! (Bild Heidis Mist)

Die Bauernlobby auf der Ökobremse

Juni 12, 2012


Die letzten zwei Tage haben die Bauernvertreter im Nationalrat wieder einmal erfolgreich auf die Ökobremse gedrückt. Am Montag lehnte die grosse Kammer eine Motion von Ständerat This Jenny und eine Parlamentarische Initiative von Daniel Jositsch ab. Beide Vorstösse forderten, Tierquälern sämtliche Direktzahlungen zu streichen und nicht nur diejenigen, welche im Zusammenhang mit der Tierhaltung stehen. Am Dienstag dann nahm der Rat eine Motion der bäuerlich dominierten Umwelt-, Raumplanungs- und Energiekommission (UREK) an, die kurz zusammengefasst fordert, den Gewässerschutz bauernfreundlicher auszugestalten, das heisst, Revitalisierungsprojekte für Fliessgewässer räumlich möglichst knapp zu halten. Was zeigen uns diese Entscheide? Die Bauernlobby ist unverändert stark im Parlament vertreten und vermag dort auch Mehrheiten zu bilden. Das ist an sich positiv, denn die Landwirtschaft ist nicht nur räumlich, sondern auch ökonomisch in Bedrängnis. Die Frage ist nur, ob diese Macht intelligent eingesetzt wird. Was sind die Signale, die diese Entscheide aussenden? Tierquäler, es gibt sie, wenn auch nicht in grosser Zahl, geniessen trotz dem enormen Imageschaden, den sie anrichten, Artenschutz. Das kann nicht im Sinne der grossen Mehrheit der Bauern sein, die ihre Tiere gesetzeskonform oder gar labelgerecht tierfreundlich halten; zumal der ökologische Leistungsnachweis, dessen Einhaltung die tiergerechte Haltung fordert erfüllt sein muss, wenn einer Direktzahlungen erhalten will. Zweites Signal: Gewässerschutz ist schon recht, aber nur solange er uns nicht tangiert. Ich kann nachvollziehen, dass die Bauern heute um jeden Quadratmeter feilschen, aber es gilt zu anerkennen, dass man dank Drainage, der Begradigung und Eindolung von Bächen sowie der damit einhergehenden Ausräumung ganzer Kulturlandschaften einst viel Land dazu gewonnen hat. Dem gesellschaftlichen Wandel, der die Landschaft vermehrt als gestalteten Erholungsraum betrachtet, gilt es Rechnung zu tragen und ein Stück davon zurückzugeben. Die Landwirtschaft soll ihren Platz haben, aber sie muss bereit sein ihn, zumindest an den Rändern, zu teilen. Das wird die Steuerzahler, von denen jeder Bewirtschafter heute in hohem Masse abhängig ist, froher stimmen, als eine Pflugsohle bis an das Flussufer. (Bild Bauernzeitung)
PS. Zu dieser Geschichte haben sich kurz nach Erscheinen dieses Artikels Fischer und Bauern noch eine kleine Wasserschlacht geliefert. An der DV fuhr der Zentralpräsident des Schweizerischen Fischereiverbands (SFV) das grosse Schleppnetz aus, und steckte die Bauernlobby in die Reuse. Hier die Medienmitteilung. Das wollte Brugg nicht auf sich sitzen lassen und konterte diesen Akt der Bauernfängerei mit einer eigenen Mitteilung. Die Zusammenfassung des kleinen Verbands-Clashes finden Sie hier.