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Feuerbrandresistenz: Eine Gala für GVO?

März 17, 2014

Feuerbrand lidGrüne Gentechnologie hat auch schon schlechter ausgesehen: Letzte Woche hat die ETH Zürich gemeinsam mit dem deutschen Julius-Kühn-Institut eine Erfolgsmeldung verbreitet: Einem Team um den Forscher Cesare Gessler sei es gelungen, Gala, dem Darling der ApfelesserInnen, ein Gen einzupflanzen, das diesen resistent macht gegen den Feuerbrand, eine gefürchtete Bakterienkrankheit im Kernobstbau.

In einer Mitteilung erklärt die ETH, das Team habe mit Cis-Gentechnik gearbeitet und der Gala ein Gen eines Wildapfels eingepflanzt. Die Trans-Gentechnik dagegen arbeitet mit artfremden Genen, ein Beispiel dafür ist BT-Mais, hier wurde der Pflanze das Gen eines Bazillus einverleibt. Das eine Cis-Gen reiche aus, so heisst es in der Mitteilung der ETH, um den Apfelbaum vor dem Feuerbrand zu schützen. Mit derselben Methode war es demselben Team vor einigen Jahren gelungen, Gala eine Schorfresistenz einzubauen.

Gessler_CesareGessler ist einer der Hoffnungsträger der GVO-Promotoren. Nicht nur weil er als jovialer Wollpullover- und Bartträger so gar nicht ins Feindbild der GVO-Kritiker passen will, sondern auch, weil seine Forschung bis in die Biobranche hinein als positives Andwendungsbeispiel für die ansonsten verpönte grüne Gentechnik gilt. Das ist nicht mal falsch: Die Technologie hilft Gessler und seinen Leuten, Zeit zu sparen. Mit Cis-Gentechnik bleibt ihm die mühselige und langwierige Einkreuzung des Wildapfels in die Gala erspart. Da keine artfremden Gene eingekreuzt werden wird man auch kaum von Frankensteinfood sprechen wollen, wie das Gentechnkritiker oft und gerne tun.

Trotzdem ist es ein bisschen verfrüht, jetzt den virtuellen Hut vor Gesslers Werk zu ziehen und sich vor dem Wunder der Gentechnik zu verneigen. Gessler relativiert in der ETH-Mitteilung gleich selbst: Die Stimmung in der Schweiz sei zu gentechkritisch, um an einen Anbau überhaupt zu denken, meint er mit Blick auf das nach wie vor geltende Anbaumoratorium in der Schweiz sinngemäss. Das ist aber nicht das einzige Problem. Auch sein Produkt ist noch weit entfernt von Praxisreife: Die Resistenz funktionierte zwar im Treibhaus, was aber noch lange nicht heisst, dass das auch im Feld der Fall sein wird. Zudem warnt er gleich selber vor einem Resistenzdurchbruch. Mit nur einem einzigen Resistenzgen ist ein solcher in der Tat wahrscheinlich, weitere Resistenzgene sollen deshalb folgen, man darf gespannt sein, ob dies der Agroscope gelingen wird, die Gesslers Werk nach dessen Pensionierung fortsetzen will.

Im weiteren besteht keinerlei Grund, aufgrund von Gesslers Arbeit, die Kritik an der vorherrschenden Anwendung von grüner Gentechnik zu mildern. Konservativ geschätzte 95 Prozent des Marktes werden von einer Handvoll Saatgut- und Pesitzidmultis beherrscht, welche mit herbizid- und insektenresistenten Pflanzen als Hebel die Märkte monopolisieren. Und das ist das deutlich grössere Problem als mögliche Auskreuzungen. Darüber darf man sich auch durch Gesslers Feigen- oder besser Apfelblaumblatt nicht hinwegtäuschen lassen. (Bild LID/Sebastian Stabinger)

Syngentas grünes Mäntelchen und was drunter ist

September 21, 2013


Diese Woche hat Syngenta ihren „Good Growth Plan“ vorgestellt. Der Papier liest sich wunderbar und im Video mit viel schönem Bildmaterial und Verbalpathos von Seiten des CEO Mike Mack, wird das reich dekorierte grüne Mäntelchen auch optisch leicht tragbar präsentiert (siehe Video oben). Hier die sechs Punkte des Plans:

  1. Nutzpflanzen effizienter machen: Die durchschnittliche Produktivität der weltweit wichtigsten Nutzpflanzen um 20 Prozent steigern, ohne mehr Ackerland, Wasser oder andere Ressourcen einzusetzen
  2. Mehr Ackerland bewahren: Die Fruchtbarkeit von 10 Millionen Hektar degradiertem Ackerland verbessern
  3. Biodiversität fördern: Die Artenvielfalt auf 5 Millionen Hektar Ackerland erhöhen
  4. Kleinbauern Hilfe zur Selbsthilfe bieten: 20 Millionen Kleinbauern erreichen und sie befähigen, ihre Produktivität um 50 Prozent zu steigern
  5. Gute Arbeitsschutzpraktiken vermitteln: 20 Millionen Feldarbeiter in Arbeitssicherheit schulen, insbesondere in den Entwicklungsländern
  6. Engagement für jeden Arbeiter: Auf faire Arbeitsbedingungen im gesamten Netzwerk unserer Lieferkette hinarbeiten

Ich bin immer skeptisch, wenn die Saatgut- und Pestizidmultis plötzlich ihre umwelt- und menschenfreundliche Ader entdecken. Aber überlassen wir das Wort doch noch einmal Mike Mack. Im untenstehenden Video kommentiert er während einer guten Viertelstunde das Jahresergebnis 2012. In dieser Zeit hört man nichts vom oben erwähnten Feuerwerk der Nachhaltigkeit. Hier geht es um Dividend, Balance Sheet, Market Shares, Aquisitions, Price Opportunities, Strategic Crops, und vor allem Percent, Percent, Percent und davor natürlich immer ein Plus.

Das ist nicht erstaunlich, ist doch das Schicksal des Managers primär abhängig vom Jahresergebnis und vom erwirtschafteten Shareholdervalue. Die Bauern und Landarbeiter als wichtigste Stakeholder, die man ja angeblich stärken will, sind für Syngenta, wenn man Mack zuhört, nur als Umsatzgeneratoren interessant, und das heisst dann, wenn sie eingebunden sind in die integrierten Systeme (ein anderer wichtiger Terminus aus dem unteren Video) von Syngenta. Von den Problemen, die der Monokulturanbau der strategischen Pflanzen zur Folge hat, zum Beispiel Erosion oder Superunkräuter, die gegen die Pestizidresistenz erwachsen, hört man von Mack nichts. 

Man verstehe mich nicht falsch. Ich weiss, dass Syngenta keine karitative Organisation ist. Man will Geld verdienen – das ist zurecht nicht verboten -, aber letztlich spielt es keine Rolle, was die Flurschäden sind, solange es das Unternehmen direkt oder indirekt nichts kostet. Dafür ist neben der Strategie auch das Image entscheidend. Mein Fazit nach Konsum der kommunizierten Inhalte und der beiden Videos: Dessen Politur ist das einzige Ansinnen hinter dem „Good Growth Plan“. Das ist mager. Ich würde gerne Taten zugunsten der Nachhaltigkeit sehen, die ihre Spuren im Jahresergebnis hinterlassen, das würde die Glaubwürdigkeit des Plans massiv erhöhen. 

Agrentina (5 & Schluss): Treibstoff SoJa, aber…

September 8, 2013

Soja-Biodieselanlage bei RosarioDas mit Sicherheit meistkommunizierte Wort während des nun schon wieder der Geschichte angehörenden IFAJ-Kongresses in Argentinien war Soja. Die Leguminose ist für die argentinische Wirtschaft zum Treibstoff geworden, und dies nicht nur im übertragenen Sinn. Argentinien produziert 60 Prozent des weltweit aus Soja hergestellten Biodiesels.

In diesen Kanal fliesst aber nur ein geringer Teil der Produktion, die in den letzten zwanzig Jahren um 400 Prozent auf eine Fläche von 20 Millionen Hektaren ausgedehnt wurde. Das sind 200 000 Quadratkilometer, die fünffache Fläche der Schweiz. Selbst argentinische Soja-Lobbyisten, von denen wir in den vier Kongresstagen mindestens ein halbes Dutzend trafen, sprechen von einer Abhängigkeit. Diese Abhängigkeit hat verschiedene Dimensionen: agronomische, wirtschaftliche, staatspolitische und soziale.

Die Landwirtschaft in den klimatisch und bodentechnisch besten Gebieten in der feuchten Pampa ist in den letzten knapp zwei Jahrzehnten vollständig auf die Sojabohne ausgerichtet worden. Der Boom basiert auf der etwa gleich alten GVO-Kombination von Sojasaatgut mit einer Herbizidresistenz für Glyphosat, das unter dem Monsanto-Markenname Roundup Berühmtheit erlangte. Dank dieser Wunderwaffe war es möglich mit bodenschonender pflugloser Bearbeitung den Unkrautdruck im Griff zu behalten und in Monokultur voll auf Soja zu setzen. Das hat dazu geführt, das nicht nur die Viehhaltung, sondern auch der arbeitsintensivere Mais- und Weizenanbau teilweise verdrängt wurden (siehe dazu den letzten Blogbeitrag und die ausgezeichnete Zusammenfassung von David Eppenberger auf der Homepage der Schweizer Agrarjournalisten).

Wie ich im letzten Beitrag ebenfalls bereits beschrieben habe, will auch der marode Staat am Boom teilhaben. Die 35 Prozent Exportsteuer sind Ausdruck dieses Begehrens. Dadurch macht er sich seinerseits abhängig von der Soja, die unterdessen zum wichtigsten Exportgut des Landes geworden ist. Sollte das Geschäft eines Tages zusammenbrechen, aus welchen Gründen auch immer, beschert ihm das Verdienstausfälle von gigantischer Dimension, die sich so leicht aus anderen Quellen nicht kompensieren lassen werden.

Gewerkschaftsführer und Parlamentarier in spe: "Momo" Venegas Schliesslich hat der Sojaanbau zu einer Verschiebung im Sozialgefüge des Landes geführt. Wie uns der Gewerkschaftsführer der Landarbeiter, Geronimo „Momo“ Venegas (Bild rechts) anlässlich des Kongresses erklärte, haben Tausende von Landarbeitern durch die Verschiebungen ihre Arbeit verloren. Allein in der Gegend von San Pedro, wo wir uns versammelt hatten, seien 8000 von 10000 Hektaren mit Fruchtbäumen verschwunden. Auf unsere Frage, ob er damit die Sojaindustrie kritisiere, verneinte er dann hingegen vehement. Offenbar gibt es in der argentinischen Landwirtschaft so etwas wie eine Omerta in Sachen Kritik am Sojasektor, weil alle irgendwie abhängig sind von diesem Segen. Venegas seinerseits möchte im Oktober gerne ins Parlament gewählt werden (Werbespruch „Pura Sangre Peronista“, „pures Peronistenblut“) und ist dabei wohl dringend auf alle Stimmen aus der Landwirtschaft angewiesen.

Die sozialen Auswirkungen des Sojaanbaus sieht man übrigens exemplarisch an den Stadträndern (siehe Bild unten aus Rosario), wo joblose Landarbeiter in prekären Behausungen siedeln und versuchen, sich das Leben im urbanen Millieu zu verdienen.

Faktisch ist der mit Abstand wichtigste Sektor von Argentiniens Landwirtschaft also komplett abhängig von der Glyphosat-Resistenz der GVO-Soja. Sollte dieser auf breiter Basis durchbrochen werden, wird’s prekär. Ich fragte einen der euphorischen Soja-Promotoren am Kongress, ob diese Strategie nicht enorme Risiken für das Land berge. Er verneinte und sprach stattdessen von den nächsten GVO-Sorten, die neben der Herbizidresistenz auch ernährungsphysiologischen Segen bringen würden, etwa Omega-3-Fettsäuren und ähnliches. Womit das Problem allerdings nicht gelöst würde.

Ich will hier nicht einfach den Teufel an die Wand malen. Man soll hier auch einmal erwähnen, dass Argentinien mit 40 Millionen Menschen Nahrungsmittel für 400 Millionen Menschen produziert, das ist eine beachtliche Leistung und man will weiter steigern auf 600 Millionen. Aber es ist eine Hochrisikostrategie, die das Land dabei fährt. Ich wünsche Glück, Suerte! wie uns alle zum Abschied zuriefen. Denn die Argentinier, die uns begegneten sind zwar etwas sorglose aber sehr begeisterungsfähige, hilfreiche und freundliche Menschen und ich hoffe, das ist hier auch ein bisschen zum Ausdruck gekommen. Hasta luego. (Bild oben David Eppenberger)
Am Stadtrand von Rosario

Ein Kränzchen für Hühnerhirse & andere Artisten

August 2, 2013

Echinochloa crus galliIch bin kein Freund von verniedlichenden Ausdrücken wie Beikraut oder noch schlimmer Ackerbegleitflora. Unkraut ist Unkraut ist Unkraut und die Schäden, die es verursacht sind immens, allein in der USA schätzt man die auf Unkräuter zurückgehenden Ertragsausfälle auf 33 Milliarden Dollar jährlich.

Dennoch oder gerade deswegen habe ich grossen Respekt vor der Anpassungsleistung dieser Pflanzen, die mir kürzlich in einem Artikel der New York Times wieder einmal vor Auge geführt wurde. Ein paar Fakten daraus, die wiederum von der hochinteressanten Website International Survey of Herbicide Resistant Weeds stammen: Es gibt unterdessen 217 Unkräuter, die gegen mindestens ein Herbizid resistent sind. Es gibt gegen 148 verschiedenen Herbizide und 21 von 25 bekannte Herbizid-Angriffspunkte („sites of action“ ) Resistenzen, in 65 Ländern finden sich resistente Unkräuter in 61 verschiedenen Kulturen, es gibt 25 gegen den ehemaligen Hoffnunsträger Glyphosat (wichtigstes Markenprodukt: Roundup von Monsanto) resistente Unkräuter, 2012 gab es auf 50 Prozent der US-Farmen Glyphosate-resistente Unkräuter, ein Jahr zuvor waren es noch 34 Prozent.

Das sind imposante Zahlen. Noch fast eindrücklicher als die Herbizidresistenzen sind aber andere Werkzeuge aus der Trickkiste des Unkrauts: Zum Beispiel die Anpassung an die Kulturpflanze, optisch und punkto Lebensraum. Als Beispiel wird die Hühnerhirse (Barnyard Grass, Echinochloa crus-galli) erwähnt, die sich dem Reis angepasst hat, indem beispielsweise die untersten Blätter farblich von pink zu grün mutierten und die Blätter ganz generell schmäler wurden, so dass sie im Feld gar nicht mehr als artfremd auffällt. „The biotech folks would have no clue about how to make one plant look like another plant“, sagt voller Respekt ein Evolutionsbiologe im Artikel dazu. Gleichzeitig gelingt es den Unkräutern immer wieder, das angestammte Habitat zu verlassen und in einem neuen zurecht zu kommen. Im Falle der Hühnerhirse war die Umstellung von trockener Umgebung in die wassergeschwängerte Reisanbau-Umgebung erfolgreich.

Was lernen wir daraus? Im Wettrüsten mit den Unkräutern ist die Einführung neuer Herbizide vermutlich nicht die nachhaltigste Strategie. Das zeigt sich daran, dass gegen Neuentwicklungen wie Dicamba oder 2,4D mit denen Monsanto und Dow den Erfolg von Roundup zu kopieren versuchen, schon wieder resistente Kräuter gewachsen sind. Ähnliches gilt übrigens auch für den Kampf gegen Schädlinge der tierischen Art, wie dieser Artikel zeigt.

Im oben erwähnten Artikel plädieren Experten, bei der Bekämpfung neu einen stärker Evolutions-fokussierten Weg zu nehmen, ähnlich wie bei Bakterien. Genauer ausgeführt ist das nicht, erwähnt wird das Beispiel eines Winterroggens, der die Unkräuter einerseits mit Schattenwurf und andererseits mit pflanzeneigenen Toxinen bekämpft. Ich bin ziemlich überzeugt, dass die Unkräuter in kurzer Zeit Wege finden, um gegen diese Toxine resistent zu werden. Ein Mix aus allerhand Massnahmen von mechanisch bis chemisch, von guter Fruchtfolge bis richtiger Sortenwahl ist aber sicher erfolgsversprechender als eine Riesenkeule, die es dem Unkraut oder dem Stengelbohrer erlaubt, alle Abwehrmassnahmen auf einen kleinen Ausschnitt des Genoms zu fokussieren. (Bild Michael Becker)

Die schwierige Koexistenz mit Don Santo & Co.

Mai 26, 2013

March against Monsanto EurekaAm Samstag sind in 250 Städten in den USA (im Bild Eureka, Kalifornien) und in weiteren 40 weltweit, darunter Zürich, Zehntausende von Menschen auf die Strasse gegangen. Sie folgten einem Aufruf zum „March against Monsanto„, dem Marsch gegen Monsanto. Der global tätige Saatgut- und Pestizidhersteller mit Sitz in St. Louis, Missouri ist als Marktleader im Bereich der grünen Gentechnik für viele Menschen zum Inbegriff des Bösen geworden. Sie protestierten gegen die Dominanz von GVO-Pflanzen auf amerikanischen Feldern, gegen das politische Lobbying von Monsanto und der Handvoll anderen Unternehmen im Markt und für eine klare Deklaration von „Frankenstein-Food“, wie man Esswaren mit GVO-Bestandteilen -und das werden immer mehr – ennet dem grossen Teich gerne nennt.

Es ist interessant, dass sich gerade in den sehr technologiefreundlichen USA der Protest unterdessen am lautesten manifestiert. Bisher konnten Monsanto, DuPont und Syngenta – sie kontrollieren gemeinsam 53 Prozent des weltweiten Samenhandels – ihre Marktanteile relativ ungestört und ohne grosse Nebengeräusche ausbauen. Das tat man sehr erfolgreich: 93 Prozent der Soja und 86 Prozent des Maises in den USA werden mittlerweile mit GVO-Saatgut produziert, mit dem Löwenanteil zugunsten von Monsanto.

In der letzten Zeit gab es aber verschiedene Anlässe, mit denen die GVO-Lobby den Bogen im Mutterland der GVO-Mutterlands möglicherweise überspannt hat. Es sind vor allem vier Dinge, welche die gegenwärtige Protestlawine ausgelöst haben:

  1. Als Kalifornien im letzten November über ein Gesetz abstimmte, das eine GVO-Deklaration verlangte, kämpfte Monsanto mit hohem Mitteleinsatz, an vorderster Front und letztlich erfolgreich dagegen, die Befürworter unterlagen im Verhältnis 47 zu 53.
  2. In den letzten Jahren strengte Monsanto in 27 Bundesstaaten 124 Patentverletzungsklagen gegen 410 Bauern und 56 KMUs an und gewann diese praktisch alle (Hier die Begründung des Unternehmens). Insgesamt spülten die Prozesse 23 Millionen Franken in die Kassen des Multis. Dabei geht es meist darum, dass Farmer Samen verwenden, die mindestens eine Verunreinigung mit GVO-Saatgut enthalten, oft ohne davon zu wissen und deshalb auch ohne dafür separat Patentgebühren zu zahlen. Im Moment macht der Fall eines 75-jährigen Farmers Schlagzeilen, der den Fall bis ans Bundesgericht weitergezogen hat, der Entscheid wird für Juni erwartet. 
  3. Im März verabschiedete der US-Senat im vergangenen März unter kräftige Mitwirkung von Lobbyisten im Solde von Monsanto in einer Nacht- und Nebelaktion eine Gesetzespassage, die später unter dem Titel „Monsanto Protection Act“ Karriere machte. Die Gesetzespassage sorgt kurz zusammengefasst dafür, dass GVO-Saatgut selbst dann noch unbehelligt weiter verwendet werden darf, wenn ein Gericht beschliessen sollte, dass dieses aus beispielsweise sicherheitstechnischen Gründen.
  4. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die international tätige NGO „Food & Water Watch“ einen Bericht unter dem Titel „Biotech Ambassadors“, die detailiert aufzeigt, wie eng die amerikanischen Behörden und die Saatgut-Konzerne zusammenarbeiten, um die Weiterverbreitung der GVO-Produkte sicherzustellen. Der lange Arm von Monsanto und Co. reicht bis in amerikanische Botschaften weltweit, wo gezielte Beeinflussungsversuche von lokalen Regierungen zum üblichen Instrumentarium gehören, um nur ein Beispiel zu nennen.

Was bedeutet das alles für die Schweiz?  Wir sind aufgrund des 2005 verhängten Gentech-Moratoriums, das noch bis 2017 in Kraft bleiben soll, im Anbau nach wie vor eine GVO-freie Zone. An diesem temporären Verbot wird nun aber kräftig gerüttelt, wahrscheinlich – alles andere wäre eine grosse Überraschung – nicht ohne das kräftige Zutun der Industrie. Der Bund präsentierte im Januar den Entwurf einer Koexistenzverordnung, in der ein Nebeneinander von GVO und konventionellem Saatgut als komplex aber letztlich durchaus handlebares problemloses Unterfangen skizziert wird. Politiker, wie der Berner FDP-Nationalrat Wasserfallen sekundieren und verbreiten ihre Message subtil. Er spricht von einem Forschungsverbot, obwohl die Forschung durch das Moratorium nicht tangiert ist. Gleichzeitig plädiert er auf reichlich naive Weise für Wahlfreiheit, es werde dann schon angebaut, was der Konsument wolle.  

Wenn man allerdings das oben beschriebene Vorgehen der Marktleader in den USA und zahlreichen anderen Staate aus der Nähe betrachtet, ist eher davon auszugehen, dass diesen weniger an Koexistenz und Wahlfreiheit denn an Dominanz gelegen ist. Ich sehe keinen Grund anzunehmen, dass die Industrie in der Schweiz – sollten die Tore einmal geöffnet sein – zimperlicher vorgehen sollte, als in den USA und überall sonst, wo man sie mit offenen Armen empfangen hat. (Bild Facebookseite von March against Monsanto

Gentech-Pflanzen: Stubenrein und salonfähig?

Februar 8, 2013

Normaler Rice und Golden Rice mit erhöhtem Vitamin-A-AnteilIn letzter Zeit mehren sich die Anzeichen für eine zunehmende Akzeptanz von grüner Gentechnik. Das ist natürlich nur eine subjektive Beobachtung, aber ganz von der Hand zu weisen ist sie nicht.  Hier ein paar Anhaltspunkte: 
– Der Vitamin-A-angereicherte „Golden Rice“ hat offenbar nach ca 25-jähriger Entwicklungszeit seine Praxisreife erlangt und soll demnächst an Bauern in den Philippinen verteilt werden.
– Der ehemalige Gentech-Kritiker und Mitbegründer der gegnerischen Kampagnen Mark Lynas wandelt sich vom GVO-Saulus zum GVO-Paulus und entschuldigt sich im Zusammenhang mit dem Golden Rice wortreich für seinen Kampf  gegen die gentechnischen Errungenschaften
– Der Bund ebnet den Weg zum Anbau von GVO-Pflanzen nach Ablauf des Gentech-Moratoriums 2018.
– Die Forschungsanstalt Agroscope plant einen „Protected Site“ für die intensivierte Freisetzungs-Forschung am Stadtrand von Zürich.
– Der Siegeszug von GVO-Kulturen ist ungebrochen. Unterdessen beträgt die weltweite Anbaufläche von Gentech-Soja, Mais und Baumwolle und weiteren Kulturen rund 160 Millionen Hektaren, angebaut von knapp 17 Millionen Landwirten im Jahr 2011, wie dieses informative Fact-Sheet zeigt.
– Ein nicht allzu unbedeutender Vertreter der Bio-Branche sagte mir dieser Tage, dass es für grüne Gentechnologie durchaus hilfreich sein könne bei der Nachhaltigkeits-Erhöhung in der Landwirtschaft.  
Was bedeutet das alles? Alles in Butter mit den einst als Frankenstein-Food gebrandmarkten gentechnisch manipulierten Pflanzen? Man muss unterscheiden. Gentechnologie per se ist nicht böse und die Gefahr von unkontrollierten Auskreuzungen etc. scheint bescheiden. Die Technologie kann helfen, Zuchtprozesse zu verkürzen, was in einer Zeit des rasanten Klimawandels und anderer galoppierender Probleme durchaus sinnvoll sein könnte. Vor diesem Hintergrund sind auch die Aussagen des Bio-Exponenten nachvollziehbar.
Das Problem ist, dass grüne Gentechnologie so wie sie heute angewandt wird primär ein grobschlächtiges Marktdominanz-Werkzeug in der Hand von wenigen Agro-Multis ist. Ich kann mich hier nur wiederholen: Die Tücken dieser Dominanz sind die gleichen, wie beim Einsatz einer limitierten Zahl von Wirkstoffen auf dem Pestizidmarkt und bei der Verschmälerung der genetischen Ressourcen durch die Forcierung einer beschränkten Zahl von Sorten: Resistenzen von Unkräutern und anderen Schadorganismen werden gefördert, der Genpool wird kleiner, die Monokultur-Wirtschaft wird gefördert, kleinbäuerliche Strukturen an den Rand gedrängt und Umweltprobleme letztlich vergrössert.
Wenn nun Golden Rice kostenlos an philippinische Bauern verteilt wird, ist das eine schöne Geschichte. Aber aus meiner Sicht vor allem eine gigantische PR-Übung, die nun bei jeder Gelegenheit zitiert werden kann, wenn irgendjemand wagt, den GVO-Einsatz zu kritisieren. Die Bekehrung des GVO-Kritikers Lynas muss auch vor diesem Hintergrund gesehen werden. Ich kenne seine Geschichte nur am Rand, aber er ist nicht der erste, der unter der Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche einer milliardenschweren Industrie letztlich den gemütlichen Weg des Embedded Scientist bevorzugt.
Das Problem mit Golden Rice und ähnlichen karitativen Aushängeschildern ist, dass an den grundsätzlichen strukturellen Problemen dadurch nichts ändert. Weltweit kommen die im Prekariat lebenden Kleinbauern durch die multinational agierenden Konzerne, korrupte Regierungen, Landgrabbing und klimatische Veränderungen immer stärker unter Druck. Solange die internationale Gemeinschaft und die entscheidenden Konzerne nicht bereit sind, diese Probleme grundsätzlich anzugehen, bleibt Golden Rice ein Reiskorn auf dem heissen Stein.
Die Entwicklung in der Schweiz – zu guter Letzt – ist ihrerseits ein schönes Beispiel für den erfolgreichen Druck der GVO-Lobbyisten. Obwohl ein nationales Forschungsprojekt kürzlich festgestellt hat, dass von GVO-Kulturen kein Nutzen für die Schweizer Landwirtschaft zu erwarten ist, werden die Dämme brechen und die Chance zur Profilierung als GVO-freie Insel ist vermutlich dahin. Schade.  (Bild International Rice Research Institute)

Ein alter Fuchs schimpft am Lieferanteneingang

Januar 12, 2013

Entwicklung der KraftfutterversorgungDer Neujahrsapéro mit den Agrarjournalisten fand heuer am Lieferanteneingang der Schweizer Landwirtschaft statt, wie das der Organisator so schön formuliert hat. Nicht weniger als 17,3 Prozent der Schweizer Importe gelangten vergangenes Jahr über den Basler Rheinhafen ins Land. Deutlich höher ist der Anteil bei den Futtermitteleinfuhren. Insgesamt brachten die Rheinschiffe 2011 nicht nur 600 000 Tonnen Dünger und 2,5 Millionen Tonnen Mineralölerzeugnisse sondern auch 850 000 Tonnen Nahrungs- und Futtermittel ins Land, wovon der grösste Teil auf Futtergetreide entfällt, von denen jährlich rund 1,1 Millionen Tonnen importiert werden.
Welcher Ort böte sich also besser an für die Diskussion von ein paar Fütterungsfragen? Der Direktor der Vereinigung der Schweizerischen Futtermittelfabrikanten (VSF) liess es sich nicht entgehen, vor den Agrarmedienvertretern die heissen Punkte anzusprechen. Rudolf Marti, ein alter Fuchs im stark angefeindeten Müllerei-Business hat derzeit drei Hauptthemen: 1. Soja, 2. Swissness, 3. Importe. Das alles hängt eng zusammen. Der Import von Futtermitteln hat in den letzten 20 Jahren massiv zugenommen (siehe Grafik oben. Ich weiss, es ist nicht grad State of the Art, Grafiken abzufotografieren, aber manchmal geht es nicht anders).
Wichtigster Wachstumsträger im Schweizer Futtermittelmarkt ist Sojaschrot. Das eiweissreiche Nebenprodukt der Sojaölherstellung boomt. Seit 1991 hat die Einfuhrmenge um 900 Prozent auf konservativ geschätzte 250 000 Tonnen zugenommen. Die wichtigsten Produzenten sind USA, Brasilien und Argentinien. Namentlich der stark ausgebaute Anbau in Südamerika ist hierzulande am Pranger wegen breitflächiger Abholzung von Regenwald zugunsten von Sojafläche. Zudem stösst der durch die vertikale Integration des Sojabusiness und das dominante Auftreten weniger Saatgutkonzerne verursachte brutale Strukturwandel in den lokalen Landwirtschaften auf Kritik.
Marti wiegelte auf engagierte Art ab. Schön zu sehen, dass er sich auch nach gefühlten mindestens 20 Jahren in der Branche immer noch aufregen kann, wie ein Jungspund. Seine Argumente: 1. Der Anteil importierten Kraftfutters an der gesamten Viehfütterung ist mit rund 16 Prozent immer noch gering. 2. Die Schweizer Müller sind gezwungen, auf ausländisches Kraftfutter zu setzen, weil einerseits der inländische Futtergetreideanbau aufgrund der Bevorzugung des Gründlands im Direktzahlungssystem stark zurückgegangen ist. Andererseits hat man mit dem Verbot von Tiermehl im Gefolge der BSE-Krisen gut 50 000 Tonnen Rohprotein verloren. 3. Das Verbot von GVO-Soja in der Schweiz ist falsch, weil die GVO-freie Ware um pro 100 Kilo um 10 Franken teurer zu stehen kommt. 4. Der von Mutterkuh Schweiz beschlossene und von Bio Suisse angestrebte Verzicht auf Soja in der Fütterung ist „Schwachsinn“ und lediglich vom Marketingbemühungen der Grossverteiler getrieben. 
Bei allem Verständnis für Martis Branchentreue gilt es hier ein paar Gegenargumente ins Spiel zu bringen: Der VSF-Direktor ist natürlich vor allem ein begnadeter Lobbyist für die Sache der Futtermüller, die aus Rentabilitätsgründen unbestrittenermassen Interesse an einem möglichst hohen Futtermittelimport und ebenso hohen Anteilen an Kraftfutter in den Fütterungsrationen haben. Jedes zusätzliche Kilo Rauhfutter ist für die Müller ein Verlust. Marti und seine Mitglieder, die keine Gelegenheit auslassen, um an landwirtschaftlichen und Landwirtschafts-nahen Events als Sponsoren aufzutreten, sind hauptbeteiligt an der ökologisch und ökonomisch fragwürdigen Netto-Zunahme des Kraftfutterinputs, die mit BSE-bedingten Rückgängen beim Rohprotein herzlich wenig zu tun hat. Wenn Marti nun jeden Versuch, diese Abhängigkeit von vorwiegend importiertem Futtergetreide zu senken, als schwachsinnig abtun will, so ist das reichlich durchsichtig. 
Dasselbe gilt für die Attacke auf die Landwirtschaftspolitik. Deren Ökologisierungstendenz läuft den Müllern natürlich zuwider, was allerdings eher beweist, dass sie in die richtige Richtung geht. Ihr Ziel sollte ja primär sein, dass Wohlergehen der Bauern zu fördern und nicht, dass Wasser auf die Mühlen der Futtermüller zu lenken. Nicht dass ich diesen ihr wirtschaftliches Existenzrecht abstreiten wollte. Aber sie sollten sich statt zu lamentieren Gedanken machen, wie sie sich den neuen Verhältnissen am geschicktesten anpassen. Dazu gehört nun einmal auch das soeben verlängerte GVO-Moratorium. Klar ist es einfacher, auf dem Weltmarkt Dutzendware aufzukaufen und diese dann gebührend zu veredeln. Aber, um wieder einmal Gorbatschows altes polyvalentes Diktum anzuwenden: Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte. Das ist vielen Müllern schon passiert. Die cleveren aber positionieren sich in den geräumigen Nischen und versuchen, dem Markt das zu liefern, was er unter geänderten Vorzeichen braucht. Das kostet zwar mehr, dafür sind die Futterpreise hierzulande auch entsprechend höher.
Sojaschrot unterwegs im Basler Rheinhafen        

GVO: Mit der 3D-Strategie aus den Gräben

Oktober 2, 2012

Die grüne Gentechnologie steht zur Zeit wieder einmal im Mittelpunkt diverser Auseinandersetzungen. Am lautesten ist das Getöse zum einen rund um eine Studie von Forschern der Universitäten Rouen und Caen, die herausgefunden haben wollen, dass Ratten schneller Tumore entwickeln, wenn man ihnen Roundup-Ready und Bt-Mais aus dem Haus Monsanto verfüttert. Der zweite Grosskampfplatz ist die sogenannte Proposition 37, eine Art Volksinitiative von Bauern und Biogrosshandel, die in Kalifornien am 6. November zur Abstimmung kommt und eine Deklarationspflicht für Lebensmittel mit GVO-Inhaltsstoffen  fordert.
Beide Auseinandersetzungen werden erbittert geführt und es gibt gewisse Parallelen und Unterschiede. Der Disput um die Forschungsarbeit ist diffus, ich bin zuwenig Wissenschafter, um beurteilen zu können, ob hier sauber gearbeitet wurde, offenbar gibt es gewisse Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Forscher. Sicher aber ist es ein schönes Beispiel für den Glaubenskrieg, der um den Einsatz grüner Gentechnologie tobt. In den letzten 10 Tagen hat sich kaum eine kritische Organisation nicht leicht triumphierend zu den Ergebnissen gemeldet, während Monsanto gegen die Arbeit auf die Hinterbeine stieg. Ich würde mal folgendes Fazit ziehen: Die Studie reicht sicherlich nicht aus, um die Schädlichkeit von Lebensmitteln mit GVO-Inhalten unter Beweis zu stellen, die absolute Unschädlichkeit postulieren zu wollen, wäre aber wohl auch etwas übermütig.
Deshalb müssen Konsument und Konsumentin entscheiden können, ob sie GVO-Nahrungsmittel zu sich nehmen wollen, ebenso wie sie heute am Regal entscheiden dürfen, ob sie biologisch oder konventionell hergestellte Lebensmittel kaufen wollen. In der Schweiz und der EU ist diese Deklaration längst klar geregelt. In den USA ist man aber mit der Wahlfreiheit noch nicht soweit. Vom Referendum in Kalifornien (siehe Abstimmungswerbung oben links und rechts) erwartet man Signalwirkung für das ganze Land. Mit allerlei fadenscheinigen Argumenten und Millioneninvestitionen ziehen diverse multinationale Unternehmen in den Abstimmungskampf. Dabei ist Doppelmoral an der Tagesordnung, wie ein Bloggerkollege aufzeigt. Wenn die GVO-Produkte derart unbedenklich sind, wie die Hersteller immer argumentieren, dann dürfte einer Deklaration eigentlich nichts entgegen stehen. Natürlich kostet das etwas, denn darum dürfte es in erster Linie gehen, aber man nagt ja im Allgemeinen nicht gerade am Hungertuch, wie die Beispiele der im Gegenkomitee engagierten Nestlé und Syngenta zeigen.
Längerfristig dürften eine klare Deklaration und das Eingeständnis, dass man mit der Technologie noch am Anfang steht, die Diskussion entkrampfen. Das wäre sicher nützlich, vor allem für weniger lukrative aber deshalb umso bauernfreundlichere Anwendungen der Gentechnologie, die im Getöse des multinationalen Glaubenskriegs verschütt zu gehen drohen. Gerade diese Woche habe ich eine Nachricht gesehen, wonach die ETH Gentech-Maniok entwickelt hat, der resistent ist gegen das in Nigeria sehr gefürchtete Brown Streak Virus. Ebenda an der ETH ist Pflanzenbiologe Cesare Gessler, beileibe kein Jünger der Agromultis, seit langem damit befasst, mit Gen-Engineering resistente Apfelsorten zu entwickeln, in diesem Text finden sich dazu einige Details. Zusammengefasst plädiere ich im GVO-Zusammenhang für eine 3D-Strategie: Deklarieren, differenzieren, deeskalieren. (Bild ganz oben Miguel Medina/AFP)

Die gewagten Behauptungen der NFPrognostiker

August 29, 2012

Gestern sind die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms 59 (NFP59) veröffentlicht worden. Der Berg hat eine Genmaus geboren: der Einsatz von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen ist gesundheitlich unproblematisch, biologisch unbedenklich und der wirtschaftliche Nutzen für die Schweizer Landwirtschaft gering, haben die Forscher beim Vergleich von über tausend bestehenden Studien herausgefunden. Nützt nichts, so schadets nichts, könnte man kurz zusammenfassen. Ich bin nicht überrascht vom Ergebnis, auch wenn es mir ein bisschen riskant erscheint, GVO-Kulturen einen Persilschein auszustellen, ohne dass sie je unter den hiesigen engräumigen Praxisbedingungen angebaut worden wären.
Die Bauern sehen sich zurecht darin bestätigt, dass eine Verlängerung des GVO-Moratoriums bis 2017 in der Schweiz sinnvoll ist, zumal lediglich ein Viertel der Konsumenten GVO-Produkte kaufen würden, wie das NFP59 ebenfalls mitteilt.
Trotzdem sind die NFP-Autoren überzeugt, dass sich der bescheidene Nutzen der Agro-Gentechnik erhöhen könnte, „wenn der Schädlingsdruck steigt – zum Beispiel aufgrund klimatischer Veränderungen – oder wenn gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, die mehrere neue Merkmale aufweisen und denen zum Beispiel weder Herbizide oder Pflanzenschutzmittel noch gewisse Krankheitserreger etwas anhaben können.“ Auch das ist eine relativ gewagte Behauptung. Das Problem mit dem bisher im Einsatz stehenden GVO-Saatgut ist, dass gigantische Flächen mit einer Handvoll Sorten bebaut werden. Im Agronomiestudium haben wir gelernt, dass dies zu Resistenzen führen muss. Das ist genau das, was zurzeit geschieht, Stichwort Superunkräuter. Gentech-Landbau, so wie er zurzeit betrieben wird, führt eben gerade dazu, dass der Schädlingsdruck steigt und die Fokussierung auf wenige Sorten führt in der Praxis dazu, dass die Frist in der Herbizide und Schädlinge den Pflanzen nichts anhaben können stark verkürzt wird. Mein Fazit: GVO-Landwirtschaft, so wie sie heute betrieben wird, ist primär ein nicht sehr nachhaltiges Förderprogramm für Agrochemie-Multis. Gentechnik per se sollte man aufgrund dieser Problematik aber nicht per se in Bausch und Bogen ablehnen. Sie kann helfen, die langen Entwicklungsperioden der traditionellen Saatzüchtung zu verkürzen. Wenn sich das Klima verändert, braucht die Schweiz, braucht Mitteleuropa, braucht die ganze Welt schnell neue angepasste Sorten. Es wäre mir aber wohler, wenn man den Lead hier nicht der Privatwirtschaft überlassen würde. In der Schweiz ist dies bisher recht gut gewährleistet, dank der Züchtungsarbeiten der Agroscope-Forschungsanstalten. Pourvu que ça dure. (Bild ETH)
PS. Bei den E-Mail und RSS-Feed-Abonnenten möchte ich mich entschuldigen, dass die erste Version unvollständig ins Netz entflog, bloggen per iPhone hat seine Tücken…

Die Rechnung für das GVO-Fieber folgt später

März 18, 2012

Vor Kurzem hat der International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (ISAAA), ein unter anderem von Bayer und Monsanto gesponsertes Propagandavehikel, die neuesten Zahlen für den weltweiten Anbau von GVO-Kulturen präsentiert (siehe ganz unten). Eine Traumkurve für jeden Wachstumsfreund: In nur einem Jahr hat die Fläche mit gentechnisch veränderten Pflanzen in den 29 Anbauländern um 8 Prozent oder 12 Millionen ha auf 160 Millionen ha zugenommen. Somit werden nun 10 Prozent der weltweiten ackerbaulich nutzbaren Flächen mit der neuen Technologie bewirtschaftet. Die Karte oben zeigt, dass der Schwerpunkt der Entwicklung in Nord- und Südamerika sowie Indien und China liegt, während Europa (inklusive Russland), Afrika und Ozeanien nach wie vor relativ dünn bis gar nicht auf gentechnisch verändertes Saatgut setzen. Die Skepsis namentlich in Europa ist denn auch einer der wichtigen Punkte im ISAAA-Report über die letztjährige Entwicklung (runterscrollen). Dabei klammert man sich an jeden Strohhalm, so wird unter dem Titel „A change of heart in Europe“ unter anderem über einen Brief von 41 schwedischen Professoren berichten, die sich über die Arroganz der Policymaker gegenüber den GVO-Kulturen beschweren. Dieser Blog wird kaum in den Genuss einer hoffnungsvollen ISAAA-Erwähnung kommen, denn meine Skepsis gegenüber der GVO-Bewegung ist unverändert. Erstens wird sie getrieben von ein paar Multis, deren Manager primär die Jahresabschlüsse im Auge haben und nicht, wie sie in pathetischen Reden immer wieder gerne behaupten, die Ernährungssicherheit und das Wohlergehen der bäuerlichen Strukturen. Dafür braucht es nämlich keine Gentechnologie, sondern prioritär ein Bündel von Anstrengungen bei Governance und Logistik. Diese leisten Bayer, Monsanto, Syngenta und Co. zwar schon, aber wiederum nur im Interesse ihrer Shareholder. So versuchen sie ähnlich wie die Rohstoffmultis wie etwa Glencore, entlang der Wertschöpfungskette einen möglichst grossen Teil zu integrieren – Lieferung von Saatgut und Pestiziden, Abnahmeverträge und Weitervertrieb – und so ihre Margen zu verbreitern, während die Bauern noch als mehrbessere Knechte fungieren. Südamerika ist ein gutes Beispiel für diese Entwicklung. Ein grosses Problem am GVO-Fieber ist auch die mangelnde biologische Nachhaltigkeit. Um die hohen Entwicklungskosten möglichst rasch wieder einzuspielen, forciert man einzelne Sorten und damit die Bildung von Resistenzen, wie man beim Herbizid Roundup bereits schön erkennen kann. Gleichzeitig wird an die regionalen Bedingungen angepasstes Saatgut verdrängt und die Abhängigkeit der Bauern von den GVO-Lieferanten erhöht. Sie sind gezwungen, jedes Jahr neues Hybridsaatgut zu kaufen, da die Ernte nicht für die Wiedersaat verwendet werden kann. Insgesamt ein höchst ungemütlicher Cocktail, den die ISAAA und ihre Sponsoren da zusammenköcheln, aber die negativen Auswirkungen werden sich erst mit einigen Jahr(zehnt)en Verzögerung in aller Deutlichkeit zeigen. Dannzumal werden die Shareholder ihre Scherflein längst am Trockenen haben und die Kosten des GVO-Fiebers den jeweiligen (maroden) Staaten und den Entwicklungsorganisationen übertragen. Wetten? (Tabelle und Karte ISAAA, Grafik LID)