Mediales Zahlenjonglieren vor der Wortschlacht

Am Mittwoch wird im Nationalrat über die Agrarpolitik 2014-2017 debattiert. Die Komplexität des Pakets ist für Aussenstehende, und das dürften rund 97 Prozent der Bevölkerung sein, relativ hoch. Auch Journalisten verzweifeln schier vor dem Materialberg. So schrieb mein Kollege Christof Forster nach der Kommissionsbehandlung in der NZZ: „Wer sich mit der neuen Agrarpolitik 2014–2017 des Bundesrats befasst, kann sich schnell in den Details verlieren. Die Botschaft des Bundesrats ist 275 Seiten dick. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK) hat insgesamt über 24 Stunden darüber debattiert, dabei 134 Anträge behandelt und 20 Experten aus einem Dutzend Organisationen befragt.“
Die Debatte verspricht wenig Aufregendes: Die Meinungen sind weitgehend gemacht: Man wird eintreten und das Paket mit ein paar bescheidenen Abänderungen verabschieden. In der Auseinandersetzung der grossen Kammer mit dem etwas wirtschaftsfreundlicheren Ständerat wird dann wohl noch das eine oder andere bauernfreundliche Detail wieder entfernt.
Interessanter ist, wie Medien und Verbände im Vorfeld mit diesem schwer erklärbaren, mässig aufregenden und doch irgendwie wichtigen Thema umgehen. Während die Schweizer Illustrierte den Promi-Approach wählt und den Vorzeige-Bauern Renzo Blumenthal als „beste Kuh im Stall“ samt Fleisch-Käseplatte ins Bild rückt, ist es für die sogenannten seriösen Medien etwas komplexer. Beliebt sind Interviews mit dem zuständigen Bundesrat, wie dasjenige des „Tages-Anzeigers“ mit Johann Schneider-Ammann, dabei ist fast wichtiger als der Inhalt, dass man vor der Konkurrenz, namentlich jener am Sonntag dran ist, weshalb dieser Trumpf schon im August ausgespielt wurde.
Sehr beliebt ist auch die Präsentation von Zahlen, die aufzeigen sollen, wie subventionsabhängig die Schweizer Landwirtschaft ist. Das ist aber immer ein riskantes Spiel, da hier die verschiedensten Zahlen herumgeboten werden, was deren Glaubwürdigkeit nicht gerade förderlich ist. Während etwa das Wirtschaftsmagazin Eco von SF behauptete, dass das Einkommen der Schweizer Bauern zu 69 Prozent auf staatlicher Stützung beruht (siehe Bild oben), zitierte die NZZ OECD-Zahlen, die lediglich gut 55 Prozent öffentliche Unterstützung zu verbuchen wissen.
Ähnlich verwirrlich sind die herumgebotenen Zahlen zum jährlichen Direktzahlungsvolumen. Während Landwirtschaftsminister Schneider-Ammann im Tagi-Interview von 2,8 Milliarden Franken Direktzahlungen jährlich spricht, kommt Economiesuisse auf 3,5 Milliarden. Der Wirtschaftsverband verbindet seine   Stellungnahme zu AP 2014-17 mit der Ablehnung der angestrebten Emmentaler-Mengensteuerung und versteigt sich zur Behauptung, dass eine Rückkehr in Käseunions-Verhältnisse drohe. Dass sich Economiesuisse auf diesem Nebenschauplatz verirrt, entspringt wohl einer gewissen Ratlosigkeit, wie man dem Powerplay der Bauernlobby begegnen soll, denn wo es um das Eingemachte in der Agrarpolitik geht, hat die im übrigen mächtige Wirtschaftslobby wenig bis nichts zu melden.

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