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Züchtigung der Züchter: Dreimal blättern genügt

August 24, 2014

BauZ1-1Manchmal ist die Zeitung schon nicht zu überbieten, und es wäre wirklich jammerschade, wenn sie dereinst aussterben würde. Ein schönes Beispiel, was die Zeitung in Sachen Leseraufklärung kann, lieferten vor etwa 10 Tagen die geschätzten KollegInnen von der Bauernzeitung, auch wenn es in diesem Fall wohl keine beabsichtigte Performance war.

Auf der Frontseite berichtet die BauZ über den geharnischten Protest von Bauernverband und Rinderzüchtern gegen die Verordnung über den Tierschutz beim Züchten von Tieren. Die neuen Bestimmungen seien „zu bürokratisch, nicht nachvollziehbar, realitätsfremd und nicht nötig“, beschwert sich der Bauernverband. Stein beziehungsweise Körperteil des Anstosses ist das Euter. «Übermässig ausgebildete Euter» führen laut Verordnung zur Behinderung der Fortbewegung und sind deshalb züchterisch zu vermeiden. In der rechten Spalte kommentiert Redaktorin Julia Schwery im Sinne des Bauernverbands. Die Verordnung sei unsinnig, schreibt Schwery, „Bäuerinnen und Bauern haben wohl kaum ein Interesse an Tieren, die nicht langfristig nutzbar sind“.

Soweit so gut. Dreimal umblättern reicht, um auf Seite 7 anzulangen und dort den lebendigen Beweis zu finden, dass die Verordnung keineswegs so unsinnig ist, wie Bauernlobby und Landwirtschaftsjournalistin auf der Frontseite behaupteten (siehe Bild unten). Hier sieht man einen profilierten Braunviehzüchter, der stolz mit einer seiner Spitzenkühe, beziehungsweise ihrem fast bildfüllenden Euter posiert.

Um zu sehen, dass dieses das Gehen der Kuh behindert und im Sinne der Verordnung überdimensioniert ist, braucht man kein Fachmann zu sein. Ganz offensichtlich ist der Züchter stolz auf diesen Zustand, sonst würde er wohl kaum auf diese Art mit dem Tier posieren und man kann davon ausgehen, dass auch bei den übrigen Kühen eine derartige Eutergrösse angestrebt wird.

Grosse Euter werden auch an den Spitzenschauen honoriert, was die Aussteller dazu verleitet, ihre Kühe vor der Präsentation lange nicht zu melken, um den Füllgrad des Euters zu erhöhen. Diese üble Praxis, welche nicht nur beim gehen behindert sondern wohl auch Schmerzen verursacht, kam möglicherweise auch in diesem Fall zur Anwendung, da der Züchter die Jungzüchter beeindrucken wollte.

Trotzdem kann ich die Kritik von Bauernverband und Züchtern ein Stückweit verstehen. Das überdimensionierte Euter wird nur von einer kleinen Elite derart forciert, die auch bei den Berufskollegen nur beschränkt Zustimmung findet. Gerade gestern habe ich mit einem Appenzeller Züchter über die entlarvende Kombination in der Bauernzeitung gesprochen. Er   findet überdimensionierte Euter und die künstliche Vergrösserung daneben, nicht nur aus tierschützerischen Gründen, sondern weil man den Kühen mit dieser Schaupraxis auch Schaden zufüge, der deren Langlebigkeit und Leistungspotenzial negativ beeinflusse.

Allerdings ist es in der Tierzucht so wie in allen anderen Lebensbereichen. Die Gesetze braucht es nur für eine Minderheit, die ohne künstliche Grenzen überborden würden, beziehungsweise bereits überborden und so erst den Gesetzgeber auf den Plan rufen. Das sind eigentlich die Leute, welche Bauernverband und -presse ins Visier nehmen müssten. BauZ2