Posts Tagged ‘Handarbeit’

South Africa: Hard Work für mehr Wertschöpfung

April 17, 2017

 

Vorletzte Woche hatte ich das Glück, am internationalen Agarjournalistenkongress der IFAJ in Südafrika teilnehmen zu dürfen (IFAJ=International Federation of Agricultural Journalists). Es waren sehr eindrückliche Tage: Ein Land, das einem auf den ersten Blick an Europa erinnert, völlig ungewohnt im Vergleich zu dem, das einem von diesem so vielgestaltigen Kontinent sonst in Erinnerung ist. Auf den zweiten Blick entdeckt man dann aber vieles, das doch nicht so anders ist, als an vielen Orten in Afrika.

Zum Beispiel, dass die Handarbeit praktisch ausschliesslich von Schwarzen ausgeübt wird, wobei die „Rainbownation“ natürlich nicht nur Schwarz und Weiss ist, sondern vielfarbig, und doch sind die Aufgaben klar verteilt, denn die „couloured“ also gemischtrassigen People sind auch nicht unbedingt diejenigen in den Bürojobs, zumindest nicht in der Landwirtschaft.

Diese Filmlis stammen aus verschiedenen Betrieben, die wir besucht haben auf unserer Blitzreise durch dieses riesige und facettenreiche Land. Das oben stammt von Laastedrif Farming, einem grossen Landwirtschaftsunternehmen mit Gemüse-Verarbeitung (zwecks höherer Wertschöpfung in einer Nation ohne Agrarsubventionen) und einer produktiven landwirtschaftlichen Nutzfläche von rund 2300 ha, auf denen vor allem Gemüse und Obst wächst sowie Schafe weiden. Der Arbeiter macht Butternut-Kürbisse zu Butternut-Spaghettis, die dann nur 2-3 Minuten in der Mikrowelle schmoren müssen, um servierbereit zu sein.

Dieser und weitere besuchten Betriebe kümmern sich intensiv um ihre Arbeiter und Arbeiterinnen, im Fall von Laastedrif sind es nicht weniger als 500, mehrheitlich fest angestellt. Sie erhalten als Teil des Lohns Wohnraum, eine Schule samt Hort und Krippe für die Kinder sowie medizinische Grundversorgung, das ist längst nicht für alle SüdafrikanerInnen selbstverständlich. Trotzdem, die Arbeit ist hart, der Boss ist weiss und das ist eine kleine Reverenz an die Leute, die sie täglich verrichten, diese Arbeit, seis in Südafrika oder sonstwo auf der Welt.

 

Dieses Video zeigt die Rollrasenernte bei Rossgro, einer weiteren grossen Landwirtschaftsgruppe, die unter anderem auch stark in der Geflügel- und Futtermittelproduktion investiert ist.

 

Hier ein Blick in die Karottenstäbchenproduktionsstrasse bei Laastedrif. Im Hingergrund ein Agrarfotograf an der Arbeit, nicht die anspruchsloseste Kundschaft…

 

Hier ein Eindruck aus der Rüeblisortierhalle bei Laastedrif.

 

Die Äpfel von Laastedrift gehen zur Sortierung zum Fruchtgrossisten und Safthersteller Ceres, der sich teilweise in den Händen der Produzenten befindet.

 

Zum Schluss noch einmal die Rollrasenernte bei Rossgro, die mich auch mechanisch recht fasziniert hat, deshalb ein zweites davon.

Grundfragen beim Quinoa-Dreschen in Tiraque

Juni 5, 2014

QuinoaIm letzten Herbst war ich kurz in Bolivien für den Besuch in einem FiBL-Projekt. Dort habe ich nach langen Jahren meinen Studienkollegen Johannes Brunner wieder getroffen. Er arbeitet seit einiger Zeit in Südamerika und schreibt von dort aus ab und zu einen Rundbrief für Zuhausegebliebene und andere Interessierte. Sein Editorial ist hochinteressant. Es tangiert eine der Kernfragen der (Land-)Wirtschaft: Wieviel Technisierung, Rationalisierung und Professionalisierung macht Sinn? Wem dient sie? Wer verdient daran? Wer wird glücklich dabei?

Auf der Reise in die holländische Schweineindustrie zum Beispiel habe ich mich oft gefragt, woher eigentlich der omnipräsente Wachstumsdruck kommt. Profitieren tun leider nicht primär die Bauern, auch wenn jetzt im Fall des Dreschens gewisse Vorteile der Mechanisierung nicht von der Hand zu weisen sind. Aber lesen Sie selber. Ich bringe den Text integral, inklusive Werbespot für Johannes‘ Arbeitgeber, denn die Art, wie Interteam arbeitet, scheint mir sinnvoll. Merci für den spannenden Text und das Abdruckrecht Johannes!

„Vor kurzem konnte ich in Tiraque bei der Ernte einer Parzelle Quinoa mithelfen. Die Bauernfamilie hatte die Pflanzen bereits geschnitten und auf der Parzelle pyramidenförmig aufgeschichtet, damit die Rispen trocknen konnten. Diese legten wir nun in zwei Reihen auf eine Zeltplane und liessen sie nochmals eine Stunde trocknen. Danach fuhr Roberto mit seinem Auto mehrmals über die Rispen, bis sich die kleinen Körner von den Pflanzen gelöst hatten. Nach einigen Überfahrten wendeten wir sie und das Dreschen konnte wiederholt werden. Nachdem wir diese Prozedur mehrmals durchgeführt hatten, entfernten wir die Stängel von der Plane und siebten den zurückgebliebenen Rest in zwei Durchgängen mit einem Sieb mit Lochgrösse 4mm und später 2mm.

Danach brachte die Bäuerin das Mittagessen: Maiskörner, Weizenbrei und Frischkäse. Am Nachmittag kam Wind auf und wir konnten mit seiner Hilfe und der Wurfschaufel die Körner von den Resten der Spreu und den Unkrautsamen trennen. Gegen Abend lag vor uns ein pyramidenförmiger Haufen kleiner, golden glänzender Körner von etwa 150 kg aus einer Fläche von 20 Aren, den wir in drei Säcke füllten. Alle waren müde und sehr glücklich. Während der ganzen Arbeit fühlte ich mich mit meinen Vorfahren verbunden, obwohl ich beim Garben binden und Puppen stellen nie dabei war. Zeit und Effizienz gerieten in den Hintergrund, in den Vordergrund rückten Gespräche und die Aufmerksamkeit auf die Windstärke.

Meine Idee mit einer Holzkonstruktion die Trocknung der Rispen zu beschleunigen, wurde mit Neugier aufgenommen. Gleichzeitig machte ich mir Gedanken über meine eigene Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung. Dabei stellte ich fest, dass ich Armut mit Mangel an Materiellem, mit Langsamkeit und Ineffizienz identifiziere. Sofort schlage ich deshalb Geräte und Technologien vor, damit die Bauern schneller und mehr Quinoa ernten können. Doch sind mir die Folgen nicht bewusst? Statt dass es den Familien besser geht, wird die Gemeinschaft durch Konkurrenz zerstört. Einige Betriebe wachsen auf Kosten von andern, die ihren Boden am Schluss verkaufen und abwandern.

Im Hochland Boliviens können die Menschen mit diesem Entwicklungsmodell nichts anfangen. Arm ist der Mensch, der den Kontakt zum Boden verloren hat, der keinen Boden besitzt, in dem er seine Angehörigen begraben kann, der dadurch beseelt ist und den Lebenden Nahrung und ein Dach über dem Kopf bietet. Arm ist der Mensch, der seinen Boden verkauft oder spekuliert und in die Stadt zieht auf der Suche nach einem scheinbar besseren Leben. Arm bin ich, der glaubt diesen Menschen unseren Fortschritt bringen zu müssen, obwohl ich weiss, dass damit nur Macht und Geld in den Händen weniger konzentriert wird.

Genau dieser Problematik ist sich Interteam bewusst und arbeitet deshalb auf der Ebene von Mensch zu Mensch, um langsame, dafür nachhaltige Lern- und Entwicklungsprozesse auf Vertrauensbasis aufzubauen, in denen Menschen ihre eigenen Lebensvisionen selbstbestimmt realisieren können. Die Arbeit von Interteam entpuppt sich damit auch als Werkstatt für die Kreation neuer Impulse für die Schweiz, weil unsere Partner unsere linearen Entwicklungsmodelle hinterfragen. Die Bauern und Bäuerinnen Boliviens lehren mich, dass wir in der Schweiz in dieser Hinsicht noch viel Entwicklungshilfe benötigen.“ (Bild Johannes Brunner)