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Frühlingsweideparade (2): Wie lange noch?

Mai 11, 2015

Monikas Frühlingskuh2Kürzlich hat mich wieder eines dieser tollen Bilder von Monika Schlatter erreicht, versehen mit folgendem Kommentar: „Gestern war Idylle und Erholung pur, ein wunderbarer Tag! – ich ging von Zeglingen (von dort die beiden angehängten Bilder) über Oltingen – Talweiher – Wenslingen nach Tecknau. Nicht nur die blühenden Bäume waren eine Augenweide, sondern auch das Tälchen mit der jungen Ergolz zwischen Oltingen und Talweiher – und überall dieses frische Grün der Blätter im Wald – herrlich.“ Wirklich sehr hübsch, danke Monika!

Wie es da so selbstverständlich in der Landschaft liegt, das Idyll, könnte man meinen, es sei geschenkt. Und vor allem, wenn man dieser Tage wieder mal ein bisschen Zeitung las. Nachdem die Landwirtschaftsvertreter dank einer Koalition mit den Grünen notabene das Cassis-de-Dijon-Prinzip gebodigt hatten, war wieder einmal freier Auslauf für die Landwirtschaftsbasher angesagt, zum Beispiel hier und hier. Selbstverständlich stimmte auch noch einer der notorischen Elfenbeinturm-Ökonomen ins Klagelied über die ach so böse Landwirtschaftslobby ein, die sich und ihre Klientel vom Staate stopfen und protektiert subventionsmästen lässt.

Das Cassis-de-Dijon-Prinzip war dabei nur ein prima Vehikel um die alte Leier in Gang zu bringen. Es ist aus meiner Sicht eher ein trojanisches Pferd zur Einfuhr von industriell optimierter Massenware und fetter Margen von Importeuren als ein Garant für Freedom of choice und günstigere Preise für die geschundenen Schweizer Konsumentinnen, die jedes Jahr prozentual weniger ausgeben für ihre Lebensmittel, die aber glaubt man den Kommentatoren, schon in Bälde am Hungertuch nagen dürften, wenn der Bauernlobby nicht endlich das Handwerk gelegt wird. Ähnlich krud wie von dieser Antiagrarfront wird fast nur noch von der Autolobby agitiert, die nachdem das Land zu guten Teilen asphaltiert und mit Tiefgaragen unterkellert ist, immer noch ständig über den an den Rande gedrängten motorisierten Mitbürger lamentiert.

Gerne angeführt wird von den vereinten Agrarliberalisierern der Einkaufstourismus, um den an die Wand gemalten Teufel noch etwas dramatischer wirken zu lassen. Dazu zwei kurze Anmerkungen: Erstens ist Einkaufstourismus primär ein Hobby wie Pedigrohrflechten oder Pferdewetten. Die Schweizerinnen fahren nicht über die Grenze, weil sie ökonomisch dazu gezwungen wären, sondern weil sie gerne flanieren in den attraktiven deutschen, italienischen, österreichischen und französischen Fussgängerzonen, weil es das in der Schweiz (unter anderem dank der Autolobby) kaum gibt und weil sie dort noch das eine oder andere Schnäppchen garnieren können. Zweitens ist es tatsächlich so, dass die Preise ennet der Grenze geradezu grotesk viel tiefer sind als hierzulande, aber das den Bauern in die Schuhe zu schieben ist ziemlich dreist. Das wäre etwa so, wie wenn man den Lokomotivführer für die steigenden Billetpreise verantwortlich machen würde. Auch die Bauern bewegen sich in der Hochpreisinsel Schweiz, kaufen hier ein und bunkern ihre drei Milliarden Direktzahlungen nicht auf dubiosen Konten sondern führen sie mehrheitlich der Wirtschaft zu.

Sie machen so als (ländliche) Wirtschaftsförderer mehr aus dem Staatsgeld, als es eine Behörde je selber könnte. Die ihnen übertragenen Aufgaben erledigen sie zudem zu Preisen, für die kein Werkhofangestellter eine Schaufel in die Hand nehmen würde. Wenn man das Kulturland, wie zum Beispiel das obenstehende Idyll durch städtische Grünbewirtschafter oder Gartenbauunternehmen bewirtschaften liesse, käme es teurer, mit Garantie. Und sie würden so ganz nebenbei keine doch mehrheitlich relativ hochwertige Lebensmittel produzieren (deren Preise die Produktionskosten oft nicht decken), sondern höchstens Biomasse für Kompostwerke. Diese Leistung könnte man auch einmal würdigen, statt reflexartig und oft wider besseres Wissen auf die Bauern und Bäuerinnen einzudreschen. Denn das Idyll, es ist nicht geschenkt, sondern Produkt harter Arbeit. Und sind die Vielgescholtenen eines Tages in Grund und Boden geschrieben, wachsen sie auf den vergandeten Flächen nicht einfach so nach, im Fall.

So fertig gepredigt. Nur noch ein kleiner Wunsch an alle Journalistinnen und ÖkonomInnen: Bitte geht vor Eurem ersten Artikel über Landwirtschaft(-spolitik) ein paar Wochen in den Landdienst. (Bild: Monika Schlatter)

 

AP 2014-17: Ein Päckli für Stadt & Land

September 26, 2012

Dieses schöne Bild, das meine Gast-Kuhfotografin Monika Schlatter (merci!) kürzlich vor dem Europa-Hauptsitz von Kraft Foods in Glattbrugg gemacht hat, steht hier symbolisch. Nicht etwa dafür, dass Mitarbeiter eines Nahrungsmittelkonzerns ein paar Kühe vor dem Fenster brauchen, um sich daran zu erinnern, wer an der Basis ihrer Löhne steht. Sondern für die Agrarpolitik und das soeben vom Nationalrat verhältnismässig ungeschoren verabschiedete Päckli AP2014-17.
Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis, obschon es eine Qual war, die Debatte auf parlament.ch live zu verfolgen. Für Nicht-Parlamentarier ist die Entscheidungsfindung ein derart kryptische Abstimmungskaskaden zerlegt, dass es kaum möglich ist, zu eruieren, um was es gerade geht. Aber das ist letztlich egal. Was zählt ist das Ergebnis und mit diesem können Stadt und Land zufrieden sein, finde ich, daher übrigens das Bild.
Die Landwirtschaft kann befriedigt zur Kenntnis nehmen, dass die Zahlungsbereitschaft bei aller Kritik an der bäuerlichen hohlen Hand unverändert ist. Über den Umfang der jährlich rund 3,5 Milliarden Staatsstützung wurde schon gar nicht diskutiert. Die Steuerzahler können ebenfalls befriedigt zur Kenntnis nehmen, dass die Gelder künftig zielgerichteter verteilt werden. Das ist ein nötiger Schritt, denn die Voraussetzungen für die 1 bis 2 Prozent Bauern werden sich ändern. Während heute jedeR zweite irgendwie ein bisschen Bauer oder Landei im Herzen ist, weil ein Grossätti oder ein Onkel noch ein paar Chueli hielt, wird die Zahl dieser Heimweh-Bewirtschafter künftig abnehmen. Selbst mein Nachwuchs, den ich mit bauernfreundlicher Rhetorik beregne und bei jeder Gelegenheit auf Bauernhöfe mitnehme, lässt sich nicht so ohne weiteres faszinieren für die Scholle. Wenn man will, dass die zunehmend verstädterte Schweiz auch künftig zahlungswillig bleibt, braucht es ein System, das einleuchtet und keine flächendeckende Verteilung von Manna mit diffusen Kriterien.
Vor diesem Hintergrund ist auch zu begrüssen, dass die Wiedereinführung von Tierhalterbeiträgen durch die Hintertür gescheitert ist. Obwohl ich ein grosser Freund von Kühen und Co. im Landschaftsbild bin, lässt sich Tierhaltung die nur durch Direktzahlungen motiviert ist, heute nicht mehr rechtfertigen, zumal ja die ökologischen Probleme durch Stickstoffüberschüsse keineswegs vom Tisch beziehungsweise aus den Bächen und Seen sind.
Fazit: Gut gibt’s die Schweizer Bauern und die Schweizer Steuerzahler. Und ein Parlament mit Augenmass. (Bild Monika Schlatter)