Der Einkaufstourismus hat sich für den Schweizer Detailhandel nach einigen ruhigeren Jahren dank dem rekordtiefen Euro-Kurs wieder zum Problem entwickelt. Nun wird wieder die alte Leier hervorgenommen: Es sei „unpatriotisch“, im Ausland einzukaufen, lamentierte Coop-Chef Loosli kürzlich in einem Interview in der Sonntagspresse. In der Tagesschau doppelte gestern Migros-Sprecher Urs Paul Naef nach: Nachdem man jahrelang den Bauern den Schwarzpeter zuschob, erhalten nun die Importeure diese Karte zugespielt. Es gebe absurde Beispiele, wo man als Grossverteiler im Einkauf bis zu 70 Prozent mehr zahle als der Konsument in Deutschland im Endverkauf, jammert Naef. Deshalb fordert Migros in einem Schreiben von den Importeuren nun eine Weitergabe der Währungsgewinne. Man könnte direkt Mitleid kriegen mit dem Schweizer Detailhandel. Nur gilt es ein paar Sachverhalte zu relativieren. Erstens, so erklärt die Vertreterin der Markenartikel-Importeure im selben Tagesschau-Beitrag, gäben die Grossverteiler die Währungsgewinne selber nicht vollumfänglich weiter. Das glaube ich sofort, zumal sich Coop und Migros nach wie vor wehren, ihre Einkaufspreise offenzulegen und zudem bekanntermassen immer noch deutlich höhere Bruttomargen einstreichen als die europäische Konkurrenz. Zweitens basiert ein Grossteil der Einkünfte der orangen Riesen ebenfalls auf Einkaufstourismus, namentlich bei den Landwirtschaftsprodukten. Der Verkauf von ausländischem Käse und Fleisch zum Beispiel ist ein hyper-lukratives Geschäft für die Grossverteiler. Günstig Einkaufen auf europäischen und Übersee-Märkten und dann mit satten Gewinnen an die Schweizer Konsumenten verkaufen. Das ist Einkaufstourismus en gros und mindestens so unpatriotisch, wie Heiri Müllers Samstagsshopping in Konstanz. Darum, lieber Herr Loosli, lieber Herr Naef, werfen Sie im Glashaus sitzend lieber keine Steine. (Bilder Andreas Eggenberger/Keystone (oben), Jeanine Schranz/NZZ)
Juli 30, 2011 um 7:04 am
Habe mich auf der Rückfahrt aus den Ferien an der Ostsee in Mühlheim im Pennymarkt als Einkaufstourist geübt. (Eine Rolle, die mir eigentlich nicht so behagt.) Ich habe vor allem gestaunt über die tiefen Preise für Artikel wie Waschmittel, Zahnpasta etc. Ich denke, hier liegt ein sehr grosses Potential, weniger bei den Lebensmitteln…