Posts Tagged ‘Milchmarkt’

Phosphatprobleme im holländischen Hinterland

Mai 31, 2016

Demo2Interessante Begegnung heute im holländischen Hinterland: Wir sind mit ENAJ, dem europäischen Agrarjournalistennetzwerk unterwegs, Anlass ist das informelle EU-Agrarministertreffen in Holland, das derzeit die Union präsidiert. Teil des Programms ist die Besichtigung des Milchbetriebs von Rick und Joke Lagendijk in Diessen, eine halbe Stunde südlich von Eindhoven.

Demo4Sie haben letztes Jahr einen Stall für 250 Kühe fertiggestellt, Kosten pro Kuhplatz 6000 Euro (inkl vier Lely-Roboter), hoher Kuhkomfort im Kompoststall als Ziel, täglich Weide bei anständigem Wetter und eine jährliche Milchmenge von 1,7 Mio Kilo, die zum Grossabnehmer Friesland Campina geht.

Der Besuch war ausgesprochen interessant, man erfuhr viel als Schweizer in der Milchkrise. Auch in Holland ist die Lage angespannt, der Milchpreis der Lagendijks liegt derzeit bei 25 Cent, vor Jahresfrist waren es gut 10 Cent mehr. Man spürt in der EU die gestiegene Produktionsmenge, nachdem im April 2015 die Quoten aufgehoben worden waren.

Übertrieben jammern über die Preissituation mag der Bauer allerdings nicht, man ist sich in der niederländischen Pampa den rauen Wind des Markts gewohnt. Wer hier überleben will, muss in guten Zeiten vorsorgen, das war letztes Jahr mit Produktionskosten von 31 Cent pro Kilo möglich, heuer zehrt man von den Reserven.

Was Lagendijk deutlich stärker belastet, ist ein anderes Problem. Die Niederlande haben einen notorischen Nährstoffüberschuss, nicht sehr überraschend, angesichts der Intensität mit der hier produziert wird. Lagendijks sind dafür mit potenziell 250 Kühen auf 56 Hektaren Land ein gutes Beispiel.

Die hohe Nährstoffbelastung sorgt für Druck aus der EU und aus dem eigenen politischen Überbau. Konsequenz: Holland muss das Nährstoffaufkommen und in erster Linie die Phosphatbelastung senken. Deshalb hat die Regierung dekretiert, dass die Milchbauern nicht mehr Tiere halten dürfen, als am Stichtag 2. Juni 2015. Das hat viele Milchbauern auf dem falschen Fuss erwischt, weil sie letztes Jahr angesichts der Aufhebung der Quote tief in die Tasche griffen, um ihre Bestände aufzustocken.

Lagendijks sind ein gutes Beispiel: Statt der beabsichtigten 250 Kühe können sie derzeit nur 180 Stück halten. Die Konsequenz ist, dass sie die Kosten für den schönen Neubau nicht vollumfänglich amortisieren können.

Demo1Offenbar geht es zahlreichen anderen Bauern in der Gegend gleich, als nämlich der Konvoi mit den ebenfalls auf dem Betrieb weilenden EU-Ministern seine Rückreise antreten wollte, stellten sich diesem im strömenden Regen etwa 30 protestierenden Milchbäuerinnen und -bauern in den Weg. Sie beklagen sich, dass sie mit ungleich langen Spiessen gegen die Mitbewerber in der EU antreten müssen, haben doch die Kollegen in den Nachbarländern ungleich weniger scharfe Vorschriften bezüglich Nährstoffbelastung, wenn auch in gewissen deutschen Bundesländern durchaus reguliert wird.

Nach langem Hin- und Her wird schliesslich eine Delegation zu den Ministern in den Bus vorgelassen, damit sie ihre Klage deponieren können. Ändern wird sich die Situation erst wieder, wenn die Preise etwas höher steigen, wofür gemäss dem ebenfalls anwesenden CEO von Friesland Campina, Roelof Joosten erste Anzeichen bestehen. Dann nämlich werden es sich die Bauern leisten können, die horrend teuren Phosphorproduktionsrechte zu kaufen, mit denen man die Bestände ausbauen kann. Gegenwärtig gibt es keinen festen Preis, da kaum gehandelt wird, aber man rechnet mit rund 5-6000 Euro pro Kuhplatz.

Der Lösungsansatz ist typisch niederländisch. Im Sektor ist Intensitätsreduktion eigentlich nie ein Thema, vielmehr sucht man immer nach technischen oder wie in diesem Fall fiskalischen Lösungen, um die Landwirtschaft im Stadtstaat Holland zwischen einigermassen Nachhaltigkeits-verträglichen Leitplanken zu halten.Demo3

 

Mit Pünktlisammeln allein bist du noch nicht WOW

September 19, 2015

MlekoEinkaufstourismus ist tatsächlich kein Kinkerlitzchen, 9 Milliarden Franken geben Schweizer Konsumenten ennet der Grenze alljährlich für allerhand Einkäufe vom Handtäschli übers Haarshampoo via Chateaubriand bis zum Brie aus, und warum nicht noch schnell ins Reisebüro? Höchste Zeit also für Gegensteuer aus der hiesigen Branche. Die landwirtschaftlichen Verbände sind hier an vorderster Ladenfront beteiligt.

Schon seit einigen Monaten lassen uns die Schweizer Milchproduzenten (SMP) auf den Produkten klebende Punkte sammeln, um heimisches Milchschaffen zu fördern. Bei genügendem Sammelstand können diese gegen Prämien eingetauscht werden, eine Art Direktzahlung in die andere Richtung, sofern einem das SMP-Täschli dann gefällt.

Nicht weniger als „WOW!“ ist man sodann bei der von Agro Marketing Suisse (AMS), dem Absatzförderungsverein der Schweizer Landwirtschaft massgeblich mitgeprägten Kampagne; natürlich nur, wenn man innerhalb der Grenzen einkauft, „well Sorg hebsch zur Schwiiz„, das ganze garniert mit einem aufwändigen Spot, mit einem der’s vormacht, wie musterhaftes Einkaufen geht, alles mit dem Velo auf kleinem Raum.

Beides sind sicher lohnenswerte Versuche. Der SMP gebärdet sich zwar etwas altväterisch, Pünktli sammeln mussten wir schon vor 40 Jahren für Mondo-Bücher, Konsummärggeli waren ebenso Alltag wie heute die Wertzeichen fürs Sammelheftli des Volg-Publikums. Aber warum nicht? Never change a winning Team, bzw. Marketingmethode.

„WOW“, seinerseits kommt gefällig und peppig daher, für mich jetzt fast ein wenig „übermarchet“, wie der Berner Bauer wohl sugte, aber vielleicht bin ich ja auch nicht im Kernzielpublikum, als einer, der immer brav heimisch kauft, jedenfalls fast.

Mal abgesehen von der Qualität der Kampagnen, die ich nicht wirklich fachmännisch beurteilen kann, scheint mir, dass sie am Kern des Problems vorbeischrammen, zumindest aus bäuerlicher Sicht. Das Problem ist ja für die meisten Produzenten, dass der Produktepreis und, um beim Beispiel zu bleiben, der Milchpreis nicht kostendeckend ist.

Dieser schlechte Preis hat aber nur sehr bedingt mit dem Einkaufstourismus und dem Einkauf ausländischer Milchprodukte in der heimischen Molkereiabteilung zu tun. Das Grundproblem ist, dass die Bauern als reine Rohstoffproduzenten viel zu wenig, nämlich unter 50 Prozent des Ladenpreises erhalten. Dieses Problem haben sie in ganz Europa, siehe die kürzliche Grossdemonstration in Brüssel, und darüber hinaus. Auch in Ländern wo Einkaufstourismus kein Thema ist, zB. England.

Ansetzen müssten die Verbände also anderswo: Wie schaffen es die Produzenten, sich einen grösseren Anteil an der Wertschöpfung zu holen? In diesem Artikel, der heute im LID-Mediendienst erschienen ist, wird schön beschrieben, wie schwierig es für die Produzenten ist, via Mengenausdehnung den Verdienst zu erhöhen bzw. in erster Linie mal die Fixkosten zu decken und die Investitionen abzuschreiben. Das belegt auch die stattliche Zahl von Grossbetrieben, die aus der Milchproduktion aussteigen, während kleinere Fische wie der Ueli-Hof im erwähnten Artikel Nischen suchen und bewirtschaften in denen sie bestens leben, weil sie selber verarbeiten, direkt vermarkten, an echte bäuerliche Genossenschaften liefern etc.

Schon klar, dass nicht jeder geeignet ist, ohne Hilfe selber zu verkäsen oder zu metzgen weil das Knowhow fehlt oder die Verkehrslage schlecht ist. Gerade deswegen bräuchte es hier den Support der Verbände. Man müsste die Bauern ertüchtigen, eine höhere Wertschöpfung zu generieren, statt Rabattsysteme für Konsumenten zu kreieren, die ohnehin schon zu wenig zahlen für die Lebensmittel. Das Problem ist wohl, dass man sich in diesem Fall mit der eigenen Klientel anlegen müsste. Zu den mächtigsten Mitgliedern der SMP gehören etwa die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), die ihrerseits Mehrheitsaktionärin von Emmi sind, die wiederum wenig Interesse daran haben dürfte, dass sich die Bauern verstärkt um das Schicksal ihres Produktes kümmern und ihr Marge abgraben.

Kritisch betrachten muss man vor diesem Hintergrund auch das Mantra von der produzierenden Landwirtschaft, das die Verbände, an vorderster Front der Dachverband ohne Unterlass beschwören. Natürlich müssen die Bauern produzieren, aber das reicht eben nicht, vielmehr müsste man das Mantra erweitern und wenn schon eine Initiative für produzierende UND verarbeitende UND direktverkaufende Landwirtschaft lancieren.

 

Käse: Gelbe Linie durch die Weisse Rechnung

Juli 25, 2014

mix_brands_0015Eher selektiv präsentiert die Marketingagentur Switzerland Cheese in einer Medienmitteilung ihre Halbjahreszahlen: „Wertmässige Steigerung der Exporte von Schweizer Käse“ hiess es da. Der Titel verschweigt aber, dass die Exporte im ersten Halbjahr 2014 um gut 5 Prozent gesunken sind und dass die Wertsteigerung lediglich erhöhten Preisen zu verdanken war, die dann auf die Exporte drückten. Es sei einer Vermarktungsorganisation, die im Namen der Branche Marketinggelder des Bundes und eigene Mittel verteilt, nicht verwehrt, schönzufärben. Aber in diesem Fall wäre es vermutlich eher angezeigt, reinen Wein einzuschenken.

Das hiesse klar aufzuzeigen, was Sache ist und welche Strategien ergriffen werden sollten, um Gegensteuer zu geben. Die Fakten sprechen für sich: Der seit Jahren anhaltende Sinkflug des nach wie vor grössten Umsatzträgers Emmentaler ist brutal weitergegangen (-18,2% gegenüber der Vorjahresperiode) und die bisher fast stetig wachsenden anderen Spezialitäten wie Gruyère (-1,6%), Appenzeller (-1,5%),, Tête de Moine (-3,4%), Tilsiter (-13,1%) und Vacherin Mont d’or (-51,6%(!)) haben die Wachstumsgrenze erreicht oder überschritten, vom Sbrinz gar nicht zu reden (-12,5%). Ein schlechtes Zeichen ist auch, dass der sogenannte Switzerland Swiss, eine billige Emmentalerkopie ebenfalls nicht vom Fleck kommt (-0,7%), nachdem er letztes Jahr noch um 200% zugelegt hatte. Das zeigt, dass die Selbstkannibalisierung keine brauchbare Strategie ist.

Was heisst das unter dem Strich? Alles, worauf die Schweiz stolz war im Käseexport steckt in der Krise oder hat zumindest die Grippe. Gleichzeitig haben die Importe wert- und mengenmässig wie immer in den letzten Jahren zugelegt und zwar um 2,6%, am deutlichsten war die Zunahme interessanterweise bei den Hartkäsen, also unseren Topprodukten, die im Inlandabsatz auch eher zaghaft wachsen oder gar weiter schrumpfen.

Die ganze Situtation wird sich aufgrund der Aufhebung der Milchkontingente im nächsten Jahr in der EU vermutlich noch verschärfen. In der bäuerlichen Presse befürchtet man bereits eine Milchschwemme. Die Milch wird bei der zu erwartenden Überproduktion billiger, was nach Adam Riese garantiert auf die Produktepreise durchschlagen wird, was die Importkäse preislich für die Importeure noch interessanter und den Export noch tückischer macht.

Gleichzeitig liebäugelt der Bund mit Support der üblichen Souffleure mit einer Freihandelsstrategie bei der sogenannten Weissen Linie, also Frischmilchprodukte. In einem Kampf der Studien schlagen sich Befürworter und Gegner einer Marktöffnung die Zahlen um die Ohren. Zugunsten einer Liberalisierung wird gerne das Beispiel Käse angeführt, wo der Freihandel zu den eben aufgezählten Auswirkungen geführt hat. Ich sehe aus den Erfahrungen mit der „Gelben Linie“ aber keinerlei positive Argumente in Richtung isolierter Marktöffnung erwachsen. Es bräuchte, wenn schon offene Grenzen für sämtliche Branchen, habe mir da schon öfter die Finger schusselig geschrieben. Solange Importeure von landwirtschaftlichem Gerät bis Medikamenten die höhere Schweizer Zahlkraft schamlos abschöpfen dürfen, ist es nicht sauber, die Bauern samt der nachgelagerten Sektoren in den Marktsturm zu stellen. Dass man das dann mit staatlichen Ausgleichszahlungen kompensieren muss ist ja irgendwie auch nicht das Gelbe vom Ei, wenn man von genau dieser Subventionspolitik eigentlich weg kommen möchte.

Item, ich melde mich mal für ein paar Wochen ab und werde möglichst viel Hartkäse essen, promise.

 

Die wundersame Genesung des Milchmarkts

Dezember 5, 2012

Milchmarkt im WinterSo schnell kann es gehen. Kaum hat im Land der Winter Einzug gehalten, präsentiert sich nicht nur die Landschaft zumindest im Gebirge im neuen Kleid, sondern auch der Milchmarkt. Offenbar übersteigt die Nachfrage mittlerweile das Angebot an Molkereimilch, laut dem Landwirtschaftlichen Informationsdienst bedingt durch einen Produktionsrückgang um lediglich 3 bis 5 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Gründe dafür sind die mangelhafte Qualität des im Sommer eingebrachten Futters und die sinkende Kuhzahl, dies wiederum eine Reaktion auf die schrittweise abgebauten Preise seit der letzte Knappheit im Dürrejahr 2007, das auch den Schweizer Produzenten eine Hausse bescherte.
Die Folgen sind wie folgt: Die Bauern verlangen wenig überraschend nach einem höheren Milchpreis, gemäss der „Bauernzeitung“ um deren 5 Rappen. Die Chancen für eine Erhöhung scheinen aber gering. Derweil hat sich der Preis für sogenannte Spotmilch – also solche, die ausserhalb der Abnahmeverträge zwischen Produzentenorganisationen und Verarbeitern gehandelt wird – massiv erhöht, gemäss derselben Quelle um nicht weniger als 15 Rappen. Laut dem „Schweizer Bauer“ – der Artikel ist online leider nicht erhältlich – liefern die POs mittlerweile so wenig wie möglich im Vertragsrahmen, um daneben möglichst viel auf dem Spotmarkt zu verkaufen.
Die Entwicklung bestätigt ein paar alte Weisheiten:
1. Der Grat zwischen Über- und Unterproduktion ist schmal. Aus meiner Sicht sollte dies die Produzenten und ihre Organisationen in der Überzeugung bestärken, die Menge straffer zu kontrollieren und dabei enger zu kollaborieren.
2. Die Verarbeiter kaufen in der Knappheit lieber zu teure vertragslose Milch ein, um sich nicht längerfristig zu höheren Preisen zu verpflichten. Sie gehen, so nehme ich an, davon aus, dass spätestens das Frühjahr eine neue Milchschwemme bringen wird. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen. Möglicherweise bleibt die Knappheit ein länger anhaltendes Phänomen, denn eine einmal gesenkte Kuhzahl lässt sich nicht so mir nichts, Dir nichts wieder eröhen.
3. Die Produzenten und ihre Organisationen geben relativ wenig auf Vertragstreue und pflegliche Beziehungen mit den Verarbeitern, sobald sie die Möglichkeit auf kurzfristigen Gewinn sehen. Natürlich habe ich Verständnis, dass jeder so viel wie möglich mit Spotmilch verdienen will. Allerdings dürfte man konsequenterweise beim nächsten Unterzug der Verarbeiter, er wird kommen, nicht allzu laut aufjaulen.
4. Trotz der verbesserten Marktsituation ist die Position der Branchenorganisation Milch nicht wirklich gefestigt worden. Der erfolgreiche Abbau des Butterbergs mittels Zwangsabgaben der Produzenten sei früher aus Produzentenhand deutlich günstiger bewerkstelligt worden, heisst es hinter vorgehaltener Hand. Und die Segmentierung, eines der Hauptinstrumente aus der BOM bewährt sich auch in der Knappheit nicht, weil die Verarbeiter den C-Milch-Anteil, also den Teil der Milch den sie unter dem Weltmarktpreis einkaufen, nach wie vor Aufrecht erhalten, dies, so heisst es im Artikel des LID, weil sie in den letzten Jahren Kanäle für Billigmilch-Verwertung aufgebaut haben, die sich nur mit Spottpreis-Rohstoff weiterhin bedienen lassen.
Bleibt zum Schluss noch eine Frage: Wer sitzt am Schluss mit abgesägten Hosen unter der Kuh? Auch wenn das Bild suggeriert, dass es der Bauer sein wird, möchte ich dafür noch nicht die Hand in die heisse Milch legen. (Bild LID)

Auf dem Milchmarkt wirds bald ruhigair

April 10, 2012

Meine treue Kuhbild-Lieferantin Monika Schlatter hat mir dieser Tage wieder einmal eine Perle zukommen lassen: „Habe die Aufnahme am vergangenen Freitag in der Nähe des Soppensees (LU) gemacht, fand die Originalaufnahme aber etwas ‚gewöhnlich‘. Ich habe deshalb ein bisschen daran ‚herumgebastelt’…“, schreibt sie mir. Danke bestens Monika! Auch für den Steilpass, den Du mir zuspielst, um wieder einmal den Milchmarkt zu thematisieren. Zu diesem Bild gibts wohl keine naheliegendere Metapher als das Schwarz-Weiss-Denken. Aber der Reihe nach: Je länger das Gezänk um die richtige Höhe eines „fairen“ Milchpreises andauert, desto mehr erinnert es mich an die Diskussion um die „faire“ Lärmverteilung rund um den Flughafen Zürich, die ich rund 10 Jahre lang als Redaktor begleitet und wortreich beschrieben habe. Unterdessen hat mir das Glück eine neue Aufgabe beschert und ein sehr talentierter junge Kollege hat sich des leidigen Themas angenommen. Geändert hat sich an der Lage aber nichts. Die Positionen sind bezogen, man hat sich die Welt eingeteilt in Gut und Böse, eben Schwarz und Weiss; es ist niemand bereit einen Schritt auf den anderen zu zu machen und das Resultat ist am Ende ein Status Quo, mit dem die wichtigsten Player einigermassen leben können, obwohl sie für die Kulisse noch ein wenig Lärm machen. 
Interessant ist vielleicht noch die Rollenverteilung in diesem Vergleich. Der Bund ist in beiden Konflikten der Bund. Im Fluglärmkonflikt ist seine Rolle noch etwas aktiver als bei der Milch, aber die Verhandlungserfolge gegenüber der deutschen Seite sind derart gering, dass er sich wohl ebensogut raushalten könnte. Der Flughafen erinnert mich an die Branchenorganisation Milch (BOM). Er organisiert den Verkehr und kann gut leben mit der Situation, immerhin hat ihm das deutsche Powerplay ermöglicht, neue Flugrouten zu öffnen. Das gilt auch für die Mehrheit der BOM-Mitglieder, der grösste Störefried ist mit den Schweizer Milchproduzenten ausgeschieden und man arrangiert sich ganz flott mit der Situation. Die Rolle der Deutschen im Fluglärmkonflikt gehört im Milchstreit den Molkereien und Milchhändlern. Sie machen Druck auf den Preis und schaden damit ihren Eigentümern, den Bauern. Beim Lärmkonflikt ist es der deutsche Staat, der mit seiner Korsettpolitik die eigene Fluggesellschaft, die Lufthansa, in die Enge treibt. Die Milchproduzenten und ihre Organisationen schliesslich, sind mit den Anwohnern rund um den Flughafen und ihren Bürgerinitiativen zu vergleichen. Sie lamentieren zwar noch, aber mit abnehmender Intensität. Die Zeit der grossen Aufmärsche ist allmählich vorbei und man findet sich mit den Zuständen ab, ohne dass man dies offen zugestehen würde. So, genug der Vergleiche. Zum Schluss lasse ich noch einmal Monikas Bild sprechen. Ich habe ein bisschen darum herumgebastelt, nicht etwa weil es zu gewöhnlich gewesen wäre, sondern weil es sich einfach grad so anbot. Finde den Unterschied… (Bild Monika Schlatter)
  

SMP&Co: Organisationen im Karriereherbst

März 4, 2012


Am Freitag hat in Bern ein bescheidenes Grüppchen von geschätzten 250 Bauern auf Einladung von Uniterre unter anderem für einen fairen Milchpreis und Ernährungssouveränität demonstriert. Laut Medienberichten forderte Uniterre unter anderem eine aktivere Rolle der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Man müsse der Organisation die Steuerung der Milchmenge übertragen. Das ist ein frommer Wunsch, denn dafür ist der Zug längst abgefahren. Schon kurz nach der Abschaffung der Milchkontingentierung 2009 zeigte sich leider, dass die Idee des Milchpools unter Ägide des Dachverbands zum Scheitern verurteilt ist. Der Milchhandel läuft heute über regionale Produzentenorganisationen, die direkt mit den wenigen grossen Abnehmern verhandeln. Die Meinung der SMP interessiert nur noch beschränkt. Als sie vergangenes Jahr unter Getöse aus der Branchenorganisation Milch (BOM) austraten, krähte ihnen dort kaum ein Hahn nach. Im Gegenteil, man zeigte sich bei den Zurückgebliebenen eher erleichtert, dass man nun ungestörter Tagen könne. Das Interesse an einer Rückkehr scheint bis heute limitiert. Dieses Desinteresse am Verband ist ein Zeichen für dessen reduzierte Relevanz, nicht nur für die Marktpartner, sondern auch für die Mitglieder. Die Zeiten als der Direktor der SMP mit Vertretern von Käseunion, Käsern und Bund in der sogenannte Viererbande den Milchpreis aushandelte kommen einem heute vor wie ein Märchen aus dem Band „1001 Landwirtschaftslegenden“. Trotz Finanzstärke läuft der Verband Gefahr, zu reinen Marketingorganisation mit Rezeptheft zu mutieren. Doch die SMP sind längst nicht die einzige Branchenorganisation, die im Herbst der Verbandskarriere angekommen scheint. Nehmen wir zum Beispiel die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland. Die zerstrittene Interprofession ist eine zahnlose Verwalterin der Markenrechte, die im Marktgeschehen kaum mehr eine Rolle spielt. Forsche Käser, namentlich aus der Ostschweiz haben ihr Schicksal längst selber in die Hand genommen und verhandeln direkt mit dem Handel oder haben sogar selber Firmen gegründet. Das tangiert auch die Pläne des Käserverbands Fromarte. Dessen Projekt für die Gründung einer Einheitshandelsfirma für Emmentaler bleibt, wenn micht nicht alles täuscht, ein Papiertiger. Schwach auf der Brust ist auch die Switzerland Cheese Marketing (SCM). Ihre millionenschweren, vom Bund zur Hälfte mitfinanzierten Kampagnen für die wichtigsten Käsesorten verpuffen offenbar praktisch wirkungslos, verlieren diese doch auf den Exportmärkten an Boden. Derweil legen die unbeworbenen Nischenplayer zu. Böse Zungen werfen der SCM vor, zu stark in der Käseunions-Mentalität verhaftet zu sein und empfehlen augenzwinkernd eine Direktüberweisung der Marketingmittel an die darbenden Käser und Milchbauern. Die Uniterre-Demo übrigens zeigte auch die Probleme dieser oppositionellen Bauernvereinigung auf. Mit umstrittenen Aktionen, zum Beispiel erfolglosen Stiefelwürfen auf die damalige Landwirtschaftsministerin Leuthard und der Präsentation eines toten Kalbes auf dem Bundesplatz haben sie innerhalb der Branche viel Geschirr zerschlagen. Auch dieser Organisation kann man keine grosse Zukunft prognostizieren. Schade eigentlich, denn etwas mehr kreatives Kämpfertum würde dem betulichen Landwirtschafts-Millieu überhaupt nicht schaden. (Bilder Samuel Krähenbühl/“Schweizer Bauer“)