Auf meiner kürzlichen Reise nach Serbien und Rumänien bin ich auch Michell Rohmann begegnet. Er ist Hydrologe und für die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der nordserbischen Vojvodina tätig. Sein Arbeitsfeld ist ein See, genauer der Palićko jezero, wie er auf serbisch heisst. Der Job von Michell ist, diesen sauber zu kriegen. Dieses Unterfangen ist herkulisch, da er stark überdüngt sind und alljährlich von massivem Algenwachstum und am Ausfluss von mannshohen Schaumteppichen heimgesucht (siehe Bild mit Michell) wird.
Der Palićsee hat eine Fläche von etwa 6 Quadratkilometern ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Anwohner der Kleinstadt Palić und von Subotica, das acht Kilometer vom See entfernt liegt. Zudem ist die Gegend mit ihrer historischen Bausubstanz eine der grössten Perlen des serbischen Tourismusangebots.
Der lediglich 3,5 Meter tiefe See ist aber auch die Abwasserentsorgungsanlage für die Städter. Bis 2009 flossen die Abwässer aus Subotica, das rund 150000 Einwohner hat ungeklärt in den See, Palić selber hat immer noch keine Kläranlage. Das führte mit dazu, dass es 2009 zu einem verheerenden Fischsterben kam, das auch international für Aufsehen sorgte. Ihren Beitrag an die Verschmutzung leistet auch die Landwirtschaft, deren Felder zum Teil bis direkt ans Seeufer reichen, wie nebenstehendes Bild zeigt. Im umfangreichen Massnahmenkatalog der GIZ sind denn auch die Einrichtung eines Schutzgürtels, die Weiterbildung der Bauern in der effizienten Anwendung von Düngemitteln und Pestiziden vorgesehen.
Doch bis zu einer Verbesserung der Wasserqualität wird man sich noch länger gedulden müssen. „Das Baden im Palić See gilt heute eher als Mutprobe denn als Freizeitvergnügen und starke Algenblüten im Frühjahr und Sommer behindern die weitere touristische Entwicklung von See und Umfeld“, schreibt Michell in einem interessanten Bericht über seine „polytrophen Patienten“.
Was mich frappiert hat an dieser Geschichte ist, dass nur einigen hundert Kilometer östlich Abwasserreinigung nach wie vor alles andere selbstverständlich ist. So lange ist es allerdings auch noch nicht her, dass wir hierzulande vor den gleichen Problemen standen. Unterdessen ist das Niveau bei uns sehr hoch, so hoch, dass Baden in den allermeisten Gewässern eben keine Risikosportart, sondern ein Vergnügen ist. Das ist weltweit im Binnengewässersektor ziemlich einzigartig. Nach wie vor müssen einige Seen belüftet werden und ab und zu ein paar Fische dran glauben, vor allem wegen Einträgen aus der Landwirtschaft.
Wichtigstes Element für ein Gelingen solcher Gewässersanierungen ist vermutlich das funktionierende politische System in dem die Bürger- und Badegesellschaft einen gehörigen Druck aufbauen kann. Am Palićsee ist eine Einigung über die richtigen Massnahmen weit entfernt. Hätte die EU nicht unterstützt, würde vermutlich noch heute keine Kläranlage stehen. Das Problem ist aber längst nicht gelöst. Heute diskutiert man erneut darüber, den See zu leeren und nährstoffhaltigen Schlamm auszubaggern, obwohl sich diese Massnahme schon bei der letzten Durchführung vor 40 Jahren als unnütz erwiesen hat, da die Einträge anschliessend nicht sofort reduziert wurden. Der Grund für die neuerliche Erwägung dieser Massnahme: Eine spektakuläre Aktion wie die Leerung des Sees und das Auffahren der Bagger lässt sich politisch bestens verkaufen. (Bilder Michell Rohmann)