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Der freizügige Schnitt ins eigene Fleisch

April 23, 2012

Vor wenigen Tagen hat der Bundesrat das Ventil bei der Personenfreizügigkeit selektiv verengt. Die Langzeit-Bewilligungen vom Typus B werden für acht osteuropäische Länder (die baltischen Republiken, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien) beschränkt. Zwischen Mai 2011 und März 2012  waren gemäss „Schweizer Bauer“ 6568 Arbeitskräfte aus den genannten Ländern in der Schweiz tätig. Für die nun folgende Jahresperiode vom Mai 2012 bis zum Mai 2013 beschränkt dier Bundesrat die Zahl der Arbeitskräufte aus den sogenannten EU-8-Ländern auf 2179, ziemlich genau ein Drittel.
Die Ventilklausel ist eine Beruhigungsspritze für das Volk. Soll mir keineR weismachen wollen, dass 4000 Arbeitskräfte mehr oder weniger für die Schweizer Wirtschaft irgendeinen makroökonomischen Effekt haben sollen. Zumal es sich bei diesen Arbeitskräften mehrheitlich um Leute handelt, die gar nicht längerfristig bleiben, sondern in der Schweiz ein Polster schaffen wollen für Investitionen in der Heimat, wo sie nach der Rückkehr in den mehrheitlich gut funktionierenden Volkswirtschaften vielleicht ein Haus bauen oder in Land(-maschinen) investieren wollen. Das Ventil ist für die Bauern ein überschaubares Problem, so hört man vom Bauernpräsidenten. Zwar wird die Rekrutierung teurer, aber grundsätzlich könnten die nun ausfallenden B-bewilligten einfach durch L-bewilligte Arbeitskräfte ersetzt werden, die maximal ein Jahr bleiben dürfen.
Zwei Dinge stören mich an dieser Haltung. Zum Ersten zeugt sie von geringer Loyalität gegenüber den teilweise langjährigen Arbeitskräften. Der Knecht hat keine Bewilligung mehr, er kann nun gehen. Und stattdessen holt man einen wo möglich noch billigeren Ersatz. Zum zweiten ist die ausschliesslich auf den eigenen Bauchnabel bezogene Ausländerpolitik kurzsichtig. Dass das Ventil nun betätigt wurde, dazu haben die Bauern das ihrige beigetragen. Zwar haben sie aus Eigennutz für die Freizügigkeit gekämpft, aber gegen die übrigen ausländerfeindlichen Initiativen und Vorstösse der SVP, der unter anderem der Präsident des Bauernverbands und des Gemüseproduzentenverbands angehören, haben sie nichts unternommen. Das stetige Lamentieren der Partei hat zu einem Klima des „wachsenden Unbehagens in der Bevölkerung“ beigetragen, mit dem gerne argumentiert wird, wenn Schritte wie die Betätigung der Ventilklausel getätigt werden. 
Für mich ist der Umgang mit den ausländischen Arbeitskräften unter dem Strich ein weiteres Beispiel, wie wenig vernetzt die landwirtschaftlichen Interessenvertreter mehrheitlich immer noch denken. In der Politik kommt man meist nicht sehr weit, wenn die Interessen nur bis an den Zaun des eigenen Obstgartens verteidigt werden. Wechselnde Koalitionen, notfalls -horribile dictu – auch mit der Linken, werden für die Bauern künftig nötiger denn je sein, um sich im Haifischteich der steigenden Zahl von Landwirtschaftskritikern das Überleben zu sichern. (Bild Gaëtan Bally/Keystone) 

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März 26, 2012

Es sind immer wieder ein wenig dieselben Diskussionen, die ich mit meinen Stadtfreunden und -bekannten haben. Ja, ja, diese Bauern, heisst es dann jeweils, sitzen auf ihren schönen Heimetli wenn möglich mit Seesicht und machen die hohle Hand, die Väterchen Staat zweimal jährlich gut füllt. Ich: Losit, liebe Leute, der Souverän hat der Agrarpolitik in der heutigen Form zugestimmt – am 9. Juni 1996, um genau zu sein – und die Landschaftspflege als eine der gemeinwirtschaftlichen Leistungen auserwählt, die der Bauernstand im modernen Bundesstaat erbringen soll. Das tut er mit Sicherheit günstiger, als wenn man ein Gartenbauunternehmen mit diesen Aufgaben betrauen würde. Man nehme zum Beispiel den Hochstaumobstbaum. Für mich ist das ein klarer Fall für ein wertvolles Landschafts-gestaltendes Element. Dazu sind die Bäume wichtige ökologische Nischen für die leidende einheimische Vogelpopulation. Ohne Direktzahlungen wären mit Sicherheit noch mehr dieser Bäume verschwunden, als dies ohnehin der Fall ist. Zuletzt hat sich der Rückgang – dank unter anderem dieser Zahlungen – verlangsamt. Diese sind übrigens bescheiden. Zusammen mit den Kantonsbeiträgen kann man maximal 55 Franken pro Baum kassieren. Dafür muss er aber gepflegt werden. Das ist nicht in fünf Minuten gemacht und ungefährlich ist es auch nicht. Die möglichen zusätzlichen Erträge sind bescheiden, trotz dem unterdessen gut etablierten Label Hochstamm Suisse. Hochstammobst eignet sich in den allermeisten Fällen aus qualitativen Gründen nicht für den Direktkonsum, dieses Obst stammt zu 99,9 Prozent aus Niederstammanlagen. Bleibt die Verwertung als Most- und Schnapsrohstoff. Der Aufwand fürs Einsammeln ist gross und das Brennen oder Pressen verursacht Zusatzkosten. Jammern will kaum einer der Bewirtschafter, aber wenn einer im Hochstamm-Geschäft mehr als 15 Fränkli Stundenlohn einstreicht, ist er wohl ein Genie. Für dieses Geld nimmt kein Gärtner eine Säge in die Hand, geschweige denn ein Bürolist. Ende der Predigt.