Interessante Kolumne von Agrarjournalisten-Kollegen David Eppenberger im Fachblatt Alimenta. Er schreibt dort über die jüngsten Akte im „Milchmarkt-Theater“. Die Branchenorganisation Milch (BOM) biete allenfalls die Bühne für einen schlechten Schwank. Statt diesem traurigen Schauspiel, empfiehlt Eppenberger einen Kulissenwechsel: „Die Gesetze des Marktes befolgen und danach handeln.“ Kein Unternehmen spiele ständig die gleiche Szene, wenn das Publikum abmarschiert sei. Statt zu sinkenden Preisen konventionelle Milch zu produzieren, solle man besser im Biomilch-Theater spielen. Dort gehe nämlich langsam aber sicher die Milch aus und weil der Markt spielt, der Preis rauf, wie auch diese Grafik
zeigt und der LID kürzlich berichtete (Zum Vergleich: Der Preis für konventionelle Milch liegt derzeit im Schnitt bei 61 Rappen). „Doch stattdessen“, so moniert Eppenberger, „spielen viele Milchproduzenten weiterhin lieber die Opferrolle und richten sich partout nicht nach den Marktkräften“. Die Theaterkritik meines Kollegen finde ich zutreffend. Die Milchbauern sind nach wie vor gezeichnet von Jahrzehnten der Planwirtschaft. Tief drin erwarten die meisten nach wie vor, dass das Publikum zu applaudieren hat, was auf die Bühne kommt, beziehungsweise die Milch abzunehmen hat, die produziert wird. Wenn der Preis sinkt, reagiert man mit Mehrproduktion statt einem Umstieg auf die Biomilchproduktion, immer in der Hoffnung, dass in diesem Drama dem Nebenbuhler früher die Luft ausgeht, als einem selber. Die Gründe? Die Umstellung auf Bio ist nicht für jeden ein Kindertheater, namentlich aus fütterungstechnischen Gründen. Zudem sind Vorbehalte gegenüber dem alternativen Kellertheater Biomilch nach wie vor weit verbreitet. Weitherum gelten Biobauern in der Szene als Blüemlipfleger, die am „echten Markt“, am grossen Schauspielhaus, zu wenig kompetitiv wären. Dabei haben viele Turbomelker noch nicht begriffen, dass sie sich – statt Top-Schauspielerinnen anzustellen und diese vor leeren Rängen auf der grossen Bühne auftreten zu lassen – ein bisschen ums Publikum kümmern sollten. Der grosse Saal ist zwar pompös, aber was nützt er wenn sich die Reihen leeren und die Ticketpreise bröckeln. Im Kellertheater mag die Klientel etwas weniger zahlreich und ein bisschen weniger chic sein, dafür zahlt sie besser – und die Gagen der Schauspielerinnen sind erst noch deutlich tiefer. Vorhang.
November 16, 2011 um 7:31 am
…und dann kippt der Bio-Milch-Markt wieder dorthin zurück, wo er bis vor kurzem war: In die Überproduktion. Ich erinnere daran, dass noch vor nicht allzu langer Zeit ein Drittel der Bio-Industriemilch in den konventionellen Kanal ging. Und ich erinnere auch daran, dass die aktuell eher knappe Marktlage bei Bio-Milch auch daher kommt, dass viele Bio-Milchbauern wieder auf konventionelle Milchproduktion umgestiegen sind.
Das Lied des Markts haben wir jetzt dann auch mal gehört. Von Markt kann man bei den aktuellen Verhältnissen vielleicht noch sprechen, sicher aber nicht vom „Freien Markt“. Und von der liberalen Theorie her ist der „Freie Markt“ das ideal und nicht der Wild-West-Markt wie er im Moment herrscht.
Frei ist der Markt schon deshalb nicht, weil elementare Voraussetzungen dazu nicht erfüllt sind. In einem wirklich freien Markt darf kein Marktakteur Einfluss auf die gesamte produzierte Menge oder den Marktpreis haben. Fakt ist aber, dass die Molkereien in den Verträgen mit den Produzentenorganisationen noch grössere Mengen anfordern, als diese überhaupt zu produzieren in der Lage sind. Und dies trotz schon offensichtlicher Überproduktion.
Fazit: Ich mag das pseudoliberale Geschwätz nicht mehr hören. Ich bin auch für einen Markt, aber für einen Freien. Und damit der Freie Markt funktionieren kann, braucht es einen Eingriff des Staates, um allen Akteuren – auch den Bauern – gleichlange Spiesse in diesem Markt zu verschaffen. Ja, es ist so: Es braucht den Staat, damit der Markt endlich funktionieren kannn. Alles andere ist Dummschwätzerei.
November 16, 2011 um 11:26 am
Ich bin gespannt, wie der Biomilchmarkt in zwei Jahren aussieht. Bio Suisse scheint bis heute nicht zu wissen wieviele Milchbauern umstellen. Im Jura sind angeblich mehrere grössere Milchproduzenten (mit je mehr als 500’000 kg) in Umstellung begriffen. Da dürfte es nicht allzu lange dauern bis eintrifft, was Krähenbühl prophezeit. Bio ist und bleibt eine Nische. Bislang haben vor allem die Grossverteiler und Verarbeiter an dieser Nische viel verdient, dank der Differenz zwischen dem, was sie für Bio zahlen und dem, was sie für Bio zahlen lassen.
November 16, 2011 um 1:25 pm
Der Markt ist in der Tat asymmetrisch und die Molkereien sitzen ganz sicher am längeren Hebel als die Bauern, das ist aber nur so, weil sie die Bauern dort sitzen lassen. Es schleckt keine Milchkuh weg, dass sie es sind, die die Milch produzieren und dass sie niemand zwingen kann, zuviel davon zu produzieren. Es mangelt an Solidarität in der Branche und ich bin sicher, dass eine Staatsintervention, welcher Art auch immer, keine Wirkung zeigt, solange die Bauern nicht bereit sind, die Menge gemeinsam zu kontrollieren, ob das dann auf dem Bio-, auf dem Wiesenmilch-, auf dem Hornmilch- oder auf dem konventionellen Markt ist, spielt letztlich keine Rolle.
November 17, 2011 um 7:51 am
Markt oder nicht Markt ist hier nicht die Frage! Mein persönlich grösstes Problem ist, dass in diesem Theater Dinge bereits über längere Zeit krumm gelaufen sind und weiter krumm laufen. Vor der Kontingentierung (anno 1975) wurden die Bauern vom Bund gebeten weniger Milch zu produzieren. Diejenigen, welche sich daran gehalten haben wurden vom Staat durch kleinere Kontingente bestraft. Die Geschichte wiederholt sich! Kontingentshandel mochte ja noch angehen. Aber was nachher geschah, blies dem vernünftigen Beobachter fast das Augenlicht aus! Kontingente, Lieferrechte oder wie man dem auch immer sagen wollte, wurden Gutgläubigen verkauft und bereits am nächsten Tag wurden wieder Liefermengen mit gewissen „freien“ Milchhändlern abgemacht.
Wem da als Beobachter nicht die Galle hoch kommt….
Jeder Landwirt agiert für sich persönlich betriebswirtschaftlich korrekt: Alle Stallplätze füllen, aus allen Rohren produzieren, Fixkosten auf viele Liter verteilen. Für das Grosse, Ganze ist dies aber tödlich.
Das Lied von „freien“ Markt tönt süss und gut. Das „freie“ Marktlied auf die Schweiz gemünzt tönt in meinen Ohren aber doch etwas zu schmalzig.
Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen.