Posts Tagged ‘SBV’

Mit Pünktlisammeln allein bist du noch nicht WOW

September 19, 2015

MlekoEinkaufstourismus ist tatsächlich kein Kinkerlitzchen, 9 Milliarden Franken geben Schweizer Konsumenten ennet der Grenze alljährlich für allerhand Einkäufe vom Handtäschli übers Haarshampoo via Chateaubriand bis zum Brie aus, und warum nicht noch schnell ins Reisebüro? Höchste Zeit also für Gegensteuer aus der hiesigen Branche. Die landwirtschaftlichen Verbände sind hier an vorderster Ladenfront beteiligt.

Schon seit einigen Monaten lassen uns die Schweizer Milchproduzenten (SMP) auf den Produkten klebende Punkte sammeln, um heimisches Milchschaffen zu fördern. Bei genügendem Sammelstand können diese gegen Prämien eingetauscht werden, eine Art Direktzahlung in die andere Richtung, sofern einem das SMP-Täschli dann gefällt.

Nicht weniger als „WOW!“ ist man sodann bei der von Agro Marketing Suisse (AMS), dem Absatzförderungsverein der Schweizer Landwirtschaft massgeblich mitgeprägten Kampagne; natürlich nur, wenn man innerhalb der Grenzen einkauft, „well Sorg hebsch zur Schwiiz„, das ganze garniert mit einem aufwändigen Spot, mit einem der’s vormacht, wie musterhaftes Einkaufen geht, alles mit dem Velo auf kleinem Raum.

Beides sind sicher lohnenswerte Versuche. Der SMP gebärdet sich zwar etwas altväterisch, Pünktli sammeln mussten wir schon vor 40 Jahren für Mondo-Bücher, Konsummärggeli waren ebenso Alltag wie heute die Wertzeichen fürs Sammelheftli des Volg-Publikums. Aber warum nicht? Never change a winning Team, bzw. Marketingmethode.

„WOW“, seinerseits kommt gefällig und peppig daher, für mich jetzt fast ein wenig „übermarchet“, wie der Berner Bauer wohl sugte, aber vielleicht bin ich ja auch nicht im Kernzielpublikum, als einer, der immer brav heimisch kauft, jedenfalls fast.

Mal abgesehen von der Qualität der Kampagnen, die ich nicht wirklich fachmännisch beurteilen kann, scheint mir, dass sie am Kern des Problems vorbeischrammen, zumindest aus bäuerlicher Sicht. Das Problem ist ja für die meisten Produzenten, dass der Produktepreis und, um beim Beispiel zu bleiben, der Milchpreis nicht kostendeckend ist.

Dieser schlechte Preis hat aber nur sehr bedingt mit dem Einkaufstourismus und dem Einkauf ausländischer Milchprodukte in der heimischen Molkereiabteilung zu tun. Das Grundproblem ist, dass die Bauern als reine Rohstoffproduzenten viel zu wenig, nämlich unter 50 Prozent des Ladenpreises erhalten. Dieses Problem haben sie in ganz Europa, siehe die kürzliche Grossdemonstration in Brüssel, und darüber hinaus. Auch in Ländern wo Einkaufstourismus kein Thema ist, zB. England.

Ansetzen müssten die Verbände also anderswo: Wie schaffen es die Produzenten, sich einen grösseren Anteil an der Wertschöpfung zu holen? In diesem Artikel, der heute im LID-Mediendienst erschienen ist, wird schön beschrieben, wie schwierig es für die Produzenten ist, via Mengenausdehnung den Verdienst zu erhöhen bzw. in erster Linie mal die Fixkosten zu decken und die Investitionen abzuschreiben. Das belegt auch die stattliche Zahl von Grossbetrieben, die aus der Milchproduktion aussteigen, während kleinere Fische wie der Ueli-Hof im erwähnten Artikel Nischen suchen und bewirtschaften in denen sie bestens leben, weil sie selber verarbeiten, direkt vermarkten, an echte bäuerliche Genossenschaften liefern etc.

Schon klar, dass nicht jeder geeignet ist, ohne Hilfe selber zu verkäsen oder zu metzgen weil das Knowhow fehlt oder die Verkehrslage schlecht ist. Gerade deswegen bräuchte es hier den Support der Verbände. Man müsste die Bauern ertüchtigen, eine höhere Wertschöpfung zu generieren, statt Rabattsysteme für Konsumenten zu kreieren, die ohnehin schon zu wenig zahlen für die Lebensmittel. Das Problem ist wohl, dass man sich in diesem Fall mit der eigenen Klientel anlegen müsste. Zu den mächtigsten Mitgliedern der SMP gehören etwa die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), die ihrerseits Mehrheitsaktionärin von Emmi sind, die wiederum wenig Interesse daran haben dürfte, dass sich die Bauern verstärkt um das Schicksal ihres Produktes kümmern und ihr Marge abgraben.

Kritisch betrachten muss man vor diesem Hintergrund auch das Mantra von der produzierenden Landwirtschaft, das die Verbände, an vorderster Front der Dachverband ohne Unterlass beschwören. Natürlich müssen die Bauern produzieren, aber das reicht eben nicht, vielmehr müsste man das Mantra erweitern und wenn schon eine Initiative für produzierende UND verarbeitende UND direktverkaufende Landwirtschaft lancieren.

 

Vollmundiges Gemecker im Edelweisshemd

März 7, 2015

Gut gibts 1Seit einigen Tagen hängen allenthalben Plakate mit Nutztieren in Edelweisshemden. Der Claim lautet wie seit Beginn der Bauernverbands-Kampagne im Jahr 2006 „Gut, gibt’s die Schweizer Bauern“. Neu ist, dass statt Prominente die Kuh Sonja, der Geissbock Konrad und der Border Collie Max in den Hemden stecken.

Nachdem ich die Sache nun ein paar Tage auf mich habe einwirken lassen, will sich keine rechte Freude einstellen. Tiere in Kleidern sind sonst eher die Spezialität von leicht neurotischen StädterInnen, die ihre vierbeinigen Lieblinge verhätscheln, und das ist kaum der Eindruck, den die Bauern als Tierhalter erwecken wollen.

Aber das ist wohl Geschmackssache, vermutlich erhofft man sich beim SBV, dass in Zeiten der Tierfilmli-Manie in allen Sozialmedien ein Viraleffekt entstehen wird. Wenn das den Bauern und Bäuerinnen hilft, so sei’s so, man muss ja nicht alles verstehen.

Gut gibts 3Schon problematischer dünkt mich, dass man die Tiere nicht einfach in ihren Hemden stecken und meckern, muhen oder bellen lässt, sondern dass sie auch noch sprechen müssen. Zumindest ist das der Eindruck, der auf den Plakaten erweckt wird. Leider nehmen sie dabei den Mund etwas voll. Um das nachzuweisen, muss der Durchschnittskonsument je ca 30 Sekunden googeln.

Nehmen wir Konrad: „Gut gibt’s beim Artenschutz meines Bauern nichts zu meckern“, befindet er. Dazu eines der erstbesten Zitate, das einem das Internet zuspielt: „In schlechtem Zustand ist auch die Biodiversität. Nach wie vor gibt es in der Schweiz viele gefährdete Tier-, Pflanzen-, Flechten- und Pilzarten. Auch hier werden Bautätigkeit und die Landwirtschaft als Hauptursachen genannt, zudem die Stromgewinnung aus Wasserkraft.“ (Der Bund, 29.1.15)

Oder nehmen wir Max: „Gut hält mein Bauer die Chemie an der kurzen Leine“, bellt er. Dazu die NZZ vor Jahresfrist: „Pflanzenschutzmittel und Biozide sind biologisch aktive Stoffe und können deshalb, sollten sie in Gewässer gelangen, Organismen beeinträchtigen. Nun wartet eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Eawag mit besorgniserregenden Neuigkeiten auf: So enthalten Schweizer Fliessgewässer einen ganzen Cocktail an Pestiziden. (…) Die neuen, umfassenden Daten zeigten, dass ein Grossteil der Pestizidbelastung den Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft zuzuschreiben sei.“

Gut gibts 2Zum Schluss noch Sonja (unpassenderweise eine Hornkuh, aber das ist ein anderes Thema): „Gut steckt mein Bauer nur das beste Gras in die Käse“, lässt sie uns wissen. Dazu aus unverdächtiger Quelle (Bauernverband im Juni 11): „Die durchschnittliche Milchleistung und damit der Kraftfutterverbrauch nehmen in der Milchviehhaltung laufend zu. Im Jahr 2009 benötigte eine Milchkuh bei einer durchschnittlichen Leistung von 6792 kg Milch pro Jahr im Mittel 824kg lufttrockenes Kraftfutter. Dies entspricht grob 11 % der verzehrten Futtermenge (Basis Trockensubstanz), was im internationalen Vergleich ein tiefer Anteil ist. Aus verschiedenen Gründen, insbesondere auch aufgrund des stark angestiegenen Drucks auf den Produzentenpreisen, scheint sich die Steigerung der Milchleistung wie auch die Zunahme des Kraftfutterverbrauchs in den letzten Jahren eher zu beschleunigen.“

Insgesamt etwas viele vollmundige Behauptungen. Die Leistungen der Landwirtschaft in Sachen Ökologie sollen damit keineswegs kleingeredet werden, aber sie derart grosszureden ist angesichts der Fakten vermutlich etwas voreilig. (Bilder aus der Kampagne)

Eingesandtes (1): Bauland aus Bauernhand

November 8, 2014

bauland_web designedIn vielen Blättern gibt es das schöne Autorenkürzel (einges.). Dabei handelt es sich nicht etwa um Ernst Ingo Gessler oder eine andere Persönlichkeit, sondern um die Abkürzung für „eingesandt“. Das gibt es neuerdings auch im Agroblog.

Dieser Tage erreichten mich besorgte Zeilen eines Naturfreunds, der sich über eine Medienmitteilung des Schweizer Bauernverbands aufregte. Diesen Beitrag will ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser nicht vorenthalten:

Der Schweizer Bauernverband will die Ernährungssicherheit in die Bundesverfassung aufnehmen. Dafür hat er eine Volksinitiative eingereicht. Dann das Kulturland muss vor Gewässerräumen und Buntbrachen verschont werden (damit noch mehr Überschüsse produziert werden können). Gleichzeitig gibt der SBV der Bauernschaft den Tipp, bei Kulturlandverkäufen noch etwas zuzuwarten, weil in Kürze via parlamentarischen Weg beim Kulturlandverkauf die Steuern optimiert werden können. Eine nicht mehr zu überbietende Doppelmoral.

Damit trifft der Einsender tatsächlich einen wunden Punkt in Brugg. Im Stile von Wanderpredigern prangern die Vertreter des Bauernverbands bei jeder Gelegenheit den Kulturlandverlust an. Tunlichst vermeidet man aber, die Mitverantwortung der bäuerlichen Landverkäufer (und -überbauer) für die Zersiedelung zu thematisieren; im Gegenteil, man gibt ihnen sogar noch Tipps, wie sie unersetzbare Grundlage ihres Berufsstands möglichst gewinnbringend verscherbeln bzw. vergolden können. Das ist unter dem Aspekt der Interessenvertretung nachvollziehbar, aber es macht sich einfach extrem schlecht, wenn man sich mit erhobenem Zeigefinger der einen Hand tagein tagaus über das Schäufelchen der anderen beschwert, während man stets selber die andere Hand am Bedienungshebel für den Baggerarm hat. Dass dann in Leserbriefen und anderen bäuerlichen Protestkundgebungen die Gewässer-Renaturierungen und Ökoflächen als Sündenböcke hinhalten müssen ist eine groteske Verdrehung der tatsächlichen Probleme. (Bild Rus2Swiss Immobilien, Bearbeitung durch Red.)

Facebookpuzzle gibt Bauernfamilien ein Gesicht

Januar 7, 2014

Familie SprungerDer Schweizerische Bauernverband (SBV) hat hier von mir ja schon viel Fett abgekriegt, drum hat er jetzt auch mal ein bisschen Balsam verdient. Wie Sie, liebe Leserinnen ja vielleicht wissen, stehen wir schon mitten im internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe. Diese produzieren immerhin 70 Prozent der Nahrungsmittel weltweit, gleichzeitig sind 60 Prozent der Armen weltweit Bauern und Bäuerinnen.

Aus Anlass dieses für einmal sehr gerechtfertigten Sonderjahres hat der SBV 27 Mitgliederfamilien gesucht, die auf Facebook aus ihrem Alltag berichten. Hier finden sich alle Betriebe auf einen Blick und hier gibt’s noch etwas mehr Hintergrundinfo.

Familie Jost AlpabzugIch hab mich ein bisschen umgeschaut auf diesen Seiten. Die Einblicke sind interessant, rührend, überraschend, herzig, aufschluss- und abwechslungsreich. Alles reich illustriert und dies teilweise gar mit bewegtem Bild, so gibt’s zum Beispiel bei Familie Jost aus Obergesteln im Goms für Technikfreunde ein Filmli mit Schnneräumung zwischen Hof und Miststock und bei Familie Pfister aus Bözen ein sehenswertes Video auf dem die Jungbäuerin Vieh füttert. Ich muss sagen, mir gefällt das, auch wenn die Zahl der Betriebe mit 27 vielleicht etwas hoch ist, um die Sache flächendeckend zu verfolgen. Wobei, es musste föderalistisch korrekt jeder Kanton berücksichtigt sein (einer offenbar sogar zweimal, wer rausfindet welchen kriegt von mir einen kleinen Preis) und vermutlich wird es bei der Leserschaft regionale Vorlieben geben.

Michaela Gassers VorstellungInteressant zu sehen ist, was die Bauernfamilien berichtenswert finden. Sehr beliebt war gestern ein Porträt mit der mittels Kuchen frisch gekürten Königin. Hier ist jemand am Bäume schneiden, dort klebt eine Tochter des Hauses einen Kleber hinten auf ein Auto, hüben wie drüben werden Männerchor- und Turnvereinstheater beworben, Kinder in Trachten gezeigt und mit aufschlussreichen Charakterbeschreibungen porträtiert. Die meisten Familien scheinen richtig Freude zu haben, immer wieder neue Entdeckungen zu präsentieren und dabei haben sie gecheckt, dass das Alltägliche meistens das Spannendste ist. Emsig wird hie und da auch schon kommentiert und repliziert. Bin gespannt auf die Fortsetzung, da werden sich im Lauf des Jahres interessante Puzzles ergeben. Hoffe, dass die Urbanistas auch reinschauen, weil man hier dies- und jenseits der Klischees mehr erfahren kann über die Vielgestaltigkeit der schrumpfenden landwirtschaftlichen Bevölkerung.

Zum Zug kommen in diesem Bilderbogen übrigens auch je eine Familie aus Bolivien, Honduras und Kirgistan, ein Produkt der Zusammenarbeit des SBV mit Helvetas und Swissaid. Das wirkt für mich nocht etwas Feigenblattmässig aufgesetzt, um doch noch ein bisschen zu motzen, aber auch das kann noch werden. Bin mir allerdings nicht sicher, ob SBV-Vizedirektor auch an die Familienbetriebe in der dritten Welt dachte, als er – das musste natürlich sein – bei der Lancierung der Verbandsaktivitäten zum Sonderjahr noch etwas Werbung machte für die „Initiative für Ernährungssicherheit“. Womit wir wieder beim Fett wären, aber das kann jetzt noch ein bisschen warten. (Alle Bilder von den Facebook-Seiten der Bauernfamilien)
Familie Sprunger Porträt

Initiativen-Murcks: Ein saurer Zankapfel

Dezember 17, 2013

Es schmeckt sauerAus mir nicht besonders ersichtlichen Gründen hat der Schweizerische Bauernverband (SBV) seine Meldung zur Zangengeburt des Texts für die „Initiative für Ernährungssicherheit“ mit obenstehendem Bild illustriert. Vermutlich soll der Helgen ausdrücken, dass der junge Mann im Bild die Gnade der späten Geburt hat und deshalb nicht wird abstimmen müssen über das mutmasslich unnötigste Agrar-Volksbegehren aller Zeiten.

Der Initiativtext, dem ein wochenlanges mehr oder weniger behelfsmässig kaschiertes Gezänk zwischen dem SBV und der Schweizerischen Volkspartei (SVP) vorausgegangen ist lautet wie folgt:  

Art. 104a (neu) Ernährungssicherheit
1. Der Bund stärkt die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln aus vielfältiger, nachhaltiger inländischer Produktion; er trifft wirksame Massnahmen insbesondere gegen den Verlust von Kulturland, einschliesslich Sömmerungsfläche, und zur Umsetzung einer Qualitätsstrategie.
2. Er sorgt in der Landwirtschaft für einen geringen administrativen Aufwand und für eine angemessene Investitions- und Rechtssicherheit.
Übergangsbestimmungen:
Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung spätestens zwei Jahre nach Annahme des Artikels 104a durch Volk und Stände entsprechende Gesetzesbestimmungen.

Wie bitte, war das alles? Das tönt, sollte das Ansinnen dereinst angenommen werden, wie ein rhetorischer roter Teppich für die zuständigen Behörden, das ganze so unauffällig wie möglich in der Schublade verschwinden zu lassen. Punkt 1. wird nicht einen einzigen Importeur oder Baulöwen in irgendeiner Weise beeindrucken. Punkt 2. ist schon fast ein schlechter Witz, lanciert man doch eine Initiative, in der man geringen administrativen Aufwand fordert, die ohne Zweifel aber dazu prädestiniert ist, den administrativen Aufwand zu erhöhen.

Der Text sei „formell, rechtlich und administrativ präzis“ rühmte SBV-Präsident Ritter bei der Präsentation. Reicht das um die Agrarbürokratie und das Parlament über Jahre zu beschäftigen, wenn man gleichzeitig postuliert, genau dort reduzieren zu wollen? Klar, der noch immer relativ frisch amtierende Obmann aus den Reihen der Christlichdemokraten kann sich jetzt einen gewonnenen Machtkampf gegen die SVP gutschreiben lassen, aber wenn sich durch den neuen Verfassungspassus irgendwas ändern sollte am Kulturlandschwund und der Importabhängigkeit der Schweiz, wäre ich schwer überrascht.

Kein Bauernhof weniger wird sterben, kein Kilo Pouletfleisch weniger wird eingeführt werden. Stattdessen verplämpert man Zeit, die dringend benötigt würde, um vor der nächsten Monster-Agrarpolitikrunde echte Visionen und zukunftsträchtige Wege (um eben zum Beispiel den Kulturlandverlust und Billigfleischimporte zu mindern) zu entwickeln. Der Ritter spielt hier Sandmännchen für die Mitglieder, hoffentlich lassen sich diese nicht einschläfern, sonst gibt es ein böses Erwachen. (Bild  Cheryl Kronberger/SBV/www.landwirtschaft.ch)

SVP vs. SBV – oder welcher kann besser täupelen?

November 8, 2013

Jöbild1Der „Bauern-Krieg“ um zwei Selbstversorgungsinitiativen hat diese Woche die Öffentlichkeit bestens unterhalten. Leicht hämisch verfolgten Medien und BeobachterInnen, wie sich mit der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und dem Schweizerischen Bauernverband (SBV) zwei der mächtigsten und sonst meist einig bürgerlich agierenden politischen Institutionen vor Publikum abwatschten. Die Partei hatte ihren Text schneller parat und die Bauern stehen nun etwas blöd da, weil sie aufgrund träger Entscheidungsstrukturen zu langsam sind für den publikumswirksamen Schnellschuss.

Schade eigentlich, das Thema Selbstversorgungsgrad wäre nämlich eine fundierte Diskussion wett. Es gibt da allerhand Facetten, zum Beispiel müsste, um nur eines zu nennen, mal geklärt werden, ob Produkte, die grossteils mithilfe ausländischer Faktoren produziert wurden (Stichworte Treibstoff, Dünger, Pestizide, Futter etc.) überhaupt zurecht ein Schweizerkreuz tragen.

Dass man es vorzog, sich öffentlich zu streiten ist erstaunlich, weil mehr als einen Phyrrussieg hat sich die SVP kaum geholt. Umgekehrt ist der SBV auch ziemlich naiv in diese Situation gerasselt, er kennt ja seine Strukturen. Ich staune, dass man da nicht fähig war, sich hinter den Kulissen auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen. Denn alleine wird die SVP diese Volksinitiative nie ins Trockene bringen, mit einem gemeinsamen Vorgehen wären die Chancen deutlich höher. Dazu wird es vielleicht trotzdem noch kommen, doch dieses fahrlässig verursachte Scherbenhäufchen wird kaum helfen beim gemeinsamen politischen Kraftakt, der nötig wäre für einen Erfolg mit einem derartigen Volksbegehren.

Klar wird dadurch vor allem, dass es weniger um den Selbstversorgungsgrad geht als um eine Trotzreaktion auf den Ausgang des Seilziehens um die AP14-17. Sowohl SVP wie auch SBV wollen der Klientel demonstrieren, dass sie am besten täupelen können (für nicht des Schweizerdeutschen kundige: täupelen sieht man häufig bei Kleinkindern, die im Laden grad nicht die Süssigkeit erhalten, die sie gerne möchten). Keine sonderlich weitsichtige Strategie, wenn man sich eigentlich besser auf die bevorstehende nächste AP-Runde vorbereiten sollte. Mir kann’s recht sein, ich finde einen von der Verfassung vorgeschriebenen minimalen Selbstversorgungsgrad sowieso unsinnig, das ist etwa so, wie wenn man ein Hagelverbot ins Grundgesetz stellen würde.

Jetzt habe ich doch viel mehr über die Streithähne geschrieben, als geplant. Wollte eigentlich nach einer garstigen Fahrt mit Fahrrad durch Regen nur zwei Jö-Bildli mit etwas Sonne zum Trocknen bloggen. Danke wieder einmal herzlich, liebe Monika für die Helgen aus Kindhausen! Man würde gar nicht glauben, dass es auf Gemeindegebiet Volketswil solche Idyllen gibt. (Bilder Monika Schlatter)

Jöbild2

Akute Initiativitis an der Scholle

August 18, 2013

20130818-075641.jpg

Im bäuerlichen Millieu werkelt man an zwei Initiativprojekten. Mitte letzter Woche präsentierte eine Gruppe um den SVP-Nationalrat Rudolf Joder im „Schweizer Bauer“ ein Projekt für eine 60-Prozent-Initiative (oben links im Bild): Die Zahl soll in der Verfassung als Untergrenze der nationalen Selbstversorgung festgesetzt werden.

Zwei Tage später trat der Bauernverband (SBV) an die Öffentlichkeit. Er will im Grundgesetz per Initiative einen Schutz von Kulturland und Produzierender Landwirtschaft installieren, ohne allerdings eine prozentuale Untergrenze vorzuschreiben.
Was ist von der akuten Iniativitis zu halten? Zunächst einmal ist die Chronologie interessant. Dass der Bauernverband zwei Tage hintennach hinkt, ist kein PR-Coup, Joder und Co. haben dem SBV die Show gestohlen. Dass beide fast zeitgleich kommen, kann kein Zufall sein, vermutlich gab es da eine thematische Spaltung ob der Frage, ob es eine feste Zahl für die Selbstversorgung braucht.

Es würde mich nicht überraschen, wenn beide Initiativen effektiv lanciert würde. Erstere stösst offenbar auf Interesse der SVP, zweitere ist ein bürgerliches Konsensprojekt aus dem SBV-Vorstand. Und dieser wird sich kaum als Juniorpartner der Volkspartei noch einmal die Show stehlen lassen will, zumal es beiden Organisationen angesichts ihrer Grösse leicht fallen dürfte, die nötigen Unterschriften zu sammeln.

Das heisst aber noch lange nicht, dass es die Initiativen inhaltlich braucht. Nach gefühlten 30 Monaten Agrarpolitik, wäre es an der Zeit, die Details der Verordnungen zu klären und sie in der Praxis zu testen, statt neue Wolkenschlösser zu errichten. Eine 60-Prozent-Untergrenze für Selbstversorgung wäre nicht nur ein bürokratischer Moloch, sondern auch ein neuer Pfründen-Jagdgrund für wendige Importeure und vor allem ein protektionistischer Schutzwall, der den Ruf der Branche als rückwärtsgewandte Zauderer diskreditieren würde.

Die zahl- und zahnlose Variante des SBV ist auch nicht besser, die Haltung dahinter ist dieselbe, aber man will es nicht verderben mit der übrigen Wirtschaft. Dass ein Wischiwaschi-Paragraf in der Verfassung etwas ändern sollte, glaubt kein müder Ackergaul, besser und glaubwürdiger wären insbesondere im Fall des Kulturlandverlusts der volle Einsatz der Bauern für griffige Massnahmen, da spürt man heute noch nicht durchgehend Elan.

Was als Argument kommen wird: Die Initiativen führen zu einer Diskussion über den Selbstversorgungsgrad. Da würde ich mir nicht zu grosse Hoffnungen machen. Das Stimmvolk ist angesichts der herrschenden Flut ziemlich Initiativ-müde. Und ob die heutige Gesellschaft viel Elan darauf verwenden mag, ein Anliegen zu diskutieren, das aus allen Poren nach Anbauschlacht und geistiger Landesverteidigung riecht, ist stark zu bezweifeln.

PS. Ganz vergessen: Das Fazit: Schubladisieren geht über votieren.

AgReminiszeNZZen aus 13 Jahren (11c): Politiker

Juni 26, 2013

Porträt Hansjörg WalterImmer wieder schön: Betriebsbesuch mit anschliessendem Porträt. Hier der spätere Nationalratspräsident Hansjörg Walter und etwas später sein Nachfolger an der Spitze des SBV, Markus Ritter, hier der Link zur Onlineversion.

Suisse per se reicht als Qualité nicht

Mai 7, 2013

SuissegarantieHeute hat der Tages-Anzeiger wieder einmal den Zweihänder ausgepackt: „Schweizer Bauern weniger öko als gedacht„, schrieb das Blatt. Schlechter als ihr Ruf seien die Landwirte. Der Artikel bezieht sich auf eine Vergleichsstudie von Agrofutura (Link zum Schlussbericht ganz unten) im Auftrag der Qualitätscrew im Bundesamt für Landwirtschaft. Darin wird das Umwelt- und Tierschutzniveau in der Schweiz mit demjenigen ausländischer Konkurrenz verglichen.

Der Artikel legt den Finger auf ein paar wunde Punkte: Die unterschiedliche Vollzugsqualität in der Föderalismushochburg, der hohe Tierbesatz mit den entsprechenden ökologischen Auswirkungen und ganz generell die hohe Intensität der Produktion im Vergleich zu anderen Regionen Europas in Frankreich, Deutschland und Österreich, nicht aber in Holland.

Zunächst ein paar Worte zur Verteidigung der heimischen Scholle: Erstens darf man daran erinnern, dass die innere Aufstockung der Betriebe mit der dazugehörigen Intensivierung jahrzehntelang oberste Maxime der Landwirtschaftspolitik war. Aus den durchschnittlich bescheiden bemessenen Heimetli sollte das Maximum herausgewirtschaftet werden. Dieser Strategie, die mit entsprechenden Anreizen ausgestattet wurde haben die Bauern lange erfolgreich nachgelebt. Die ökologischen Probleme heute darf man deshalb nicht ihnen alleine in die Schuhe schieben.

Zweitens ist man auf dem Weg zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft angesichts dieser Ausgangslage schon recht weit, was im Agrofutura-Bericht ausführlich und im Artikel weniger gewürdigt wird: „Die Scheiz hat beim Tierschutz eine internationale Vorreiterrolle (…) und eine Vorbildfunktion bei der transparenten Kontrolle des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN)“, heisst es im Bericht etwa. Man darf ebenfalls daran erinnern, dass die EU daran ist, die Schweizer Agrarpolitik mit einem guten Jahrzehnt Rückstand in allen Bereichen quasi eins zu eins zu übernehmen. 

Trotzdem tut man auch beim Schweizerischen Bauernverband (SBV), dessen Präsident die Interpretation des Berichts reflexartig zurückgewiesen hat, gut daran, die Vorwürfe ernst zu nehmen. Das Image ist eine labile Grösse. Um es hoch zu halten braucht es Vorausdenken. Richtigerweise hat der SBV auf das Referendum gegen die AP2017 verzichtet, welche eine bessere Verankerung und Kontroller der ökologischen Leistungen im Direktzahlungssystem mit sich bringen soll.

Es gibt nämlich noch beträchtliche Löcher im grünen Mantel der Schweizer Produzenten. Es besteht im bäuerlichen Millieu die Tendenz, sich auf den Lorbeeren, beziehungsweise den ökologisch bewirtschafteten Wegrändern auszuruhen. Der Tenor lautet etwa: wir haben jetzt genug ökologisiert, jetzt müssen wir zurück zur produzierenden Landwirtschaft, die sich nicht von Hecken und was darin kreucht und fleucht aufhalten lassen darf. Dabei steht man hier erst am Anfang eines Prozesses, Ökologisierung ist ein Langfristprojekt ohne Ende, so mühselig das auch sein mag.

Dazu gehört auch die Vermarktung des Geleisteten. Dafür braucht es nicht immer ein Bio-Label. Aber die Erkenntnis, dass Ökologie und Produktion kein Gegensatzpaar sein müssen. Und dass die Herkunft Schweiz allein, diese Prognose wage ich gerne, künftig nicht genügt, um die sensibilisierten Konsumenten in ihrer Mehrheit von der Qualität eines Produkts zu überzeugen. Schweiz heisst nicht einfach besser als Ausland. Ich rege mich immer auf, wenn in der Fleischdeklaration im Restaurant nur das Land steht. Das ist ein veraltetes Deklarationsniveau, ich will als mündiger Konsument nicht nur wissen, woher das Fleisch kommt (auch aus welcher Region), sondern auch aus welcher Art von Produktion. 

Die Studie und ihre Interpretation durch ein populäres Publikumsmedium sind gute Warnschüsse gegen Selbstzufriedenheit. Der Druck auf die Landwirtschaft wird nicht kleiner, die Toleranz für Umweltschäden aber schon. Toll, dass das Image gut ist, aber mit geschickter PR alleine wird es nicht weiter florieren. (Bild Frey & Frey, Corporate Architects, Bern)

SBV: Land-Wirtschaftsmann statt Minger Rüedu II

November 22, 2012

Die Wahl des neuen Präsidenten des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) hat mich gestern auf dem falschen Fuss erwischt. Ein Agrarpolitikjournalist meines Vertrauens hat mir kürzlich in einer grösseren Landwirtschaftszeitung  akribisch vorgerechnet, dass SVP-Andreas Aebi voraussichtlich das Rennen machen wird (möglicherweise war hier auch der Wunsch Vater der Rechnung, ist doch der Autor der Prognose ein grosser Freund von Aebis Partei). Item, gutgläubig, wie ich bin, habe ich vor dem Verdikt der SBV-Delegierten einen Artikel geschrieben, der darin mündete, dass Aebi nun der Weg in den Bundesrat offen stünde, wo er sich zu einem zweiten Minger Rüedu entwickeln könnte, dem er aus meiner Sicht schon heute optisch nachzueifern versucht. Aber eben, so kann man sich täuschen, wobei Aebi trotz dieser Niederlage sicher durchaus valable Chancen hat, eines Tages Maurer Ueli, den ehemaligen Sekretär den Zürcher Bauern, im Siebnergremium abzulösen, hat er doch im nächsten Jahr als OK-Chef des Eidg. Schwingfestes in Burgdorf viel Gelegenheit, sich weiter zu profilieren.
Aber nun zum richtigen Sieger, dem St. Galler CVP-Nationalrat Markus Ritter. Ich habe ihn kürzlich auf seinem Hof besucht, um in der NZZ ein Vorwahl-Porträt über ihn zu verfassen. Mein Eindruck über den Land-Wirtschaftsmann war, dass er das Präsidium seit Jahren angestrebt und dabei nichts dem Zufall überlassen hat, inklusive Französisch-Intensivkurs. Dieser war möglicherweise entscheidend, haben doch die welschen Delegierten letztlich den Ausschlag zugunsten des Ostschweizers gegeben.
Ich gehe davon aus, dass Ritter politisch den Kurs des Vorgängers in ähnlichem Tempo weiterführen wird, wogegen Aebi als Vertreter der etwas behäbigeren Berner wohl eher auf die Bremse gestanden wäre. Bemerkenswert ist, dass es erstmals ein Biobauer an die Spitze des SBV geschafft hat, was zeigt, dass diese unterdessen den Ruch der Öko-Hippies verloren haben und auf breiter Basis als gleichwertig betrachtet werden, was ein schöner Erfolg für die Biobewegung aber auch Beweis für eine gewisse Weltoffenheit unter den Delgierten ist.
Der nächste Öffnungs-Schritt wäre jetzt eine Frau, möglicherweise sogar eine nicht-bürgerliche, als Präsidentin. Ich bin guter Hoffnung. Nachdem sich nun schon mein Rating der SBV-Präsidiumskandidaten durchgesetzt hat, wird spätestens bei der nächsten Wahl das Plädoyer für eine Frau wie Maya Graf an der Spitze des Verbands entsprechendes Stimmverhalten bei den Delegierten auslösen. (Bild Ralph Ribi/St. Galler Tagblatt)