Themen besetzen mit frierenden JournalistInnen

Neujahrs-Stelldichein im bernischen Frienisberg: Die oberste Bäuerin Anne Challandes, SBV-Präsident Markus Ritter, sein Direktor Martin Rufer und Gastgeber Richard Maurer (v.l.).

Willkommen zurück auf dem Agroblog! Ich freue mich, hier nach gut sechs Jahren endlich wieder mal etwas zu posten und hoffen, dass dies künftig wieder regelmässiger der Fall sein wird. Der Wiedereinstieg hat ein bisschen äussere Gründe. Das Portal bioaktuell.ch für das ich neuerdings schreibe, hat im Moment grad Weihnachtspause. Da ich als Ex-BauernZeitungs-Mensch immer noch zu den Medienanlässen des Schweizer Bauernverbands (SBV) eingeladen werde, bin ich heute nach Frienisberg im schönen Berner Hinterland gepilgert, quasi als Initiationsritual zum neuen Jahr. Und darüber muss ein Schreibknecht wie ich natürlich etwas zu Protokoll geben.

Cleveres Timing
Die Jahresmedienkonferenz ist keine Neuigkeit. Alljährlich gelingt es dem SBV, eine stattliche Schar von Medienleuten zur Anreise in einen unterkühlten Stall zu bewegen, wo Zurück- und in die Zukunft geblickt wird, wobei es heute dank dem Schmalspur-Winter wärmer war als auch schon. Das Timinig ist clever. Die Weihnachtsferien sind die neue Saure-Gurken-Zeit. Während die halbe Schweiz in ihren Chalets oder in der Karibik den Arbeitsantritt hinauszögert, suchen die JournalistInnen verzweifelt nach Stoff.

Diese Lücke büsst der SBV noch so gerne. Geboten wird meist ein Mix aus moderatem Jammern und politischer Weichenstellung. Dem war heute nicht anders. Einerseits beklagte man die bescheidenen Einkommen (dass diese 2022 um 1,3 rückläufig waren, berichtete Agroscope im November). Das ist tatsächlich höchst stossend. Oder wissen Sie zufällig eine andere Branche, die regelmässig derartige News verkünden muss?

Selbst in Krisensektoren wie den Medien sind die Einkünfte für die Mitarbeitenden allerhöchstens stagnierend. Man mag jetzt sagen, die Landwirte und Landwirtinnen seien freie UnternehmerInnen und deshalb nicht vergleichbar mit Angestellten, z.B. mit dem Verkaufspersonal beim Detailhandel. Gerade dieser könnte aber mit einer Anpassung der Preis- und Margenpolitik jederzeit für bessere Einkommen sorgen, das aber nur nebenbei.

Allianz mit Strombranche und BauunternehmerInnen
Die Einkommensentwicklung zeigt aber, dass eine starke Landwirtschaftslobby nötig bleibt. Dieser Lobbyaktivität dient natürlich auch die Neujahrs-Medienkonferenz. Hier wurde denn auch gleich das SBV-Thema Nr. 1 für das Jahr 2024 gesetzt. Es handelt um die Biodiversitäts-Initiative, die man bodigen will. Die Nein-Allianz des SBV mit BauunternehmerInnen, Strombranche und generell den Wirtschaftsverbänden steht.

Die Ablehnung des Volksbegehrens an der Urne im Juni oder September dürfte Formsache sein. Schade aus meiner Sicht, denn den moderaten Gegenvorschlag hätte es leiden mögen, ohne dass die heimische Produktion zu stark gelitten hätte; zumal das Alternativprojekt vor allem im Siedlungsgebiet gewirkt und die Landwirtschaft wenig tangiert hätte.

Biodiversitäts-Initiative: Der Mist ist geführt
Item, dieser Mist ist geführt. Es bleiben aus meiner Sicht noch zwei Erkenntnisse: Erstens ist der Vorteil des Abstimmungskampfs gegenüber einer hundskommunen Gesetzesänderung (durch einen indirekten Gegenvorschlag) die anstehende intensive öffentliche Diskussion über Biodiversität. Das schadet sicher nicht. Das Wissen über deren Bedeutung ist in der breiten Bevölkerung komplett ungenügend.

Zweitens ist die Lobbyarbeit des SBV immer nur so erfolgreich, wie es die politische Gegnerschaft zulässt. Der Einfluss der Mainstream-LandwirtschaftsvertreterInnen ist beträchtlich, aber letztlich nur so gross wie die Unfähigkeit der anderen LobbyistInnen, ihre Interessen zu bündeln. Es bringt also nichts, über Ritter und Co. zu jammern, wenn man/frau nicht bereit ist, die Themen rechzeitig zu besetzen, die Kampagnen sorgfältig vorzubereiten und früh im Jahr frierende JournalistInnen zu empfangen.

Das obligate Gruppenbild mit Feld und Wald.

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