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Coopportunistischer Festtagsschweinebauch

Dezember 16, 2015

Fleisch CoopAn den Festtagen sitzt das Portemonnaie locker, man und frau gönnt sich namentlich was Fleisch angeht etwas Edles zur feierlichen Tafel, es ist ja nicht alle Tage Weihnacht. Interessant deshalb zu schauen, was unsere lieben Grossverteiler da so anpreisen, wie mir heute beim allwöchentlichen Hochgeschwindigkeitsdurchblättern der beiden Detailhandelspostillen aufgefallen ist.

Um es vorweg zu nehmen, Coop enttäuscht diesmal schwer. Ungeachtet der unbestrittenen Verdienste um das Tierwohl und das heimische Schaffen, welche die Basler bei jeder Gelegenheit noch so gerne ins grösstmögliche Schaufenster hängen, erhalten sie heute den Agroblog-Schwarzpeter für das schwächste Schweinebauch-Festtagsinserat 2015.

Das Schweinebauch-Inserat, sollte Ihnen, liebe LeserInnen dieser Begriff nicht geläufig sein, ist die Aktion gewordene Auswahlsendung, die Migros und Coop mal beschränkt auf eine Produktegattung, mal querbeet mit allem (deshalb Schweinebauch) sei’s in den eigenen Blättern oder in den Printmedien placieren. (Die NZZ, das nur am Rande bemerkt, kämpft bis heute umsonst um das Privileg, diese Rabattseiten an Bord zu holen, edle Positionierung hat manchmal auch ihre Schattenseiten).

Item, dieser Fleisch-Schweinebauch in der neuesten Coop-Zeitung enttäuscht schwer: Trotz heimischem Topangebot kommt das Rind aus Irland, das Kalb aus Frankreich oder vielleicht (wenn man Schwein hat) aus der Schweiz und das Lamm wie üblich aus very far Übersee. Das alles, vor allem bei Rind und Kalb zu satten um nicht zu sagen horrenden Preisen und ohne jegliche Label. Es lässt sich halt fast mit nichts so schön Marge bolzen, wie mit Importfleisch. Dass man dies mit Ausnahme des Schweines ausgerechnet zu den Festtagen so skrupellos durchzieht ist eine rechte Enttäuschung. Das, ich wiederhole mich gerne, ist Einkaufstourismus, der sich durch nichts unterscheidet von demjenigen der Tausenden von helvetischen Grenzpilgern, über die man sich bei den Grossverteilern zunehmend Sorgen macht.

Deutlich besser schneidet zumindest diesmal die Konkurrenz ab, welche mit Ausnahme des latenten Lamm- und Geflügelproblems (das auch Coop hat) durchwegs auf heimische Ware setzt. Selbst das knochengereifte Fleisch (ziemlich unnötiger Kult, scheint mir, aber offenbar trendig genug, um ihm in beiden Detailhandesblättchen je eine Seite zu widmen) stammt bei Migros aus dem TerraSuisse-Label, während bei Coop nichts deklariert ist, was erneut auf Import und Labelfreiheit schliessen lässt. Korrekturen wie immer willkommen, ein bisschen Reinwaschung könntet Ihr brauchen, werte Coopportunisten…

Fleisch Migros

PS. Hier noch eine kleine willkommene Ergänzung von Monika Schlatter, die regelmässigen Besucherinnen als talentierte Kuhfotografin bekannt sein dürfte. Sie hat mir untenstehendes Bild geschickt und dazu folgendes geschrieben: „Wenn Coop ausländisches Fleisch (wo bleibt dort wohl der Tierschutz…?) von weither „herankarrt“ und derart billig anpreist, wird der Konsument wohl nicht zum teureren Schweizer Fleisch greifen…“ Dem gibt’s nichts beizufügen, ausser vielleicht, dass es langjährigen Beratungsanstrengungen sei Dank doch einen gewissen Prozentsatz von Leuten gibt, die nichtsdestotiefpreis konsequent auf nachhaltiges einheimisches Schaffen setzen, danke Monika!
Monika

Getarnter Grossverteiler: Das Hofsupermärktli

Oktober 21, 2015

CoopHeute morgen beim Hochgeschwindigkeits-Durchblättern der „Coopzeitung“ plötzlich gestutzt: „Machen die jetzt auf reduziertes Packungsdesign?“ fragt sich das noch etwas matte Hirn reflexartig. Ah nein, melden die langsam in Fahrt kommenden grauen Zellen, da handelt es sich um Produkte vom Juckerhof, dem Königreich der Direktvermarkter, so erfolgreich, dass in der Standortgemeinde Seegräben ZH seit Jahren über die Art der Bewältigung des lawinenartigen Verkehrsaufkommens vom und  zum „Erlebnishof“-Gelände gestritten wird.

Die Jucker-Kürbisse gibt’s ja schon länger bei Coop (übrigens fein, grad gestern aus einem Exemplar eine Suppe gebastelt), aber dass mir nun auch noch der halbe Hofladen aus der Hauspostille des Grossverteilers entgegenleuchtet, gibt doch ein wenig zu denken. Nicht dass ich den tüchtigen Jucker-Brüdern den Erfolg und den zusätzlichen Umsatz missgönnen würde. Aber wenn man sich das ein bisschen genauer überlegt, ist es schon eine ziemliche Perversion des Direktvermarktungsgedankens.

Ursprünglich war ja diese Art des Verkaufs dazu gedacht, den Zwischenhandel für einen – mikrobiell kleinen – Teil des Marktes auszuschalten und eine direkte Brücke von den Produzentinnen zu den Konsumentinnen zu schlagen. Damit kann der Primärsektor nicht nur die Marge erhöhen, sondern auch den Austausch mit den Kunden pflegen, in beiden Richtungen: Rückmeldungen zur Qualität der Produkte aus erster Hand und Schaffen von gegenseitigem Verständnis aufgrund dem Wissen um Sorgen und Bedürfnisse.

Das wachsende Bedürfnis, nicht nur ennet der Grenze, sondern auch regional einzukaufen ist natürlich auch den Marketingstrategen der Grossverteiler nicht entgangen. Mit ihren Programmen „Aus der Region – Für die Region“ (Migros)  sowie „Miini Region“ (Coop) versuchen sie dieses seit einigen Jahren zu befriedigen. Davon profitieren wir durchaus, so habe ich etwa dank dem Migros-Programm den weltbesten Grossverteiler-Anke von der Molkerei Neff in Wald entdeckt.

Trotzdem kann ich mich nicht richtig freuen, wenn jetzt der Grossverteiler auch noch die landwirtschaftliche Direktvermarktung als Teil des Portefeuilles zu betrachten beginnt. Das Inserat verspricht eine Hofladen-Atmosphäre und Nähe zur Scholle, die ein Grossunternehmen schon strukturell bedingt nie wird einlösen können, eben gerade weil er kein Direktvermarkter sondern ein Zwischenhändler ist, und damit genau derjenige, der in diesem System für einmal zurückstehen müsste.

Coop und Migros haben durchaus Verdienste, was die Förderung einer bäuerlichen nachhaltigen Landwirtschaft angeht, aber ein Grossverteiler ist ein Grossverteiler ist ein Grossverteiler. Ich kenne die Konditionen des Deals Jucker-Coop nicht, gehe aber davon aus, dass die Seegräbner massive Einbussen bei der Marge hinnehmen müssen, was sie quersubventionieren durch die Werbewirkung der Coop-Präsenz, höhere Quantitäten und Erträge aus anderen Verkaufskanälen. Bin natürlich gerne bereit, das zu korrigieren, wenn mir jemand genaue Zahlen liefert…

VollMundiges Versprechen, plötzlich zeitlos

September 1, 2015

Migros vorherKleines Aperçu aus dem Plakatwald: Mit viel Getöse hat Migros vor gefühlten drei Jahren die Greening-Kampagne Generation M lanciert. Sie besteht aus 61 Versprechen an die Jugend. Unter anderem hat man Jay, dem Bub auf der Strohballe dannzumal im Weltformat die Einführung der hohen Schweizer Tierwohl-Standards auf allen tierischen Importen bis 2020 versprochen.

Seit einigen Tagen ist Jay wieder stark präsent auf den Plakatwänden. Er ist etwas gealtert, markiert keck den Jungbauer samt Hund und Kuh. Das Sprüchli ist aber im Kern unverändert. Ausser zwei kleinen aber wichtigen Details: Die Jahreszahl fehlt und statt von „hohen Schweizer Tierwohl-Standards“ ist nurmehr von „Schweizer Tierschutz-Vorschriften“ die Rede.

Fazit: Offenbar ist man sich bei der Migros nicht mehr so sicher, ob das ambitiöse Ziel tatsächlich in den nächsten fünf Jahren zu erreichen ist, obschon man sich auf der Website unverändert optimistisch gibt. Dass sich die Verantwortlichen in der Migros-Zentrale am Zürcher Limmatplatz plakativ nicht mehr so weit zum Fenster raus lehnen mögen ist ein Indiz dafür, dass die Umstellung nicht so leicht zu bewerkstelligen ist, wie ursprünglich erwartet, was der Schweizer Landwirtschaft an sich kein schlechtes Zeugnis ausstellt.

Aber Obacht, für Euphorie besteht keinerlei Grund, sind doch die Schweizer Tierschutz-Vorschriften nicht berauschend, ich möchte daran erinnern, dass etwa im Rindermastbereich Auslauf-lose Vollspaltenbodenbuchten nach wie vor erlaubt sind, um nur ein Beispiel zu nennen. Deshalb braucht es für „hohe Tierwohl-Standards“ die Labels. Somit wird das Versprechen der Migros an Jay nicht nur punkto Zeitpunkt unverbindlicher, sondern auch inhaltlich verwässert.

Migros nachher

Ein Tag im Glashaus mit einem Konsumenten

Mai 4, 2013

NierstückDas Leben als sogenannt bewusster Konsument ist interessant aber nicht ohne Tücken. Nehmen wir einen Tag im Leben eines zufällig ausgewählten Konsumenten, aus naheliegenden Gründen mich, zum Beispiel heute.

Es fängt an mit dem Plakat vor dem Quartier-Coop. Ein weitgereistes Nierstück, denkt man sich, innerlich schon distanziert. Aber sicher nicht für mich. Und das schöne Märgeli für dich, gell Coop. Hier gibts für mich stattdessen heimische Bio-Milch und -Zopf . Das sorgt schon mal für ein gutes Gewissen. 

TomateWeiter gehts, Erwerb von Tomatensetzlingen von der Stiftung Arche am Viadukt, die dann auch umgehend eingepflanzt werden. Das verstärkt die Pluspunkte. Pflanzenmaterial aus einem Sozialprojekt im mit eigenem Kompost angereicherten Boden im Pot, das ist fast nicht zu toppen.

FussballplätzeNächster Stop: Migros Limmatplatz. Dort ein Plakat, wo Jeremy 140 Fussballfelder voll Bio-Weizen versprochen werden. Ob der sich freut? Der spielt wohl lieber Fussball, als sich über den umweltpolitisch korrekten Getreideanbau Gedanken zu machen.

Für mich dagegen die Qual der Wahl. Zum Znacht solls Paella, unter anderem mit Poulet, geben. Bei der Fleischtheke entscheide ich mich für das Aus-der-Region-Poulet aus Standardhaltung, besser als Brasilien. Es gäbe zwar auch Séléction-Pouletbrust Bio, aber die 15 Franken für gut 200 Gramm sind mir ehrlich gesagt zuviel, zudem will ich gar nicht Brust sondern Schenkeli.

PaellaDas Resultat. Neben dem Poulet wurden von den TischgenossInnen auch Crevetten gewünscht. Die sind zwar Bio, aber aus Vietnam. Zwar soll die Zucht dort einigermassen umweltverträglich sein (hoffentlich habe ich das nicht in der Coop-Zeitung oder im Migros-Magazin gelesen…), aber trotzdem nicht gerade ein Ruhmesblatt.

KompostDa kommt das Kompostieren grad kommod zur Gewissensberuhigung. Aber oha, zwischen heimischen Kartoffelschalen und Apfelkernen die Überreste der letzten Party: Limetten aus Brasilien… Zum Glück sind morgen die Läden zu.     

Pink Lady® und der Club der Rockobststars

April 30, 2013

Pink LadyDiese Woche hat mich ein Bekannter auf ein Phänomen aufmerksam gemacht, das ich bisher nur vom Hörensagen kannte: Die Clubsorten. Das sind die Rotarier unter den Äpfeln, die Rockstars unter den Früchtchen. Ihr Name ist ein Brand, geschützt mit einem dieser ®, die sonst  Medikamenten und Soft Drinks vorbehalten sind. Die Marke wird international an ausgewählte Lizenznehmer vergeben, welche wiederum das Recht zu Anbau und Vermarktung der Sorte an ebenso handverlesene Produzenten und Detailhändler vergebem.

Bekanntestes Beispiel ist in der Schweiz Pink Lady, die 1973 vom Australier John Cripps als WPink Cripps“ vollzogene Kreuzung zwischen Golden Delicious und Lady Williams, die unterdessen weltweit geschützt ist und vermarktet wird (vorsicht beim Öffnen dieser Homepage, wenn Sie nicht auf Pink stehen). Lizenzinhaber für die Schweiz ist der Frucht-Logistiker Füglister. Dieser hat hierzulande ein gutes Dutzend Produzenten unter Vertrag, welche auf insgesamt gut 50 Hektaren ihr exklusives Früchtchen anbauen. Auch die Detaihandelsschar ist handverlesen: Migros, Globus, Coop und Volg. 

Pink Lady VermarktungDas Interessante an der Clublizenz ist für Füglister nicht zuletzt, dass die gut eingeführte Marke nicht nur aus Schweizer Produktion bedient werden kann, wie rechtsstehende Grafik von der Pink-Lady-Website (klicken zum Vergrössern) zeigt. Als Teil des Lizenznehmernetzwerks erhält die Firma exklusiv Pink Lady aus den übrigen Produktionsländern, darunter Australien, Neuseeland, Südafrika und Chile, welche gegenüber Europa eine um ein halbes Jahr verschobene Erntezeit haben und damit die Sommermonate in der Schweiz überbrücken können, ohne dass dem Konsumenten gross auffiele, dass sein gewohnter Apfel jetzt halt plötzlich nicht mehr aus dem Aargau sondern aus Australien stammt.

Sortenclubs gibt es übrigens nicht nur für Äpfel, sondern beispielsweise auch für Kartoffeln, wo Migros einen solchen für Amandine unterhält. Was ist davon zu halten? Interessant finde ich, dass gerade unsere Grossverteiler, die gerne vollmundig den freien Markt predigen in derart protektionistischen Gebilden wie Sortenclubs investieren. Sie haben viele Vorteile: Die Preise können dank gesteuerter Produktion auf allen Stufen relativ fix festgelegt werden und die Produzenten sind via einen zwischengeschalteten Logistiker straff an der Leine.

Für die Produzenten wiederum bringen Clubsorten eine Mischung aus Sicherheit und Abhängigkeit. Sie dürfen, wenn ich die Funktionsweise des Systems richtiv verstanden habe, im Prinzip keinen einzigen Apfel vom Pink-Lady-Baum ausserhalb der vorgeschriebenen Kanäle, also zum Beispiel im Direktverkauf oder im Most verkaufen. Gleichzeitig haben sie einen gesicherten Absatz zu relativ anständigen Preisen, solange die angebauten Mengen von den Verantwortlichen gut auf die Nachfrage abgestimmt werden, wobei hier witterungsabhängig immer grössere Schwankungen möglich sind. Äpfel werden nach wie vor im Freiland angebaut.

Der Vollständigkeit und Fairness halber muss erwähnt werden, dass nicht nur die Grossverteiler in derartige geschlossene Systeme investieren. Man denke nur an die Tierhaltung, wo etwa die Fenaco, das längst autonom agierende Unternehmen in de iure bäuerlicher Hand ähnlich agiert. Tochterfirma Ufa liefert exklusiv Futter auf Höfe, die ihre Tiere exklusiv via Tochterfirma Anicom vermarkten, um nur ein Beispiel zu nennen.

Die Teilnahme in solchen System ist freiwillig, unter dem Strich überwiegen für die Bauern die positiven Aspekte solcher – um es etwas derb auszudrücken – Teufelspakte, denn die Risiken, als Einzelmaske im unprotegierten Markt zu agieren, sind mindestens gleich gross, wie diejenigen in Clubsystemen. Nur die wenigsten wissen daraus Profit zu schlagen. Meist sind es Bauern mit einem idealen Mix aus gewieftem Unternehmertum und idealen Bedingungen für Absatzwege, die direkter zum Konsumenten führen und so ohne Clubmitgliedschaft höhere Margen ermöglichen, als unter Normalbedingungen. 

M-Alnatura: Institutionalisierte Einkaufstouristin

September 6, 2012

Vor einigen Tagen hat die Migros ihren ersten Alnatura-Shop eröffnet. Das Konzept für den Bio-Supermarkt ist vom deutschen Unternehmer Götz Rehn entwickelt worden. Zunächst begann man mit einem Shop-in-Shop-Verfahren mit Alnatura-Ecken in anderen Supermärkten, später, 1987, wurde in Mannheim der erste Laden eröffnet, wie man im umfassenden Wikipedia-Eintrag nachlesen kann.
Das reich Preis-dekorierte Unternehmen hat mittlerweile 70 Filialen in Deutschland und 35 Jahre nach der Eröffnung des ersten Ladens gibt es nun auch einen in der Schweiz. Zu verdanken ist dies der Migros, die mit Alnatura eine Partnerschaft eingegangen ist.
Ich habe mir das 460 Quadratmeter grosse Geschäft in Höngg zweimal angeschaut. Der geräumige Laden ist gut dotiert mit rund 5000 Produkten. Rund 10 Prozent stammen aus dem Migros-Bio-Sortiment, 20 Prozent sind Eigenmarken von Alnatura. Der Rest besteht aus einem Mix von in- und ausländischen Bioprodukten, wobei die meisten der importierten Produkte auch im deutschen Alnatura-Sortiment zu finden sind. Namentlich die Frischprodukte stammen erfreulicherweise grösstmehrheitlich aus der Schweiz, dabei sind auch kleinere Produzenten ins Sortiment aufgenommen worden, darunter die Sennerei Bachtel und die Holzofenbäckerei Vier Linden.
Was die Preisgestaltung angeht wirkt das Niveau vernünftig, wenn man sich an Schweizer Supermarkt-Bio-Verhältnisse gewohnt ist. Interessant ist an der Neueröffnung für Detailhandelsspezialisten (zu denen ich mich nicht wirklich zählen möchte, aber ich finde es trotzdem interessant), dass zwischen der neuen Filiale in der Schweiz und den bestehenden in Deutschland ein Preisvergleich von identischen Produkten möglich ist, was auch einige Aufschlüsse über die Marge erlaubt.
Migros ist – was die übernommenen Teile des Sortiments angeht – eigentlich nichts anderes als ein Einkaufstourist, der bei Alnatura ennet der Grenze postet und dann im eigenen Laden in der Schweiz weiterverkauft. Diesen Vergleich wollte ich mir nicht entgehen lassen, also pilgerte ich diese Woche in den Alnatura-Laden in Konstanz, um den Vergleich zu machen (siehe Tabelle unten).
Die zufällig ausgewählten Produkte kosten in der Schweizer Filiale – wenn man mit einem Eurokurs von Fr. 1.20 rechnet – zwischen 0 und 67 Prozent mehr, als in Deutschland. Spitzenreiter sind Bio-Penne von Alnatura, eine Fruchtschnitte von Rapunzel, zwei Tofuprodukte, ein Schafmilch-Joghurt und eine Pflegecrème von Weleda, die alle in etwa die Hälfte mehr kosten als in Deutschland. Daneben gibt es aber auch einige nur knapp teurere Produkte, am geringsten ist der Aufschlag bei Corn Flakes (0%) und Café von Alnatura sowie einem Feta eines Drittlieferanten.
Ich gehe über den Daumen gepeilt von einer durchschnittlichen Preisdifferenz von 33 Prozent aus. Davon dürften je nach Produkt etwa die Hälfte draufgehen für Zölle (ausser dank Freihandelsabkommen beim Käse, deshalb ist der Feta wohl so günstig), für Transportkosten und für die Kommission, die Migros an Alnatura entrichtet. Von den restlichen rund 15 Prozent Differenz, kann man gut fünf für die höheren Löhne in der Schweiz abziehen. Unter dem Strich verbleiben für Migros gegenüber dem, was Alnatura in Deutschland abschöpft, zusätzliche zehn Prozent Opportunitätsmarge, die man einstreichen kann, weil die Kaufkraft in der Schweiz höher ist und die Biokonsumenten weniger preissensibel als Discountkunden sind. Man möge mich von berufener Stelle korrigieren, wenn diese Schätzung zu hoch (oder zu tief) ist. (Bild Jegen Ladenbau)

Das Show-Duell der Einkaufs-Spiegelfechter

Mai 14, 2012

Der Einkaufstourismus hat sich spätestens mit dem schwachen Euro zu einem Problem für den Schweizer Detailhandel entwickelt. Die CEOs der beiden Marktleader sind nervös. Der neue Coop-Chef Joos Sutter schlug kürzlich eine Senkung der Zollfrei-Grenze für Einkäufe im Ausland vor und wurde dafür harsch kritisiert, was letztlich zur Absage einer geplanten Anti-Einkaufstourismuskampagne der IG Detailhandel geführt haben dürfte. Auch Herbert Bolliger, der Migros-Geschäftsleitungsvorsitzende, agiert im Moment mässig souverän. Jüngstes Beispiel ist das merkwürdige Duell, das sich der Konzernchef mit der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) liefert. Die Geschichte geht so: Die SKS hat ein 16-seitiges Broschürchen, einen sogenannten Mini-Ratgeber herausgegeben, der den Konsumenten das grenzenlose Einkaufen erleichtern soll. Das hat einigen Staub aufgewirbelt, nicht zu Unrecht. Dass ausgerechnet die SKS den Einkaufstourismus aktiv fördert ist ziemlich inkonsequent, gefällt sich die Organisation doch ansonsten in der Rolle der Tier- und Umweltfreundin, zum Beispiel in ihrem neuesten Magazin wo man ein Plädoyer für farbiges Kalbfleisch findet. Dass nun die Konsumenten weit fahren sollen, um vermutlich nicht sonderlich tierfreundlich produziertes Fleisch zu kaufen, entspringt wohl dem verzweifelten Wunsch der SKS zur Profilierung als Preiskämpferin. Früher oder später wird die Organisation aber akzeptieren müssen, dass Qualitäts- und Tiefstpreisstrategie nicht zu verbinden sind. Die harsche Reaktion des Migros-Chefs aber ist dann schon fast grotesk. Ihm sei fast der Kopf abgefallen vor lauter Kopfschütteln über die Broschüre bescheidet er uns in der „Aargauer-Zeitung“. Ach, der Ärmste. Was ihn störte war aber nicht etwa der Inhalt, sondern der Preis von 9 Franken 50. Man zocke die Konsumenten ab, befand der Migros-Chef. Ausgerechnet. Ich bin überzeugt, dass die Migros – selber eine gigantische Einkaufstouristin, übrigens – den Konsumenten pro Kilo importiertem Rindfleisch mehr Marge abknöpft, als das Broschürli der SKS kostet. Wetten? Bolliger darf mir gerne das Gegenteil beweisen indem er seine Marge offenlegt. Aber diese sind auf der ganzen Breite – auch bei Coop – bestgehütetes Geheimnis. Nicht umsonst, wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund ist die Auseinandersetzung von SKS und Migros nicht mehr als ein Show-Duell von Spiegelfechtern.

Label Check: Aldi heizt den Orangen ein

März 7, 2012

Viel und gern haben die beiden etablierten Grossgrossverteiler Migros und Coop über Aldi und Lidl gewettert. Am weitesten ging vor gut zwei Jahren Migros-CEO Herbert Bolliger, der den deutschen Discountern in einem Interview allerhand Übeltaten, namentlich Preisdrückerei vorwarf. Nun, nach gut fünf Jahren in der Schweiz ist namentlich Aldi gut zuhause auf dem Schweizer Markt, während Lidl noch etwas Mühe hat. Der Markteintritt der deutschen Discounter war ein Segen für die preisbewussten Konsumenten. Plötzlich kamen bei der orangen Konkurrenz Preise ins Purzeln, die im ungestörten Duopol wohl weiter auf der alten Höhe geblieben wären. Wenn man heute in der Schweiz einen Aldi aufsucht, ist man als Migros-Coop-Langfristkunde schon erstaunt, zu welch günstigen Tarifen dort die Waren im Regal stehen. Das zeigt, dass bei den orangen Riesen immer noch ziemlich Speck in den Margen steckt, zumal eine Umfrage gezeigt hat, dass bei Aldi Suisse das Personal absolut vergleichbar bezahlt wie die Schweizer Traditionsunternehmen. Item. Auch im Labelsegment heizt der deutsche Discounter Migros und Coop tüchtig ein. Nachdem man schon länger ein umfangreiches Biosortiment anbietet, kommt nun auch ein IP-Label dazu. NatureSuisse ist vergleichbar mit TerraSuisse von Migros und Naturafarm von Coop. Das NatureSuisse-Sortiment ist noch auf Fleisch beschränkt, ausschliesslich aus einheimischer Produktion. Die Anforderungen sind identisch mit den von Migros und Coop: Die Direktzahlungsprogramme Besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS) und Regelmässiger Auslauf ins Freie (RAUS). Im Internet ist NatureSuisse wie TerraSuisse mit eigener Adresse vertreten, während die Adresse naturafarm.ch zu einem Berner Biobauern mit politischen Ambitionen führt. Inhaltlich bietet Naturafarm auf der Homepage am meisten. Aldi hat aber anders als die Konkurrenz ein Rückverfolgbarkeitstool. Der interessante Ansatz ist allerdings ausbaufähig, denn noch kommt man – zumindest ich bei einem kleinen Test – nicht auf den einzelnen Betrieb, sondern höchstens in eine Region, aus der das Fleisch stammt. Inhaltlich am Schwächsten ist Terrasuisse, das auf viel Grafik, wenig Information und nerventötendes Vogelgezwitscher setzt, wobei man dieses, das sei fairnesshalber gesagt, auch abstellen kann. Unter dem Strich ist das Angebot von Aldi durchaus konkurrenzfähig. Jedenfalls kann man dem deutschen Discounter nicht vorwerfen, er erkaufe sich die Preisvorteile durch Einsparungen beim Tierwohl oder beim Umweltschutz.