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Die Mühe der Empfänger mit dem Bundesmanna

März 31, 2015

BUNDESHAUS, GELD, GELDSCHEINE, NOTEN, GELDNOTEN, BANKNOTEN, FRANKEN

Diese Woche ist vom BLW die neueste Studie OECD zur Schweizer Agrarpolitik präsentiert worden. Weil ich sie im Wortlaut nicht gelesen habe, will ich mich nicht gross darüber äussern. Sie liefert wenn man der Medienmitteilung des Bauernverbands glauben will „Alten Wein in alten Schläuchen“. Durchgefallen ist sie auch beim Tierschutz, wie Geschäftsführer H.U. Huber in einer recht satten und als Leserbrief verbreiteten Analyse kundtat. Was schon sicher ist: Bewirken wird sie nichts, die OECD-Studie, frei nach einem der schönsten Sprichwörter, die es gibt: Les chiens abboient, la caravane passe.

Gelesen habe ich immerhin die Mitteilung des BLW. Darin stand abgesehen vom tatsächlich ziemlich abgestandenen Tropfen ein sehr interessanter Satz: „Allerdings haben die Direktzahlungen aktuell ein so hohes Niveau erreicht, dass Entscheide von Betriebsleitern immer weniger von Marktsignalen beeinflusst werden, analysiert die OECD.“

Grund genug, einen Blick auf das ambivalente Verhältnis der Bauern zum Bundesmanna zu werfen. Im Grunde genommen sind die Direktzahlungen Lebensversicherung und Demütigung in einem. Ohne diese Beiträge – gemäss dem OECD-Bericht kommt jeder zweite eingenommene Franken aus Staatsstützung – würden grob geschätzte 50 Prozent der Betriebe innert einer Handvoll Jahre die Segel streichen müssen. Deshalb wird auch jeder noch so marginale Angriff auf dieses Geld von Seiten der vereinigten Bauernlobby sofort und bisher meist erfolgreich gegenattackiert, wie etwa dieser Redetext von SBV-Präsident Markus Ritter zeigt.

Andererseits widerstrebt es, so würde ich mal behaupten, den meisten Bauern tief drin, derart viel Geld anzunehmen, das sie für in der Verfassung zwar definierte aber doch etwas schwammige Leistungen zweimal jährlich überwiesen erhalten. Ein Indiz dafür ist das Mantra von der produzierenden Landwirtschaft, das seit einigen Jahren landauf, landab immer dann präsentiert wird, wenn es gilt, die echte und eben produzierende Landwirtschaft der verpönten ökologisierten Landschaftspflegerlandwirtschaft entgegenzustellen.

Dieses Unwohlsein mit den an die Direktzahlungen gebundenen Bundesauflagen hat mit der Agrarpolitik 14/17 einen neuen Höhepunkt erreicht. Am stärktsten am Pranger stehen die Landschaftsqualitätsbeiträge. Sie werden je nach Kanton zum Beispiel für schöne Brunnentröge und Geranien auf dem Fenstersims ausbezahlt. Da kann man sich in der Tat fragen, ob der Amtsschimmel noch alle Tassen im Stall hat. Aber letztlich sind das nur die Auswüchse eines an sich nicht so schlechten Systems, was die Bauern mit ihrem Widerstand gegen die Kürzungen auch indirekt einräumen.

Die alte Agrarpolitik mit den an Produktpreisen gebundenen Stützungen hat ins Debakel bzw. in den Milchsee geführt. Wenn nun indirekt eine Rückkehr zu diesem System gefordert wird, ist das eher Ausdruck der Verzweiflung als agrarökonomische Weisheit. Es wird für die Bauern kein Weg darum herum führen, auch ökologische Leistungen als Produkte ihrer Höfe zu akzeptieren. Natürlich aber nur sofern sie Direktzahlungen beziehen und optimieren wollen. Es steht ja letztlich jedem frei, sich dem ungeschützten Markt auszusetzen, aber auf diesem Weg ist die Schiffbruchgefahr für Bewirtschafter der Hochpreisinsel Schweiz sehr, sehr gross. (Bild Thurgauer Zeitung / Keystone)

Die schonungslose Agraussensicht der Ökonomen

Oktober 17, 2013

OECD-Stützung totalEin aufmerksamer Kollege hat mir dieser Tage den neuesten Bericht zur Schweizer Landwirtschaft aus der Küche der OECD zugesteckt. Er heisst The Agri-food Situation and Policies in Switzerland. Das im September erschienene Papier hat weder Primeurcharakter noch hat es bei seiner Veröffentlichung vor einigen Wochen irgendwelche grösseren Wellen geschlagen, einmal abgesehen von einer kurzen Agenturmeldung.

Das dürfte damit zu tun haben, dass sich selbst die wirtschaftliberalsten Beobachter der Schweizer Agrarszene mittlerweile ins Schicksal gefügt haben, das da lautet: Die Schweiz leistet sich ungeachtet des Systemwechsels von der Stützung der Produktepreise zu den Direktzahlungen einen der fünf teuersten und ineffizientesten Primärsektoren der OECD-Welt. Das ist nichts Neues, und doch tut es ab und zu gut, einen Blick auf solche Berichte zu werfen. Sie liefern den schonunglosen Aussenblick aus ökonomischer Sicht.  Der Schweizer Agrarsektor sei die Achillesferse der Schweizer Wirtschaft, die Belastung der Staatskasse hoch, die wirtschaftliche Bedeutung ebenso gering wie die Arbeitsproduktivität und so weiter und so fort.

Ich empfehle dieses Papier einem jeden Freund und jeder Freundin der Schweizer Landwirtschaft zur Lektüre weil es hilft zu verstehen, wie die Mehrheit der Schweizer vermutlich denken wird, wenn die verwandtschaftlichen und mentalen Stadt-Landbande weiter abnehmen und die Urbanisierung im gleichen Mass wächst. Die Leserumfrage, welche das Onlineportal von „20 Minuten“ anlässlich der Präsentation der Zahlen gemacht hat (über 15’000 TeilnehmerInnen), ist ein erster kleiner Schuss vor den Bug: Eine klare Mehrheit von 54% der tendenziell jungen Leserschaft sagt auf die Frage „Finden Sie es richtig, dass die Schweizer Bauern so viele Subventionen erhalten?“: Nein.

Der Bericht ist überdies hoffentlich heilsame Medizin für all diejenigen, welche die umfangreiche Unterstützung durch Steuerzahler und Konsumentinnen mit an Selbstherrlichkeit grenzender Selbstsicherheit für alle Ewigkeit als garantiert selbstverständlich betrachten.